Über Pläne fürs Alte Rathaus ist schon häufiger diskutiert worden, jetzt gibt es wieder welche. Und diesmal sind die Aussichten, dass der Leerstand des denkmalgeschützten Gebäudes tatsächlich beendet wird, besser als je zuvor. Nicht etwa, weil bald Wahl ist. Oder weil der Innensenator an diesem Nachmittag nach Blumenthal gekommen ist – das war Ulrich Mäurer vor fünf Jahren auch schon. Sondern weil diesmal mehrere Behörden signalisiert haben, in den Altbau einziehen zu wollen. Ein Rundgang mit dem Ressortchef und einem Tross an Fachleuten.
Sie sind, Mäurers Personenschützer mitgezählt, zu elft gekommen. Mitarbeiter der Senatskanzlei sind da, der Baubehörde, des Ortsamtes und vor allem vom städtischen Gebäude- und Grundstücksverwalter Immobilien Bremen: eine Projektentwicklerin, ein Strategieexperte, ein Bestandsmanager. Und eben der Senator. Im Foyer bleibt er stehen. Mäurer sagt, dass die Gruppe, mit der er 2018 durch das Rathaus ging, ähnlich groß war. Und dass damals fast dieselben Dienststellen vertreten waren wie jetzt. Einige Frauen und Männer, die heute dabei sind, nicken.
Es gab Zeiten, in denen wollte die Innenbehörde in das mehr als Hundert Jahre alte Gebäude an der Landrat-Christians-Straße – und es gab Zeiten, in denen wollte sie es nicht mehr. Jetzt will sie es wieder. Trotz der enormen Kosten, die damals gegen einen Umbau von mehreren Etagen zu einem Polizeirevier gesprochen haben. Auch heute ist die Summe hoch. Später, im zweiten Geschoss, wird Günter Klänelschen sagen, wie hoch: fünf Millionen Euro. Und das, meint der Strategiefachmann von Immobilien Bremen, ist nur der Betrag, der veranschlagt wird, um den Altbau energetisch zu sanieren und barrierefrei zu machen.

Ein Durchgang im rechten Gebäudeflügel: Er führt auf die Seite des Grundstücks, an der später eine Verbindung zwischen Marktplatz und Kämmerei-Quartier geschaffen werden soll.
Und um alle seine Problemstellen zu beseitigen. Augenscheinlich, sagt Hans-Günter Bruckhaus, ist das Rathaus in einem guten Zustand. Obwohl es seit fast sieben Jahren leer steht, erst komplett, dann teilweise. Und obwohl der Gebäudemanager während des Rundgangs zweimal erklären wird, dass der Hauswart demnächst noch mal kommen muss – in die oberste Etage und in die unterste. Irgendwo im Walmdach muss ein Leck sein, weil Regenwasser in einen weißen Plastikeimer tropft – und irgendwo im Keller schließt die Dichtung einer Abwasserleitung nicht richtig, weil ein fauliger Geruch in der Luft hängt.
Alles Kleinkram und nicht mit dem zu vergleichen, was angedacht ist, um jede Behörde auf den Etagen unterzubringen, die inzwischen ins Alte Rathaus will. Dorothea Haubold sagt, dass sie die Resonanz der Ressorts überrascht hat. In der Vorwoche bekam die Stadtumbau-Expertin erst eine Rückmeldung von der Kulturbehörde, dann von Soziales, Bildung und Gesundheit. Mit dem Ergebnis: Alle wollen Räume des früheren Verwaltungssitzes übernehmen. So viele, dass es bei dem Gebäude inzwischen nicht mehr nur um eine Sanierung des Altbaus geht, sondern auch um einen Anbau mit separatem Eingang.
Auf dem Flur zum alten Ratssaal zeigt Haubold immer wieder auf die Rückseite des Gebäudes: Dort soll die Erweiterung geschaffen werden. Und zwar eine mehrgeschossige. Die Behörden haben der Planerin nicht bloß geschrieben, dass sie Flächen nutzen wollen, sondern auch, wie viele und wofür. Unterm Strich kommen sie auf mehr als die 1000 Quadratmeter Nutzfläche, die das Rathaus hat. Allein die Innenbehörde ist nach Mäurers Rechnung an 500 bis 600 Quadratmetern interessiert. Der Senator spricht sowohl von einem Revier im Alten Rathaus als auch von einer Zentrale des Nordbremer Ordnungsdienstes.
Macht nach seiner Schätzung zusammen etwa 20 Einsatzkräfte, für die es Platz im Gebäude braucht. Und früher auch zeitweise gegeben hat. Dass der Altbau schon mal Standort der Polizei war, kann man auf Türschildern lesen. Und im Keller sehen. Drei fensterlose Arrestzellen mit Holzpritschen reihen sich auf einem Gang, der zum hinteren Teil des Hauses führt. Dass dort der Anbau hinsoll, hat mit dem Grundstück zu tun, auf dem es sonst keine freie Fläche gibt. Und damit, dass es künftig zwei Eingänge geben muss: einen für die Wache plus Ordnungsdienst und einen für die anderen vier Behörden und ihren Angeboten.

Ein Türschild im Flur: Die Polizei – das Wort steht auf dem Kopf – hatte früher schon Büros im Rathaus.
Vieles ist für die Planer vorstellbar. An diesem Nachmittag wird über Räume für eine Bücherei gesprochen, für die Ausbildung von Hebammen, für die Beratung von Blumenthalern. Und davon, dass aus dem Alten Rathaus so etwas wie ein Quartierszentrum werden könnte. Bettina Wagner-Pribbernow benutzt das Wort mehrmals. Und noch ein anderes: Schnittstelle. Die Projektentwicklerin von Immobilien Bremen dreht sich beim Sprechen. Mal schaut sie in Richtung des Ortskerns, mal in die andere zum Kämmerei-Quartier. Sie sagt, dass der Standort des Rathauses ideal ist, um alles miteinander zu verbinden.
Hier das Alte, dort das Neue. Hier die Geschäftsstraßen, in denen es immer weniger Läden gibt, dort der frühere Industriestandort, der mit dem geplanten Campus nun zum Bildungsstandort werden soll. Beim Rundgang sprechen viele von einer Chance für Blumenthal und von Impulsen, die mit einem Projekt verbunden sind, bei dem es um rund 4000 Schüler und Lehrer geht. Darum soll auch ein direkter Zugang her. Nach den Plänen der Stadtentwickler wird es beim Rathaus künftig eine Passage geben, die vom Marktplatz gleich ins Kämmerei-Quartier führt. Und umgekehrt.
Auch die Impulse sind wechselseitig. Fast alle sagen das: Nicht nur das alte Geschäftsviertel kann vom Campus-Konzept profitieren, sondern das Kämmerei-Quartier zugleich vom Blumenthaler Ortskern – weil er jetzt Sanierungsgebiet geworden ist und es Millionen an Fördermitteln des Städtebaus gibt. Auch deshalb, sagt Mäurer, sind die Aussichten, dass es mit dem Umbau des Rathauses diesmal tatsächlich klappt, besser als bisher. So viel besser, dass die Planer davon ausgehen, in fünf Jahren aus dem weitestgehend leeren Gebäude ein volles Quartierszentrum gemacht zu haben.