Das Beteiligungsverfahren zur künftigen Entwicklung des Uferstreifens am Torfkanal ist abgeschlossen. Es hat sich dabei eindeutig erwiesen: die Bürgerinnen und Bürger wünschen, dass der grüne Charakter des Areals erhalten bleibt. Wie es in Zukunft gestaltet und genutzt werden könnte – dazu gibt es allerdings unterschiedliche Vorstellungen und Interessenslagen, wie der Findorffer Beirat von den durchführenden Akteuren hörte. Eine deutlich zeitraubendere und zuweilen hitzige Debatte entspann sich zuvor jedoch um ein Thema, das gar nicht auf der Tagesordnung der öffentlichen Sitzung stand. Und genau das war das Problem. Die kurze Zusammenfassung eines langen und bewegten Abends.
Die Sache mit dem Parkfrieden
Seit langem war geplant, dass zu diesem Sitzungstermin der Betriebsplan für das Bewohnerparken vorgestellt würde. Doch eine Woche zuvor hatten die zuständigen Stellen aufgrund von zusätzlichem Abstimmungsbedarf um eine Fristverlängerung bis nach der Sommerpause gebeten. Hintergrund war das Papier des Innensenators, der Ende Mai ein Konzept vorgelegt hatte, das die Kriterien für die neue Parkraumordnung großzügiger auslegt. Ulrich Mäurers Grundsätze für den „Parkfrieden“ sehen unter anderem vor, aufgesetztes Parken für Straßen mit einem Querschnitt über zehn Metern und einer Rest-Gehwegbreite von 1,50 Metern zu erlauben.
Im Kreis der Befürworter des Bewohnerparkens – darunter die Bürgerinitiative Bürgerweide, die Klimazone Findorff und gleichgesinnte Vereine und Initiativen wie ADFC, BUND und Fuss – hatte die Nachricht von der Verzögerung großen Unmut erzeugt. In einer gemeinsamen Stellungnahme, gerichtet im Vorfeld an Ortsamt West, Beirat Findorff und die beteiligten Ressorts, kritisieren die Unterzeichnenden das „juristisch höchst zweifelhafte“, gar „peinliche“ Papier.
Zustimmung erhielt der Innensenator dagegen von den Beiratsfraktionen der SPD, CDU und FDP, die eine „umfassende Berücksichtigung“ seiner Vorschläge für die Neuordnung des Parkraums fordern. Nach langen Diskussionen wurde der Antrag mit der knappen Mehrheit des Dreierbündnisses verabschiedet. Der gemeinsame Antrag von Grünen und Linken, die die senatorischen Behörden auffordern, dem Beirat rechtzeitig vor dem nächsten Sitzungstermin Ende September ein „tragfähiges und rechtssicheres gemeinsames Konzept“ vorzulegen, wurde ebenso knapp überstimmt.
Visionen für den Torfkanal
Mit fast zweistündiger Verspätung begann der Rückblick auf das Beteiligungsverfahren, das die Bremer Stadtplanung gemeinsam mit dem Hamburger Planungsbüro Arge Studio Urbane Landschaften im März durchgeführt hatte. Fazit von Baustaatsrätin Gabriele Nießen, die sich der Sitzung aus dem Bahnabteil zugeschaltet hatte: „Es bleibt auf jeden Fall Grün.“
Im Rahmen einer öffentlichen Begehung an einem April-Sonnabend mit rund 50 Bürgerinnen und Bürgern, einer ebenso gut besuchten Ideenwerkstatt sowie eines begleitenden Online-Portals waren Wünsche und Vorschläge zur künftigen Entwicklung des rund 700 Meter langen Uferstreifens am Torfkanal gesammelt worden. Einigkeit bestand laut Stadtplanerin Sandra Holst aus dem Hamburger Planungsbüro über den allgemeinen Wunsch nach dem Erhalt des grünen Charakters des Areals und des wertvollen alten Baumbestands, nach Ruhe, Erholung und Naturerlebnis. Allerdings unterschieden sich die Vorstellungen in wichtigen Details.
Während eine Anwohnerinitiative rund 370 Unterschriften für ihre Vision einer „Grünen Achse Torfkanal“ sammelte, die jegliche Form der Bebauung und jegliche Nutzung, die zusätzlichen Verkehr verursacht, ausschließt, könnten sich andere dort durchaus öffentliche Angebote wie Spiel- und Sportmöglichkeiten und ein kleines Museum vorstellen.
Auf der Wunschliste stand auch eine naturnahe kleine Kindertagesstätte. Die Senatorin für Kinder und Bildung lässt bereits prüfen, ob sich das Gelände dafür grundsätzlich eignet. Doch selbst wenn die Studie zugunsten einer Kita ausfiele, hieße das noch lange nicht, dass dort auch kurzfristig gebaut werden dürfe, betonte Stadtplanerin Diana Spanier. Dafür müsse erst Planungsrecht geschaffen werden. Zunächst werden die Erkenntnisse aus den laufenden Gutachten zu Bodenkontamination, Baumbestand und Verkehr abgewartet.
Nicht zuletzt: Der Klimawandel
Zu fortgeschrittener Stunde kamen schließlich noch drei Referenten zu Wort, die dem Beirat die Erkenntnisse der Bremer Klimaschutz-Enquete vorstellten. Weil Bremen bis zum Jahr 2038 klimaneutral werden will, hatte die Bürgerschaft eine Kommission aus neun Bürgerschaftsabgeordneten der verschiedenen Fraktionen und neun hochkarätigen Sachverständigen gebildet, die im Dezember des vergangenen Jahres ihren 400-seitigen Abschlussbericht vorlegte.
Für einen großen Schritt in Richtung Klimaschutz sind die Stahlwerke zuständig – der mit Abstand größte CO2-Emittent des Landes wird seine Hochöfen in den kommenden Jahren auf Wasserstoff umstellen. Doch es wird auch nicht ohne Veränderungen im privaten Lebensstil der Bürgerinnen und Bürger funktionieren.
Der Kommissionsbericht sieht unter anderem vor, den motorisierten Individualverkehr bis zum Jahr 2030 nahezu zu halbieren, erläuterte Ralph Saxe (Grüne). Gleichzeitig müsse der Umstieg auf alternative Mobilitätsformen forciert werden – etwa durch den Ausbau des Angebots, der Taktfrequenz und der Attraktivität öffentlicher Verkehrsmittel und die Einrichtung von fußläufig erreichbaren „Mobilitäts-Hubs“ mit Car-Sharing, Leih-Rädern und Scootern sowie Elektroladepunkten. Über fehlende Parkplätze müsse man sich dann keine Gedanken mehr machen.
Im Prozess des Austauschs mit den Fachleuten habe man sich von diversen politischen Ansichten verabschiedet, die man zuvor „blauäugig“ vertreten habe, gestand Enquete-Mitglied Martin Michalik (CDU). Und auch wenn unter den beteiligten Parteienvertretern nicht in jedem Punkt Einigkeit geherrscht habe, so sei doch trotzdem allen klar geworden: „Es ist eigentlich schon fünf nach zwölf.“