Ursprünglich wollte die Behörde längst getestet haben, was sie Anfang des Vorjahres angekündigt hat: ein Frühwarnsystem, das Anwohner und Rettungskräfte alarmiert, wenn die Blumenthaler Aue und die Beckedorfer Beeke bei Starkregen über die Ufer zu treten drohen. Doch der sogenannte interne Probelauf des Ressorts dauert noch an, sodass der externe mit den Anliegern weiter auf sich warten lässt. Nun soll es im nächsten Monat losgehen – und die Meldetechnik, wenn alles glatt läuft, im Herbst in den Regelbetrieb gehen.
Es ist das erste Mal, dass die Umweltbehörde im Stadtgebiet auf Know-how setzt, dass sonst in sturmflutbedrohten Küstenregionen zum Einsatz kommt. Und das erste Mal, dass sie im Kleinen nachahmt, was es im Großen schon gibt: Auch der Bund hat ein Meldesystem, mit dem er Bürger und Katastrophenschützer gleichermaßen informiert. "Nina" heißt das System, die Kurzform steht für Notfall-Informations- und Nachrichten-App. Wer sie hat, bekommt Warnungen vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz direkt aufs Smartphone.
So ähnlich soll es auch in Blumenthal funktionieren: Drohen Regenfälle, die so stark sind, dass sie von Aue und Beeke nicht aufgenommen werden können, gibt es Pushmeldungen. Auch wenn es sich bei ihnen im Grunde um Warnungen handelt, will Lucia Herbeck lieber nicht von einem Frühwarnsystem sprechen. Die Chefkoordinatorin des Projekts sagt stattdessen Kurzfristvorhersagesystem. Ihr zufolge darf ausschließlich der Bund die Bevölkerung vor drohenden oder akuten Gefahrenlagen warnen, nicht aber eine Behörde.
Seit fünf Jahren wird daran gearbeitet, das Gebiet der Blumenthaler Aue sicherer zu machen. Erst waren Vermesser und Umwelttechniker vor Ort, später Gewässerkundler und Risikomanager. Ihre Analysen bestätigten, was Anwohner immer wieder beklagt haben: Kommt es zum Starkregen, vergeht nicht viel Zeit, ehe die Gewässer über- und Grundstücke sowie Gebäude volllaufen. Zum Beispiel die Burg Blomendal. Zum Beispiel der angrenzende Kindergarten. Im Vorjahr kaufte die Behörde das Frühwarnsystem für 50.000 Euro.
Im Prinzip ist es eine Mischung aus einer Melde- und einer Wettersoftware. Nur dass die Vorhersagen im Blumenthaler Fall so aufgearbeitet werden, dass sie nicht nur schneller vorliegen als andere Wetterlagen, sondern auch genauer sind, weil lokaler. Eine Spezialfirma wertet quasi noch mal aus, was der Wetterdienst im Groben prognostiziert. Herbeck sagt, dass das System eine 48-Stunden-Vorhersage für die Niederschlagsmenge berechnet – und diese Menge mal in einer Maximal-, mal einer Mittelwert-Prognose wiedergibt.
Das Frühwarnsystem ist nicht ihr einziges Vorhaben. Herbeck, die Umweltinnovationen in Bremen vorantreiben soll, leitet noch ein größeres. Die Vorhersagen für Blumenthal sind ein Teil von ihm. Die Behörde nennt das Projekt "Bresilient" – ein Wortspiel aus Bremen und Resilienz: also die Fähigkeit, aus Krisen zu lernen, um künftig besser und schneller auf sie Einfluss nehmen zu können. Es ist ein Förderprogramm, bei dem es um Bundes- und Landesmittel in Höhe von 3,8 Millionen Euro geht. Im November 2017 ist es gestartet, und im Mai 2023 soll es abgeschlossen sein.
Auch deshalb soll jetzt der zweite Teil des Tests starten – und jeder Anwohner des Aue-Gebietes und jede Rettungskraft im Stadtteil bekommen, was bisher nur Mitarbeiter der Behörde haben: den Zugriff auf die Daten, die das Frühwarnsystem liefert. Herbeck geht davon aus, dass der Probelauf bis September dauern wird und dann Bilanz gezogen wird. Die Anwender sollen sagen, was sie gut und was sie schlecht fanden, ehe das Projekt, das später auch auf andere Gebiete der Stadt übertragen werden könnte, quasi scharf geschaltet wird.
Ein erstes Fazit erhofft sich Herbeck schon vorher. Bei einem Wassertag, der im August geplant ist, sollen alle auf Burg Blomendal zusammenkommen, die betroffen sind und die helfen können. Die Behörde will aus bisherigen Gesprächspartnern dann Bündnispartner machen. Sie plant eine Allianz, deren Mitglieder sich auf ein Konzept verständigen, damit jeder weiß, was im Fall der Fälle zu tun ist. Einen ersten Austausch gab es im Vorjahr, jetzt soll es einen weiteren geben, der die Partnerschaft endgültig besiegelt.