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In Borgfeld und Lilienthal Wie hilfsbedürftige Senioren im Hochwassergebiet versorgt werden

Das Hochwasser stellt Pflege- und Versorgungsdienste für ältere Menschen vor besondere Herausforderungen: Wie werden diese Schwierigkeiten gemeistert?
05.01.2024, 05:00 Uhr
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Wie hilfsbedürftige Senioren im Hochwassergebiet versorgt werden
Von Björn Struß

Im Hochwassergebiet haben in Borgfeld und Lilienthal seit Weihnachten Hunderte mit den Wassermassen zu kämpfen. Besonders hart trifft es dabei jene, die ohnehin auf Hilfe angewiesen sind: pflegebedürftige Senioren. In der ambulanten Pflege muss der Pflegedienst Lilienthal, der auch einen Standort in Borgfeld hat, besonders flexibel sein. Denn die Pflegebedürftigen befinden sich in ganz unterschiedlichen Situationen. "Teilweise mussten wir Absprachen mit der Polizei treffen, um gesperrte Straßen befahren zu dürfen", erläutert Sven Mensen, Geschäftsführer des Pflegedienstes Lilienthal. "Evakuierte Senioren haben wir auch in Hotels oder Ferienwohnungen betreut." 

Laut Mensen ist es insgesamt gelungen, die Pflege auch in dieser Notlage sicherzustellen. "In Notunterkünften wie Turnhallen sind neue Pflegebedürftige hinzugekommen, die uns bis dahin gar nicht bekannt waren", berichtet Mensen. Bei diesen Senioren hätten Angehörige den Pflegebedarf zuvor nicht gemeldet. Die Mitarbeiter müssen wegen des anhaltenden Hochwassers auch mit der psychischen Belastung der Pflegebedürftigen umgehen. "Ängste, was mit dem Eigenheim während der Abwesenheit passiert, sind in dieser Altersgruppe besonders ausgeprägt", weiß Mensen.

Eine der Betroffenen ist Adda Blanke aus Timmersloh. Die kleine Siedlung an der Grenze zu Lilienthal ist fast vollständig von Wasser umschlossen. Seit etwa acht Jahren muss sich die 86-Jährige für ein warmes Mittagessen nicht mehr an den Herd stellen. Gloria kocht für sie. Mit dem Lieferdienst ist Blanke eigentlich zufrieden: "Es war immer lecker und die Mitarbeiter sind freundlich." Nachdem Wümme und Wörpe die Wiesen rund um Timmersloh fluteten, erlebte die Seniorin jedoch eine herbe Enttäuschung. Am Sonnabend vor Silvester kam das bestellte Mittagessen nicht. Bis heute ist Gloria nicht bereit, Umwege zu fahren, um die Bremerin am dünn besiedelten Stadtrand zu versorgen.

Als die warme Mahlzeit ohne Vorankündigung ausblieb, musste Blanke improvisieren: "Dann hab ich mir eben ein Brot geschmiert." Sie hat Glück, denn in dem großen Bauernhaus leben auch Tochter, Schwiegersohn und Enkelin. Die drei Berufstätigen kochen nun selbst für die Mutter, beziehungsweise Großmutter. Die Gesamtsituation hat Blanke in den vergangenen Tagen Angst gemacht: "Ich habe hier schon früher Hochwasser erlebt. Aber so schlimm war es noch nie."

Tochter Angelika Behrendt hat kein Verständnis für das Verhalten von Gloria: "Am Telefon hieß es, Timmersloh sei nicht zu erreichen. Dabei war eine Straße immer befahrbar." Der Pflegedienst sei durchgehend gekommen, inzwischen habe die Feuerwehr eine zweite Zufahrt freigegeben. Das Essen auf Rädern soll es hingegen erst dann wieder geben, wenn auch die Straße "Am Großen Moordamm" befahrbar ist.

Einen langen Umweg zu fahren, lohnt sich für das Unternehmen offenbar nicht. Auf Nachfrage wollte sich Gloria am Donnerstag nicht dazu äußern. "Wir können uns helfen, aber viele Senioren leben allein", gibt Behrendt zu bedenken. "In einer solchen Notlage kann Gloria doch nicht einfach die Lieferung einstellen."

Auch in anderen Teilen Borgfelds haben ältere Menschen in den vergangenen Tagen ihre Häuser verlassen, weil die SWB aus Sicherheitsgründen den Strom abstellen musste. "Bei einer alleinstehenden 86-Jährigen war das durchaus problematisch", schildert Ortsamtsleiter Karl-Heinz Bramsiepe. Am stark betroffenen Erbrichterweg sei der Altersschnitt relativ hoch. Laut Bramsiepe haben sich aber die Angehörigen gut gekümmert, sodass die Senioren nicht allein mit dem Hochwasser klarkommen mussten.

Eine wichtige Anlaufstelle ist in Borgfeld die evangelische Gemeinde, weil sie seit der vergangenen Woche einen warmen Mittagstisch anbietet. "Wer in seinem Haus keinen Strom hat, der kann auch nicht kochen", betont Elke Meiners, ehrenamtliches Mitglied der Gemeindevertretung. Täglich kämen zwischen 25 und 30 Personen, darunter seien sowohl Familien als auch Rentner.

Das Kochen soll laut Meiners die Betroffenen aus dem Überschwemmungsgebiet entlasten. Bei den vielen Sorgen sei es gut, sich nicht auch noch um das Essen Gedanken machen zu müssen. "Die warme Küche ist auch für die Helfer da", sagt Meiners. Wenn sich die Hochwasserlage nicht verschlechtert, wollen die Ehrenamtlichen an diesen Freitag zum letzten Mal den Mittagstisch organisieren.

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