Im März des vergangenen Jahres kündigte die Bremer Stadtplanung an, dass für das Findorffer Wohngebiet Vogelweide eine Erhaltungssatzung erarbeitet werden soll. Eineinhalb Jahre später fragt man sich, was daraus geworden ist – und ob daraus überhaupt noch etwas wird. Die Statusmeldung der Behörde: Es wird daran gearbeitet, aber es braucht seine Zeit. Genaues lässt sich noch nicht sagen. Doch noch vor Ablauf dieses Jahres sollen Anwohnerschaft und Beirat über den Stand der Dinge informiert werden. Das Quartier war aus aktuellem Anlass ins Visier der Stadtplaner geraten. Mit dem neuen Baurecht sollte ein Bauvorhaben verhindert werden, das das Gebiet grundlegend verändert hätte.
Die Vogelweide ist eines der bevorzugten Wohnquartiere in Findorff – und in ihrer Art ganz einmalig. Die insgesamt 98 „Eigenheime am Bürgerpark“ wurden im Jahr 1936 vom Gemeinnützigen Bremer Bauverein nach Plänen des renommierten Bremer Architekten August Abbehusen errichtet. Die schmucken Häuser im Heimatstil gibt es in drei Haustypen unterschiedlicher Größe, die sie auch für Bewohner unterschiedlicher sozialer Schichten erschwinglich machten. Zur frühen Nachbarschaft zählten neben höheren Bank- und Postbeamten, Kaufleuten und Oberlehrern auch Angestellte, Handwerker und Hafenfacharbeiter.
Das konsequent symmetrisch konzipierte Ensemble umfasst auch die baugleichen Häuser an den einrahmenden Straßenzügen der Innsbrucker-, Bozener- und Hemmstraße sowie des Utbremer Rings. Abbehusen hatte sich in der Stadt damals bereits einen Namen gemacht. Nach seinen Plänen entstanden unter anderem das Schauspielhaus des Bremer Theaters am Goetheplatz, Werkswohnungen des Bremer Vulkan in Vegesack, diverse herrschaftliche Villen der Stadt und die Christuskirche in Woltmershausen.
Unterschriften gesammelt
Das Bestreben, den Charakter ihres Quartiers zu erhalten, treibt die Nachbarn aus der Vogelweide bereits seit Jahren um. Im Jahr 2010 sammelte eine Gruppe von Anwohnern zu diesem Zweck Unterschriften und ging an die Öffentlichkeit. Sie wünschten sich Regelungen, um zu verhindern, dass die Altbauten durch Sanierungs- und Umbaumaßnahmen völlig verändert werden.
Doch eigentlich ist es ein Wunder, dass im Laufe der vergangenen Jahrzehnte nicht noch viel mehr verändert wurde. Denn der geltende Bebauungsplan ließe viel mehr zu, „als gut für die Siedlung ist“, hatte Stadtplanerin Georgia Wedler im März 2021 im Bauausschuss erklärt. Der Bebauungsplan 520 aus dem Jahr 1971 gestattet eine drei- bis viergeschossige Reihenhausbebauung.
„Aktuell befinden wir uns in der Vorbereitung des Verfahrens, da für das Gebiet der Vogelweide ein Bebauungsplan existiert, der mit seinen Zielen der Erhaltungssatzung entgegensteht“, erklärt dazu Max Graap aus dem Referat Bauordnung. Angestrebt werde „ein kombiniertes Verfahren zur Harmonisierung von Erhaltungssatzung und planungsrechtlicher Zulässigkeit“.
Um Gruppen von Bauwerken zu erhalten, stünde der städtischen Denkmalpflege das Instrument des Ensembleschutzes zur Verfügung. Dass die Vogelweide dafür die Kriterien nicht erfüllt, hat man im Landesamt für Denkmalpflege bereits vor Jahren festgestellt. „Im Laufe der Zeit wurde hier bereits so viel verändert und umgebaut, dass der Ursprungscharakter zu sehr gestört ist“, erklärte Landeskonservator Georg Skalecki damals im Gespräch mit dem Stadtteil-Kurier.
Für eine Erhaltungssatzung, geregelt in Paragraf 172 des Baugesetzbuches, gelten weniger strenge Kriterien. Sie wird auch als „kommunaler Denkmalschutz“ bezeichnet, weil sie Kommunen unabhängig vom Landesdenkmalschutz eine Möglichkeit bietet, Quartiere oder Stadtteile von städtebaulicher oder historischer Bedeutung vor ungewollten Veränderungen zu schützen. Sie legt ein Mitspracherecht der Stadt bei geplanten baulichen- oder Nutzungsänderungen fest, und kann auch dafür eingesetzt werden, Wohnraum vor Luxusmodernisierungen zu bewahren. Bei Quartieren gleicher oder ähnlicher Struktur kann eine Erhaltungssatzung unter anderem Dachformen und Eindeckungsart, Fensterformate und Fassadenfarben festlegen.
Siedlung intensiv analysiert
Die Siedlung Vogelweide kennzeichne eine „sehr prägnante städtebauliche Figur, die insbesondere in ihrem städtebaulichen Kontext und ihrer Entstehungsgeschichte als Erhaltungswert eingestuft wurde“, erklärt Graap. Für die Vorbereitungen der Erhaltungssatzung seien Abstimmungen mit der Denkmalschutzbehörde geführt und die Siedlung intensiv analysiert worden, um entsprechende Ziele zu formulieren, „die die Eigenart erhalten, aber dennoch eine notwendige Entwicklung an die heutigen Anforderungen des Wohnens abbilden können.“
Prägende Merkmale sind für die Experten unter anderem der geschlossene Siedlungskörper mit klarer städtebaulicher Figur und rhythmisierter Dachlandschaft, die zurückgesetzte Baulinie, die durch Hecken eingefassten und begrünten Vorgärten sowie die einheitliche Erscheinung und Symmetrie der Doppelhäuser in Form, Farbe, Material und Ornamentik. Konkrete Aussagen dazu, was die Nachbarn von der Vogelweide künftig an ihren Häusern verändern dürfen und wofür sie eine Genehmigung einholen müssen, sind laut Graap, „noch nicht ganz geklärt, aber auf einem guten Weg.“