Frau Winter, Sie sind bald ein halbes Jahr Mitglied der Bremischen Bürgerschaft. Ist inzwischen schon etwas Routine eingekehrt?
Die ersten Monate waren sehr aufregend. Es war ein ganz besonderer Moment, als ich die erste Rede im Parlament halten durfte. Mittlerweile bin ich mit den Abläufen vertraut. Es hat mir sehr geholfen, dass ich vorher schon vier Jahre lang Deputierte war. Abgeordnete zu sein, ist eine große Ehre, macht mir unglaublich viel Freude und ich bin sehr dankbar, dass ich diese Rolle jetzt ausüben darf.
Sie hatten kürzliche eine Diskussion mit Innensenator Ulrich Mäurer, in der Sie ihn auf seine altväterliche Art und Mansplaining hingewiesen haben. Wie fühlen Sie sich als junge Frau von Ihren Kollegen in der Bürgerschaft wahrgenommen?
Ich sage klar, was meine Meinung ist. Natürlich ist es nicht ungewöhnlich, dass die Regierung eine andere Meinung vertritt als die Opposition. Aber es ärgert mich schon, wenn mir altväterliche Ratschläge gegeben werden. In dem Moment war es mir ein Bedürfnis, klar zu sagen, dass mir das nicht gefällt. Ich hoffe, es ist angekommen. Ansonsten denke ich nicht viel darüber nach, ob ich spezifisch als junge Frau wahrgenommen werde. Würde ich immer darauf achten, würde ich vielleicht selbst anders handeln. Mir ist vor allem wichtig, meine Position zu vertreten. Ich bringe jedoch natürlich eine Sichtweise ein, auch aufgrund meines Alters, die vielleicht anders sein kann, weil es nicht so viele junge Leute unter 30 im Parlament gibt. Deshalb mache ich weiter so.
Sie sind stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU Bremen und haben damit den Platz von Bettina Hornhues eingenommen. Wie ist Ihr Verhältnis?
Bettina Hornhues und ich arbeiten sehr gut zusammen. Wir kommen beide aus Burglesum. Klar kann es eine Situation geben, in der beide um denselben Posten kandidieren. Wir haben das sehr offen und fair gemacht.
Was haben Sie bisher für Bremen-Nord erreicht?
Es ist für mich sehr wichtig, dass Bremen-Nord immer mitgedacht wird. Denn gefühlt ist der Weg nach Bremen-Nord aus städtischer Sicht häufig weiter als der von Bremen-Nord in die Stadt. Wir nehmen Bremen-Nord regelmäßig in den Fokus und werden die Forderungen aus unserem Wahlprogramm für Bremen-Nord im Parlament stellen. Natürlich stellen sich viele Probleme, die sich für Bremen-Nord stellen, auch für das gesamte Stadtgebiet. Da ich nicht nur Abgeordnete für Bremen-Nord, sondern für das gesamte Bundesland bin, sind die Anträge, die wir stellen, häufig auf das gesamte Bundesland und in der Stadtbürgerschaft auf die ganze Stadt ausgerichtet. Aber es gibt auch spezifische Herausforderungen in Bremen-Nord.
Welche sind das?
Zum Beispiel sind die Erreichbarkeit und die Anbindung – wie wir in Bremen-Nord sagen: an die Stadt – von herausragender Bedeutung. Es ist wichtig, dass die Lesumbrücke ertüchtigt wird. Es ist wichtig, dass die Taktung des Zugs erhöht wird und dass endlich das dritte Gleis gebaut wird. Denn wenn wir Bremen-Nord weiter zu einem Zentrum machen und in Blumenthal mehr Auszubildende haben wollen, dann müssen die Menschen auch irgendwie herkommen können. Ich halte es für essenziell, dass der Zug nicht nur nach Vegesack zu den Stoßzeiten alle Viertelstunde fährt, sondern immer und weiter bis nach Farge – und vor allem zuverlässig. Denn wer aus Bremen-Nord kommt und häufiger mal den Zug nimmt, der weiß: Am Bahnsteig bleibt man manchmal im Novemberregen stehen.
Sie sprachen eben von Bremen-Nord als Zentrum. Wo sind Ihrer Meinung nach Probleme und Chancen des Mittelzentrums Vegesack?
Gerade an den Markttagen wird mir immer deutlich, wie bunt und lebendig Vegesack ist. Wir müssen Vegesack wieder stärker vitalisieren. Seit ich dort zur Schule gegangen bin und viele Mittagspausen in der Fußgängerzone verbracht habe, haben viele Läden geschlossen, die Vegesack früher geprägt haben. Attraktive Geschäfte und eine attraktive Gestaltung der maritimen Meile sind wichtig, damit Vegesack auch an Tagen, an denen nicht Markt ist, belebt ist. Die Nordbremer sollten nicht das Gefühl haben, dass sie in die Stadt fahren müssen, sondern dass sie gerne in Bremen-Nord bleiben. Und Bremen-Nord sollte auch attraktiv für alle sein, die aus der Stadt hierher kommen. Dazu gehört auch, dass die Feste, die wir haben, in der gesamten Stadt beworben werden. Zum Beispiel das Festival Maritim. Bremen-Nord sollte ein touristischer Hotspot sein. Wir haben so viele schöne Ecken wie den Hafen und Knoops Park, die fast noch Geheimorte sind. Jedenfalls scheint es so zu sein, wenn man mit Menschen aus der Stadt spricht.
Apropos Knoops Park. An der Lesum sind die Arbeiten für die Ausgleichsmaßnahme für die Zuschüttung des Überseehafens in vollem Gang. Dort entsteht eine Fischlaichzone. Wie stehen sie dazu?
Natürlich gibt es eine gesetzliche Verpflichtung, Ausgleichsflächen zu schaffen. An der Stelle und wie das dort jetzt passiert, finde ich jedoch falsch. Wir haben die Maßnahme als CDU immer abgelehnt. Ich habe mir die Situation angesehen und mit Anwohnerinnen und Anwohner gesprochen. Da sind aus meiner Sicht noch einige Fragen ungeklärt. Vor allem zu dem Schutz der Häuser vor dem Wasser. Wir begleiten das weiterhin und gucken kritisch darauf.
Wie ist Bremen-Nord Ihrer Meinung nach klimapolitisch aufgestellt?
Es ist wichtig, dass wir auch in Bremen-Nord die Verkehrswende schaffen. Viele Menschen fahren hier mit dem Auto, weil die Zuverlässigkeit des ÖPNV schwierig ist, weil einige Areale nicht erschlossen sind und man den Bus gar nicht nutzen kann. Wir brauchen eine weitere Erschließung, eine höhere Taktung, auch der Nordwestbahn, außerdem könnten Schnellbusse und Ruftaxis eine Lösung sein. Die Leute müssen ja schließlich auch die Möglichkeit haben, vom Auto auf den ÖPNV umzusteigen. Weitere Punkte sind der Kohleausstieg am Kraftwerk Farge und die Entstehung eines Klima-Campus in Blumenthal. Dort sollten auch junge Leute ausgebildet werden, die einen klimabezogenen Beruf haben.
Was möchten Sie für den Stadtteil noch in Angriff nehmen?
Es ist wichtig, dass wir die Kita- und Schulplätze in Bremen-Nord in den Blick nehmen. Leider ist Blumenthal trauriger Spitzenreiter bei der Zahl der Kinder ohne Kita-Platz. Auch in Vegesack und in Burglesum fehlen Kita-Plätze. Es gibt einen rechtlichen Anspruch, der im Moment nicht erfüllt werden kann. Bremen muss da nacharbeiten. Auch die Lehrerversorgung muss deutlich besser werden. Da muss man auch über Abordnungen nach Bremen-Nord nachdenken. Die wesentliche Infrastruktur muss einfach funktionieren. Es ist wichtig, dass man einen Kita-Platz findet, einen Schulplatz, dass man hier gut hinkommt.
Wie sehen Sie die Situation und die Zukunft des Klinikums?
Das Krankenhaus ist zentral für die Versorgung in Bremen-Nord und für Menschen aus dem niedersächsischen Umland. Wir stehen als CDU ganz klar für den Erhalt des Krankenhauses – und zwar mit der Geburtenstation und der Level-II-Versorgung von Frühchen. Es ist außerdem wichtig, die Versorgung mit Haus- und Fachärzten in Bremen-Nord zu verbessern.
Sie haben gerade einen Vortrag in Harvard gehalten, sind in der Bundes-CDU aktiv. Wie lange bleiben Sie noch in Bremen?
Bremen-Nord ist meine Heimat und ich lebe hier gerne. Es ist mein Zuhause. Deshalb möchte ich gerne bleiben. Ich bin 27 und kann keine Aussage für die nächsten 50 Jahre treffen, aber ich bin nach dem Studium bewusst wieder hergekommen. Weil ich die schönen Ecken und das ruhigere Leben hier mag und dass man sich hier kennt. Ich liebe Bremen-Nord.
Wann ist die Zeit reif, dass Sie als einzige Spitzenkandidatin für die CDU Bremen kandidieren?
Ich freue mich, dass ich jetzt die Rolle als Abgeordnete habe und dass ich in der Fraktion als stellvertretende Vorsitzende mitarbeiten darf. Die nächste Wahl ist noch so lange hin. Die Rolle, die ich jetzt habe, macht mir Freude.
Das Interview führte Julia Assmann.