Die Zukunft des Gebäudes ist ungewiss. Es ist unklar, wie es künftig genutzt wird. Fest steht: Seine Geschichte ist bedeutsam, sein repräsentativer Platz auf einem kleinen Hügel und seine Fassade aus roten Backsteinen prägen das Ortsbild von Lesum. Deshalb soll es in seiner derzeitigen Erscheinung auf jeden Fall erhalten bleiben. Zu diesem Schluss ist das Landesamt für Denkmalpflege gekommen und hat das Haus, in dem sich früher das Amtsgericht befand und heute das Polizeirevier Lesum ist, jetzt unter Denkmalschutz gestellt.
"Es gibt mehrere Aspekte, unter denen man ein Gebäude betrachten kann. Beim Amtsgericht spielten vor allem geschichtliche, auch heimatgeschichtliche, und städtebauliche Faktoren eine Rolle", sagt Lorena Pethig. Die Mitarbeiterin der Bremer Denkmalbehörde hat das Gutachten zum Denkmalwert des Gebäudes an der Hindenburgstraße geschrieben. Dafür hat sie in Bauakten und im Staatsarchiv recherchiert. Und sie konnte auf Vorarbeiten einer ehemaligen Kollegin zurückgreifen, die unter anderem mit dem Heimatverein Lesum Kontakt hatte. "Das Amtsgericht war eines von vielen, die vom Königreich Hannover nach der Märzrevolution 1848 eingerichtet wurden. Damit wurde die Rechtssprechung von der Landesregierung getrennt", erläutert Pethig die geschichtlichen Hintergründe.
Preußischer Adler über dem Eingang
1854 entstand in Lesum das erste Amtsgerichtsgebäude. Das Haus wurde am 31. Juli 1854 als "Amts- und Gerichtshaus zu Lesum" eingeweiht. Der Bau kostete damals 9622 Taler. Von 1913 bis 1916 wurde es durch ein zusätzliches Gebäude erweitert, ein Verbindungsbau fügte Alt- und Neubau zusammen. Dahinter wurde ein Gefängnisneubau errichtet. "Das Gebäude, das wir heute sehen, wurde von der preußischen Regierung gebaut und das sollte man auch sehen", sagt die Denkmal-Expertin. In der Beschreibung heißt es: "Der repräsentative Verwaltungsbau ist straßenraumprägend und hebt sich durch seine Gestaltung, insbesondere durch die hohen Mansarddächer, deutlich von der restlichen Bebauung des Lesumer Ortskerns ab." Zudem sei er durch seine Positionierung über dem Straßenniveau sehr präsent.

Über der Eingangstür verweist ein Wappen mit dem preußischen Adler auf den Bauherren.
Pethig geht davon aus, dass diese Wirkung kalkuliert war. Die nördliche Seitenfassade des Neubaus sei als Schaufassade gestaltet worden. "Dieser städtische Gestus in der ansonsten vornehmlich dörflichen Umgebung verweist zum einen auf den preußischen Staat als Bauherren, zum anderen auf den zunehmenden Einfluss der wachsenden Ortschaft Lesum auf die umliegenden Gemeinden." Auch ein Wappen mit dem preußischen Adler über der Eingangstür erinnert noch an den Auftraggeber.
Das Gericht als Wirtschaftsfaktor
Für Pethig ist bemerkenswert, dass die Lesumer damals darauf bestanden, ein eigenes Gericht zu haben. "Für Lesum war das Gericht wichtig. Es hatte auch eine wirtschaftliche Bedeutung, wenn die Leute zur Rechtssprechung nach Lesum kamen." Die Vergrößerung des Gerichts war notwendig geworden, weil die Bevölkerung wuchs und die Amtsgeschäfte zunahmen. Das war die Folge des wirtschaftlichen Aufschwungs, den Lesum und die umliegenden Gemeinden Ende des 19. Jahrhunderts erlebten. Der entwickelte sich mit der Weserkorrektion und Bremens Zollbeitritt. Dadurch gewann der Vegesacker Hafen an Bedeutung und die Region wurde für die Industrie lukrativ. Außerdem, erläutert Pethig, profitierte Lesum unmittelbar von der Anbindung an die Eisenbahn im Jahr 1905.
Außenfassade ist besonders erhaltenswert
Vom Landesamt für Denkmalpflege wird vor allem die Außenfassade als besonders erhaltenswert eingestuft. "Im Inneren des Gebäudes gab es im Laufe der Zeit schon viele Veränderungen. Dort gibt es wenige historische Bauteile", erläutert Tim Schrader, der beim Denkmalamt für praktische Denkmalpflege zuständig ist. Besonders zu berücksichtigen seien die Treppenanlage und der Gerichtssaal samt Fenstern. Die Anpassung an eine neue Nutzung wäre seinen Worten nach ohne größere Probleme möglich. Dazu gehört auch die Herstellung von Barrierefreiheit. "Dass die bei allen öffentlich zugänglichen Denkmälern möglichst erreicht werden soll, steht ohnehin im Bremischen Denkmalschutzgesetz."

Im Inneren des Gebäudes ist die Treppenanlage besonders schützenswert.
Die Denkmalschutzbehörde muss nun bei allen Sanierungsarbeiten und Umbauten einbezogen werden. "Alle Entscheidungen treffen wir anlassbezogen und für jeden Einzelfall. Wir schauen, wo etwas sinnvoll möglich ist." Eine weitere Nutzung des Gebäudes, das betont Tim Schrader, sei in jedem Fall auch aus Sicht des Denkmalschutzes Ziel und für den Erhalt des Hauses von Vorteil.

Auch die Fenster im Gerichtssaal sollen erhalten bleiben.