Das Thema Wiese bewegt in Bremen-Nord an zwei Orten die Gemüter. Da ist zum einen die Freilauffläche für Hunde auf der Homannschen Wiese in Knoops Wald am Raschenkampsweg, und da sind zum anderen die Lesumwiesen, auf denen ab Februar 2021 eine Flachwasserzone, unter anderem als Fisch-Laichzone, entstehen soll. Als Ausgleich für den ehemaligen Überseehafen, der vor gut 20 Jahren mit Sand verfüllt wurde und heute Standort des Großmarkts Bremen ist. Besondere Beachtung fand mit der jeweiligen Diskussion der Glatthafer. Hier wie dort kommt er vor. Allerdings, so liest sich zumindest die Kritik der Bürgerinitiative für den Erhalt der nördlichen Lesumwiesen, scheint Glatthafer nicht gleich Glatthafer zu sein.
Bei der Homannschen Wiese ist inzwischen entschieden, dass es eine Hundefreilauffläche dort nicht geben wird. „Zum einen gab es diverse Stellungnahmen von Akteuren, die die Ausweisung als Hundefreilauffläche kritisch sehen, zum anderen hat das Institut für Ökologie die Fläche kartiert und die Glatthaferwiese als schützenswert eingestuft“, erläuterte das Umweltressort die Entscheidung. „Glatthafer ist Namensgeber eines Wiesentypus, der sich durch Artenvielfalt auszeichnet, und der sich bei mäßiger Düngung und zweimaliger Mahd so erhält“, erklärt Reinhard Schimke, Mitglied im Sprecherrat des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „In der Fachwelt gelten Wiesen mit mehr als 25 Arten als artenreich.“ Auf der Wiese in Knoops Wald kommen, so Schimke, mehr als 35 Arten vor. „Wahrscheinlich mehr.“
Die Bürgerinitiative zum Erhalt der nördlichen Lesumwiesen (Bienle) lässt das stutzen: „Der auf der Homannschen Wiese besonders gepriesene Glatthafer ist merkwürdigerweise auf den Lesumwiesen nicht beachtenswert“, sagt Ursula Pickener. Im Namen der Bürgerinitiative äußert sie sich verwundert darüber, dass den Lesumwiesen nicht in gleichen Maße Beachtung geschenkt wurde wie der Homannschen Wiese.
Nicht wertvoll und nicht schützenswert
Etwa vom Nabu-Chef Sönke Hofmann. Der BUND hingegen sei zu einer gemeinsamen Begehung bereit gewesen und zu dem Schluss gekommen, „es handle sich bei diesem über acht Hektar großen Biotopkomplex um ,Allerweltsgrün', das nicht wertvoll und nicht schützenswert sei“, berichtet Ursula Pickener.
Dabei lese sich ein Gutachten des Biologen Jürgen Feder von Oktober 2019 ganz anders. Danach seien die nördlichen Lesumwiesen „mit ihren dort im Oktober noch vorkommenden 157 Pflanzenarten, darunter mesophiles Grünland, in dem der Glatthafer dominiert, schützenswert und die geplante Vernichtung dieses Biotops zu verurteilen, auf dem sich die einzige Kohlkratzdistelwiese des Landes befindet sowie Kuckucks-Lichtnelken, eine Zielart des Bremer Naturschutzes“. Es gehe ihnen nicht darum, die eine Wiese gegen die anderen auszuspielen, betont Ursula Pickener. Ob es in Knoops Wald eine Freilauffläche für Hunde geben wird oder nicht, sei gar nicht das Thema der Bürgerinitiative. „Aber an der Homannschen Wiese wird klar, dass mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen wird.“
Zur geplanten Flachwasserzone auf den Lesumwiesen werde es im Januar in der Bürgerschaft eine abschließende Anhörung geben, sagt Ursula Pickener. Die Bürgerinitiative fordert daher für die Lesumwiesen ebenfalls ein Gutachten, das auf den aktuellen Daten basiert. Als die Ausgleichsmaßnahme vor 20 Jahren vereinbart wurde – „im Übrigen mit dem Vermerk, dass sie innerhalb von drei Jahren erfolgen müsse“ – hätten die Fachleute „mit 50 Zentimeter weniger Hochwasserstand“ gerechnet. Man müsse sich fragen, welche Auswirkungen das auf den Deich hat, gibt Ursula Pickener zu bedenken. „Wir wollen nicht, dass eine Maßnahme ein wertvolles Biotop zerstört.“
Die Bürgerinitiative hatte dazu eine Petition eingereicht, die vom zuständigen Ausschuss abgelehnt wurde. „Uns liegt bis jetzt keine Begründung vor“, kritisiert die Nordbremerin und fragt: „Wie kann es sein, dass sich engagierte Bürger in einem demokratischen Prozess nachhaltig missachtet und übergangen fühlen?“