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Eichenprozessionsspinner Gefährliche Raupe breitet sich in Bremen-Nord aus

Auch im Bremer Norden werden immer mehr Eichenprozessionsspinner gesichtet. Warum die Raupen für Menschen gefährlich sind und wie die Tiere bekämpft werden.
11.07.2025, 18:30 Uhr
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Von Philipp Tappe

Sascha Motzek fährt mit dem Steiger zu den Kronen der Eichen und saugt die Gespinste von der Baumrinde ab. Sie landen in einem Plastikbeutel, später werden sie verbrannt. Sein Kollege Marc Pohle sucht vom Boden aus mithilfe eines Feldstechers nach weiteren Nestern. Die Mitarbeiter des Bremer Baumdiensts entfernen in Pellens Park in Burgdamm mehrere Nester, Gespinste genannt, des Eichenprozessionsspinners. Der Auftrag kam vom Umweltbetrieb Bremen. Die Nester müssen weg, da sich darin die gefährlichen Brennhaare der Raupe befinden. Motzek trägt einen Schutzanzug, damit er die Haare nicht einatmet oder seine Haut mit ihnen in Berührung kommt.

Der Eichenprozessionsspinner ist eine Schmetterlingsart und stammt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum. Wegen des menschengemachten Klimawandels wird es auch in Deutschland wärmer und trockener. Der wärmeliebende Eichenprozessionsspinner breitete sich verstärkt seit den 1990er-Jahren hierzulande aus – vor allem in Süd- und Ostdeutschland sowie Nordrhein-Westfalen. Seit einigen Jahren werden die Insekten auch in Bremen gesichtet. "Verglichen mit den Zahlen aus den Vorjahren sind es durchaus mehr geworden. Da der Eichenprozessionsspinner in Niedersachsen bereits weit verbreitet ist, war das zu erwarten", teilt Lea Schunk mit, die stellvertretende Pressesprecherin der Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Die Linke) ist. Dem Gesundheitsamt Bremen wurden seit Mai 2025 im gesamten Stadtgebiet rund 80 Fälle gemeldet – etwas mehr als die Hälfte davon in Bremen-Nord. "Ob das dann immer Eichenprozessionsspinner sind, stellt sich nach einer Begutachtung heraus", erklärt Schunk.

"Der Falter selbst ist völlig ungefährlich", sagt Holger Bischoff. Er leitet den Arbeitskreis Schmetterlinge beim naturwissenschaftlichen Verein zu Bremen. Wie er ausführt, legen die weiblichen Nachtfalter Anfang September ihre Eier auf einem Stamm oder einer Astgabel einer Eiche ab. Sie bedecken die Eier mit einem schützenden Sekret und sterben. Die Raupen schlüpfen im Mai und spinnen ein Gespinst um sich herum. Bis zu 200 Tiere leben in einem Nest. Da die Haut nicht mitwächst, häuten sich die Raupen bis zu fünf Mal. Die Eichenprozessionsspinner entwickeln nach der zweiten Häutung sogenannte Brennhärchen, die bei Kontakt das Nesselgift Thaumatopoein abgeben. Die Raupen schützen sich auf diese Weise vor Fressfeinden. Zwar wirkt das Gift nicht bei anderen Insekten wie Hornissen, dafür bei Vögeln und Säugetieren – also auch beim Menschen. Bischoff weiß, wie man die Eichenprozessionsspinner erkennen kann: Wenn sie sich nachts auf Futtersuche begeben, kriechen sie – wie bei einer Prozession – massenweise hintereinander her.

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Jeder, der mit den Brennhaaren in Kontakt kommt, zeigt allergische Reaktionen, allerdings in unterschiedlichen Ausprägungen. Dafür muss man die Raupen nicht unbedingt berühren. Es reicht schon aus, von Haaren angeweht zu werden, die die Tiere verloren haben. Gelangen die Härchen ins Auge, können sie eine Bindehautentzündung hervorrufen, erklärt Bischoff. Wer sie einatmet, bei dem werden die Atemwege gereizt. "Empfindliche Menschen haben asthmaähnliche Anfälle", sagt er. Bei Hautkontakt tritt die Raupendermatitis auf. Wie Schunk erläutert, sind typische Symptome unter anderem Ausschläge, Rötungen und Schwellungen auf der Haut. Zudem werden Betroffene von einem starken Juckreiz und Brennen geplagt. Wenn die Beschwerden anhalten, sollen sich Betroffene an ihren Hausarzt wenden, sagt das Gesundheitsamt.

Aber damit es gar nicht so weit kommt, hat die Behörde ein paar Tipps. Wenn man weiß, dass eine Eiche vom Eichenprozessionsspinner befallen ist, soll man den Ort meiden – besonders mit Kindern und Haustieren. Hundehalter sollten ihre Vierbeiner an der Leine halten und nicht im Unterholz stöbern lassen. Die Behörde empfiehlt, Raupen und Gespinste nicht zu berühren, auch nicht mit Stöcken. Wer doch mit den Brennhaaren in Berührung gekommen ist, dem rät das Gesundheitsamt: "Kleidung möglichst nicht über den Kopf ausziehen, um die Reizung nicht zu verstärken. Am besten sofort duschen, Haare waschen und Kleidung bei mindestens 60 Grad Celsius waschen."

Verdachtsfälle sollen dem Gesundheitsamt oder dem Umweltbetrieb Bremen gemeldet werden. Auf öffentlichem Grund prüft die zuständige Stelle, zum Beispiel der Umweltbetrieb oder der Deichverband, ob die Eiche tatsächlich vom Eichenprozessionsspinner befallen ist. Je nach Gefährlichkeit wird das Areal abgesperrt oder nur ein Warnschild aufgestellt. Die Beseitigung übernimmt immer ein Spezialbetrieb. Wenn die Raupen auf einem Privatgelände entdeckt werden, muss der Eigentümer das Nest entfernen lassen – allerdings nur, wenn eine Gefahr für die Öffentlichkeit besteht.

Die Raupen können nicht nur dem Menschen, sondern auch den Bäumen schaden. "Wenn sehr viele Eichenprozessionsspinner in einer Eiche vorkommen, können sie den Blätterbestand lichten, oder, wenn sie massenhaft auftreten, kahl fressen", sagt Christina Ruschin, stellvertretende Pressesprecherin des Umweltbetriebs Bremen. "Das kann sich auf den Zuwachs des Baumes auswirken, da er dann weniger Nährstoffe erhält." Einen solchen Befall habe der Umweltbetrieb aber noch nicht beobachtet.

"Wir bekommen immer mehr Aufträge", sagt Sascha Motzek. Besonders viele Eichenprozessionsspinner waren dieses Jahr zum Beispiel in Farge und am Grambker See. Er und sein Kollege haben immer wieder Symptome der Raupendermatitis. Motzek schildert, wie ein Freund beim Fällen einer Eiche ohnmächtig wurde, weil er ein Gespinst berührt hatte.

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