- Warum war es im vergangenen Jahr so extrem?
- Warum liefen die Keller immer nachts voll?
- Wie kann man sich schützen?
- Und wenn das Wasser durch Wände und die Kellersohlen in die Häuser drückt?
- Was sagen die Beiräte dazu?
Im vergangenen Jahr kam in Bremen mehr Regen herunter als im Durchschnitt der fast 60 Jahren zuvor. In vielen Haushalten des Bremer Westens sorgte das für Kummer, schlaflose Nächte und mitunter erhebliche Sanierungs- und Wiederbeschaffungskosten. Das Interesse an der gemeinsamen Sitzung der Beiräte Findorff, Gröpelingen und Walle war daher erwartungsgemäß groß: Mehr als 100 Gäste waren in der Mensa der Gesamtschule West zusammengekommen. „Kellerüberflutungen nach Starkregen – was nun?“ lautete die Frage des Abends. Referenten von Hansewasser, Umweltbehörde, Geologischem Dienst und Bremer Stadtreinigung bemühten sich um Antworten. Viel Neues gab es dabei nicht zu hören. Was den Menschen mehr helfen könnte: Die drei Beiräte wollen nun geschlossen den Senat auffordern, die Betroffenen nicht im Regen stehen zu lassen, sondern Unterstützungsmöglichkeiten zu prüfen – sei es über die Förderung von Präventionsmaßnahmen oder über Zuschüsse für die Sanierung.
Warum war es im vergangenen Jahr so extrem?
Weil auch die Regenmengen extrem waren, erklärte Hansewasser-Sprecher Oliver Ladeur. Mit einer Jahresniederschlagsmenge von insgesamt 1034 Litern pro Quadratmeter wurde 2023 der höchste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1967 gemessen, so Ladeur. Aus der Reihe fielen dabei die drei Starkregenereignisse in den Nächten vom 20./21. Juni und vom 22./23. Juni. Bei ersterem schüttete es vor allem auf die Stadtteile Schwachhausen und Horn. Zwei Tage regnete es auf Walle und Findorff innerhalb von sechs Stunden 65 Liter pro Quadratmeter – mehr als sonst in einem durchschnittlichen Monat. „Ein Jahrhundertereignis“, so der Hansewasser-Sprecher.
In der Nacht von 11./12. Oktober liefen erneut viele Keller voll – obwohl in diesem Fall die Regenlast nicht außergewöhnlich hoch war. Allerdings war der Boden durch die Dauerregenphasen bereits so gesättigt, dass er seine Funktion als Schwamm nicht mehr erfüllen konnte. Bremen hält zwar den aktuellen Rekord als regenreichste deutsche Stadt – extreme Starkregenereignisse mit Überflutungen gab es in diesem Jahr aber auch in zahlreichen anderen Städten, erklärte der Hansewasser-Sprecher.
Warum liefen die Keller immer nachts voll?
Den Vorwurf, dass da wohl jemand geschlafen habe, nehme er mittlerweile persönlich, so Ladeur. Das Prozessleitcenter in Seehausen sei an 365 Tagen im Jahr von hoch qualifizierten Experten besetzt, die rund um die Uhr die Abwasseranlagen in Bremen und fünf Umlandkommunen digital überwachen und steuern. Ob die nächtlichen Ereignisse ein Zufall sind oder nicht, wäre eventuell von Meteorologen zu klären.
Als Gegenbeispiel führte Ladeur den Extremregen im Sommer 2011 an, der sich tagsüber ereignete. Die Beobachtung, dass sich Keller zunächst immer mehr mit Wasser füllten, das dann schlagartig in den Kanal zurückgesaugt wurde, sei nicht darauf zurückzuführen, „dass da irgendjemand einen Schalter drückt“. Es handele sich vielmehr um das physikalische Phänomen, das in Fachkreisen als „Stöpseleffekt“ bekannt sei und mit dem großen Volumenunterschied zwischen Kanalnetz und Anschlussleitung erklärt werden könne. Wenn ein Kanal innerhalb von Minuten bis zur Straßenoberkante volllaufe, staue sich das Wasser in den Hausleitungen. Sobald der Kanal wieder Kapazitäten habe, könne er das Wasser aus den Anschlüssen sehr schnell aufnehmen – eben, als hätte jemand einen Stöpsel gezogen.
Wie kann man sich schützen?
Wichtig sei zunächst, genau zu prüfen, wo die Schwachstellen liegen. Hansewasser biete dafür kostenlose Beratungen an – die momentan allerdings ein halbes Jahr im Voraus ausgebucht seien, erklärte Jens Wurthmann, zuständig für den Bereich Grundstücksentwässerung bei Hansewasser. Geprüft werden solle der Zustand der oft sehr alten Grundleitungen. Je nach Nutzung des Kellers oder Souterrain könnten Rückstauverschlüsse oder Hebeanlage verhindern, dass das Wasser in den Keller zurückläuft. Die Kosten seien, je nach baulichem Aufwand, sehr unterschiedlich, so Wurthmann. Präventiv könnten auch mechanische Lösungen wie druckwasserdichte Türen, Bodenschwellen, Bodenabläufe, die Abdeckung von Kellerschächten wirken. Eine Übersicht über effektive Maßnahmen gibt die Broschüre „Schutz für Grundstück und Gebäude“ die auf www.hansewasser.de heruntergeladen werden kann.
Im Nachhinein hilfreich wäre für viele Betroffene gewesen, wenn der Sperrmüll nach den Kellerüberflutungen schnell und unkompliziert abtransportiert worden wäre. Genau das hat sich die Bremer Stadtreinigung (DBS) für die Zukunft vorgenommen, versprach Referatsleiterin Jasmin Kornau-Pitzer. Auf die Anzahl der spontanen Sperrmüllanfragen sei man im vergangenen Jahr nicht eingestellt gewesen. Künftig solle mit flexibleren Touren reagiert werden, und es sollen komfortablere Abgabemöglichkeiten geschaffen werden – das könnten bei ganzen Straßenzügen auch Container sein, so die DBS-Vertreterin.
Und wenn das Wasser durch Wände und die Kellersohlen in die Häuser drückt?
Die extremen Niederschlagsmengen plus die Sturmfluten sorgten dafür, dass das Grundwasser auf nie gekannte Pegel stieg: Zum Jahreswechsel gab es in Bremen die höchsten Grundwasserstände seit Beginn der Messungen 1952, erklärte Jens Wunsch, zuständig für Hochwasserrisikomanagement bei der Senatorin für Umwelt, Klima und Wissenschaft. Immerhin: Im Frühling könne man auf Entlastung hoffen, so der Umwelttechniker: „Im Normalfall sinken die Stände mit Beginn der Vegetationsperiode.“ Zurzeit können die Grundwasserstände nur persönlich bei der Behörde abgefragt werden. Bis Mitte des Jahres sollen die aktuellen Daten der 70 Messstellen online zugänglich gemacht werden, so Wünsch.
Oberflächliches Schichtenwasser, das nicht oder nur sehr langsam versickere, könne ebenfalls zu nassen Kellern führen. Aufgrund der Heterogenität des Untergrunds können manche Straßenzüge stärker betroffen sein als andere in der unmittelbaren Nachbarschaft, so Geologe Björn Panteleit vom Geologischen Dienst Bremen. Selbst in derselben Straße könnten unterschiedliche Schichten von Sand, Torf, Schluff und Tonlinsen unterschiedliche Auswirkungen auf die Durchlässigkeit beziehungsweise Versickerungsfähigkeit des Bodens haben. Auswertekarten können beim Geologischen Dienst unter www.gdfb.de eingesehen werden.
Was sagen die Beiräte dazu?
„Vielen Bewohnern unserer Stadtteile, sowohl Mietern als auch Hausbesitzern, steht das Wasser nach Starkregen-Ereignissen immer wieder wortwörtlich bis zum Hals“, so beginnt ein Antrag, den die Waller Fraktionen von SPD und Linken für die Sitzung eingebracht hatten. Auf seiner Grundlage, sowie auf einem Antrag der CDU-Fraktionen, der für die Wiedereinführung eines Förderprogramms für präventive Maßnahmen plädiert, wollen die drei West-Beiräte einen gemeinsamen Beschluss formulieren. Sie wollen den Senat auffordern, Möglichkeiten für die Unterstützung Betroffener zu prüfen.