Die angesichts der anhaltenden Minustemperaturen zugefrorenen Wümmewiesen in Borgfeld sind in diesen Tagen das Ziel unzähliger Besucher. Spaziergänger, Schlittschuhläufer und Eishockeyfans kommen in Borgfeld zusammen, um über das Eis zu gleiten und dabei das Winterwetter zu genießen. Manche Beobachter betrachten das Treiben mit gemischten Gefühlen. Denn die Verkehrslage rund um den Anlaufpunkt ist angespannt. Und es gibt die Sorge, dass die Abstandsregeln nicht eingehalten werden.
Eltern, Großeltern, Kinder und Jugendliche, ja, ganze Familien zog es während der vergangenen Tage auf die vereisten Flächen. Für die Worpsweder Tanja Schlüter mit Hannes und Lotta war es das erste Mal in diesem Jahr, dass sie sich die Schlittschuhe unterschnallen konnten. Denn in Worpswede gebe es nichts Vergleichbares, sagt Tanja Schlüter. Sie machte sich mit ihren Kindern im Anschluss an das Homeschooling in Richtung Wümmewiesen auf den Weg, um die Gunst der Stunde zu nutzen. Um einen Geheimtipp für Schlittschuhläufer handelt es sich in Borgfeld schon lange nicht mehr. Bis nach Schwachhausen hat sich die Möglichkeit, auf den zugefrorenen Wiesen Schlittschuh laufen zu können, herumgesprochen. Auch die Schwachhauser Roland und Wilma kennen die Wiesen zwischen Großem Moordamm und Borgfelder Landstraße.
Alternativen sind in der Gegend kaum vorhanden. „Die Semkenfahrt ist geschlossen, uns blutet das Herz, aber da wird nichts von“, sagt Reinhard Pridat vom Eisverein über die in Absprache mit dem Bremer Ordnungsamt getroffene Entscheidung, die große Eislauffläche im Blockland nicht zu öffnen. Denn es sei dem Verein nicht möglich, auf die Einhaltung der Abstandsregeln zu achten.
Ganz allgemein hat die Bremer Umweltbehörde vor dem Betreten von Eisflächen gewarnt. Trotz der frostigen Temperaturen sei das Eis immer noch dünn und beim Betreten bestehe Lebensgefahr. Kinder und Jugendliche überschätzten leicht dessen Tragfähigkeit. So brach in Borgfeld ein kleiner Junge im Eis eines Fleets ein und stand bis zur Brust im eiskalten Wasser. Wer sich trotzdem aufs Eis begebe, tue dies auf eigene Gefahr, heißt es seitens der Umweltbehörde.
In Borgfeld weist Ortsamtsleiter Karl-Heinz Bramsiepe darauf hin, dass es keine offizielle Freigabe der Eisflächen im Ortsteil gebe. Grund hierfür seien die Eigentumsverhältnisse. Denn die von den Schlittschuhläufern aufgesuchten Wiesen sind im Besitz von Borgfelder Landwirten und Schutzgebiete der Stiftung Nordwest Natur und somit nicht öffentlicher Grund. Für die Landwirte sei die Nutzung durch die Schlittschuhläufer grundsätzlich kein Problem, betonen Carsten Schnakenberg und Hans-Lüder Behrens. Einzig der Müll, der von einigen Besuchern hinterlassen werde, sei nicht nur sehr unerfreulich, sondern für das Vieh, das dort häufig stehe, sogar gefährlich.
Bedenken gibt es auch wegen der Verkehrslage. Bereits am Mittwoch herrschten an der Borgfelder Landstraße chaotische Verkehrsverhältnisse aufgrund beidseitig geparkter Autos. Rebekka Lemb, Geschäftsführerin der Stiftung Nordwest Natur, hat zwar Verständnis für Menschen, die das Auto nutzen, um zum Eis zu kommen. Sie sorgt sich aber, dass es am Wochenende wegen des sonnigen Winterwetters auf dem Eis und den umliegenden Straßen eng werden könnte. Polizei und Ordnungsamt seien informiert, um die Einhaltung von Coronaabstandsregeln, den Schutz der Naturschutzgebiete und der Verkehrsvorschriften zu kontrollieren. „Aber die Eisflächen sind offen und man kann Schlittschuh laufen“, teilte die Geschäftsführerin der Stiftung nach Absprache mit der Naturschutzbehörde mit.
Da Eislaufen in der Region eine lange Tradition hat, wurde es, da es sich um eine ruhige Sportart handelt, in die Schutzgebietsverordnung aufgenommen und erlaubt. Nicht gestattet sind hingegen die Nutzung von Kite-Drachen, laute Musik und freilaufende Hunde sowie der Ausschank von Alkohol. „Gerade jetzt gebietet es das Miteinander, die Regeln einzuhalten“, so Lemb. Naturschutzgebiete sind für Autos tabu, das Befahren sei verboten, betont sie nach den Erfahrungen der vergangenen Tage.
Regeln für den Notfall
So wie es Baderegeln gibt, gibt es auch Eisregeln. Rettungskräfte der DLRG haben sie aufgestellt. Alles in allem gibt es ein Dutzend Hinweise von ihnen, wie man sich auf zugefrorenen Seen und Teichen verhalten sollte – und im Notfall, wenn jemand ins Eis eingebrochen ist.
Eine Regel lautet: Betritt einen See erst, wenn das Eis mindestens 15 Zentimeter dick ist – und auch dann nur mit Vorsicht. Eine andere: Gehe sofort zurück zum Ufer, wenn es knistert und knackt. Weiten sich die Risse im Eis aus, gilt es, sich auf Hände und Knie zu begeben, damit das Körpergewicht verteilt wird. Ebenfalls wichtig aus Sicht von Helfern ist, dass niemals an den ersten Frosttagen aufs Eis gegangen wird. Und später, wenn es dicker geworden ist, nie allein.
Ist jemand ins Eis eingebrochen, sollte die Feuerwehr verständigt werden – und man sich dem Betroffenen genauso nähern, wie beim Knistern und Knacken des Eises: möglichst so, dass das eigene Gewicht verteilt wird. Ein Brett, eine Leiter oder ein umgedrehter Schlitten können dabei helfen. Wer aus dem Wasser gezogen wurde, muss sofort gewärmt werden. In jedem Fall ist ein Notarzt zu verständigen, weil eine Unterkühlung lebensbedrohlich sein kann.