Was im Großen gilt, gilt auch im Kleinen: Unseren Flüssen geht es schlecht. Nur 37 Prozent der europäischen Seen und Flüsse befinden sich in einem guten Zustand. Das geht aus einem Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA) hervor. „Unsere Gewässer stehen vor noch nie da gewesenen Herausforderungen, die die Wassersicherheit Europas bedrohen“, berichtet die EEA-Direktorin Leena Ylä-Mononen.
Was für Europa gilt, zählt auch für Niedersachsen: Viele Flüsse, Seen, Bäche und Gräben sind weiterhin in einer schlechten Verfassung, kritisiert der Naturschutzbund (Nabu) Niedersachsen – lediglich drei Prozent der Gewässer Niedersachsens seien in einem guten Zustand. Der Nabu-Landesvorsitzende Holger Buschmann fordert deshalb einen "umfassenden Gewässerschutz". Dem schließt sich unter anderem Claus Lumma, Gewässerschutzbeauftragter vom Sportfischerverein (SFV) Bremen an. Expertinnen und Experten aus der Region sorgen sich um die Wasserqualität in Wümme, Hamme und Wörpe. "Eigentlich fischen wir in einer Kloake", sagt Swen Eimen, Vorsitzender des Ritterhuder Angelsportvereins (RASV) Hammebiss.
Wie ist die Wasserqualität in Wümme, Hamme und Wörpe aktuell?
Die gute Nachricht zuerst: Auf Basis der Auswertung der jüngsten Gewässergütedaten an Hamme, Wümme und Wörpe kann festgehalten werden, "dass alle drei Gewässer aktuell ausreichend mit Sauerstoff versorgt sind. Die Nährstoffbelastung mit Stickstoff und Phosphat kann als gering bis mäßig beschrieben werden", berichtet Carsten Lippe, Sprecher des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) zur aktuellen Gewässersituation auf Nachfrage. Also, alles im Lot?
"Nicht wirklich", meint Gewässerschützer und Angler Claus Lumma. "Die Gesamtsituation ist nicht gut", so der Bremer Sportfischer. Der Hamme gehe es allgemein schlecht. So schlecht, dass sich der langjährige Vorsitzende des Fischerei- und Gewässerschutzverbandes in Lilienthal, Martin Schüppel, sogar dafür ausspricht, dass man "das Fischen in der Hamme gänzlich lassen" sollte. So weit will der Vorsitzende des RASV Hammebiss, Swen Eimen, nicht gehen. "Wir haben die Schonzeiten verlängert und die Angelerlaubnis sehr stark eingeschränkt", berichtet der Sportfischer. Nach dem großen Fischsterben im vergangenen Jahr hätten sich die Fischbestände aber noch nicht wieder erholt.
Die Wümme sei hingegen etwas besser aufgestellt, sagt Claus Lumma. „Zumindest was die Situation der Fische betrifft.“ Es fehle jedoch ein Gesamtkonzept, um die Wasserqualität einheitlich zu bewerten. Fragt man Fachleute, wird das deutlich. So berichtet beispielsweise die Sprecherin des Bremer Umweltressorts, Ramona Schlee, auf Nachfrage, dass der ökologische Zustand der Wümme aktuell "als unbefriedigend" eingestuft werde. Allerdings werde der ökologische Zustand anhand verschiedener Parameter bestimmt – "dabei ist die schlechteste Qualitätskomponente ausschlaggebend für die Gesamtbewertung", so Schlee weiter. Dies führe dazu, dass Verbesserungen in der Gewässerqualität nicht immer sichtbar seien.
Wie ist der chemische Zustand der Wümme und kleiner Gewässer drumherum?
Insgesamt werden in der Wümme und in umliegenden Gräben rund 120 chemische Stoffe geprüft. Da in Deutschland beispielsweise alle Oberflächengewässer mit Quecksilber und PBDE belastet seien, würden folglich auch alle als „im chemisch schlechten Zustand bewertet“, sagt Schlee. Der Stoff PBDE (Polybromierter Diphenylether) sei beispielsweise ein Flammschutzmittel, das in vielen Kunststoffen und Textilien eingesetzt wurde – inzwischen sei es zwar weitgehend verboten, komme aber zurzeit noch in allen Gewässern vor. Deutschlandweit werde von der Einhaltung der Grenzwerte erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ausgegangen.
Welche Auswirkungen hatten die Starkregenereignisse im vergangenen Winter in der Region auf die Wasserqualität?
Die Hochwasserlage im Winter 2023/24 hat laut NLWKN zu einer kurzfristigen Belastung bei den Nährstoff-Parametern Stickstoff und Phosphat sowie organischem Kohlenstoff durch Abschwemmungen aus den umliegenden Flächen geführt, berichtet Carsten Lippe vom NLWKN. Für die Leitfähigkeit als Maß für die Salzbelastung seien durch die Verdünnung kurzfristig geringere Werte gemessen worden. Diese Auffälligkeiten ließen sich auch in den Vorjahren häufig im Winter bei erhöhten Niederschlägen feststellen.
Was wird aus dem Ziel, die Gewässer bis 2027 in einen „guten ökologischen und chemischen Zustand zu bringen“?
Für das Land Bremen sind laut Umweltressort 31 Gewässer ausgewiesen. Aber nur sieben davon liegen vollständig auf bremischem Gebiet. „Die übrigen liegen anteilig auf bremischem und niedersächsischem Gebiet“, erklärt Ramona Schlee. Bislang habe in Bremen lediglich „mit dem Maschinenfleet ein Wasserkörper das gute ökologische Potenzial erreicht – dies entspricht drei Prozent aller Wasserkörper im Land Bremen.“ Es werde versucht, diesen Anteil zu erhöhen. Hierbei stellten mangelnde Flächenverfügbarkeit, Schmutzwassereinträge und Einträge von landwirtschaftlichen Flächen eine „besondere Herausforderung“ dar, sind sich Expertinnen und Experten einig.