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Bremen-Hemelingen Rodung von Wald in der Arberger Marsch führt weiter zu Protest

Die Bundesregierung gab das Geld für das Pflanzen eines Waldes, die Stadt Bremen will ihn nun roden. In der Arberger Marsch gibt es darum anhaltenden Streit.
19.06.2022, 17:16 Uhr
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Rodung von Wald in der Arberger Marsch führt weiter zu Protest
Von Christian Hasemann

Um die geplante Rodung zweier Waldstücke in der Arberger Marsch gibt es weiter Streit. Nach der Berichterstattung im Stadtteil-Kurier meldet sich nun der ehemalige Eigentümer der Grundstücksflächen zu Wort, der dort nach eigenen Angaben etwa 50.000 Bäume hat pflanzen lassen.

Heiner Kemna stammt aus einer alten Arberger Familie. Bis in das 15. Jahrhundert reicht seinen Angaben nach der Stammbaum zurück. Seit Jahr und Tag bewirtschafteten die Kemnas Acker- und Weideflächen in der Marsch.

Familienhöfe in Schwierigkeiten

Heiner Kemna übernahm den Hof in der Wilhelm-Olbers-Straße von seinem Vater, in Zeiten, in denen die Industrialisierung der Landwirtschaft nochmals Fahrt aufnahm und kleinere, familiengeführte Betriebe vor schwierige Entscheidungen gestellt wurden: weiter investieren und auf bestimmte Bereich konzentrieren oder die Landwirtschaft aufgeben.

Bei den Kemnas hieß das zunächst: weg von der Vielfältigkeit, hin zu Ackerbau und Schweinemast. Als sich auch die Mast nicht mehr rentiert habe, habe sich die Familie auf den Ackerbau spezialisiert. Für Heiner Kemna stellte sich dann erneut die grundsätzliche Frage: weitermachen oder den Hof aufgeben? "Für mich war es eigentlich nicht erstrebenswert, Landwirtschaft zu machen, aber wenn Generationen das aufgebaut haben, dann ist das nicht ganz einfach aufzugeben."

In den 90er-Jahren dann etwas, was in der aktuellen Krisenzeit kaum vorstellbar ist: Die Bundesregierung legte ein Programm auf, um Ackerflächen stillzulegen. Der Hintergrund: Durch Subventionen der Landwirtschaft kam es zur Überproduktion. Einige werden sich noch an den sogenannten "Butterberg" erinnern. Damit wurde die jahrzehntelange Überproduktion von Milch und der damit einhergehende Preisverfall bezeichnet.

Prämie für Waldpflanzung

Kemna ergriff die Gelegenheit beim Schopf. "Es gab die Möglichkeit zur befristeten Stilllegung oder Totalstilllegung." Er habe sich für zwei Flächen in der Marsch für die letzte Option entschieden. Totalstilllegung hieß in dem Fall: anpflanzen zweier Wäldchen. "Es gab eine Prämie für die Stilllegung und einen Zuschuss für die Anpflanzung." Letztlich ist also Steuergeld in die Aufforstung geflossen. Und Kemna erhielt eine Prämie, 15 Jahre lang. Eine Prämie, die, wie er sagt, "nicht schlecht gewesen" sei.

Seit 1996 wachsen nun die Wälder in der Marsch. "Der Wald hat jetzt schon einen gewissen Wert, auch wenn es für den Holzwert noch etwas braucht", sagt Kemna.

In seinem Eigentum sind die Flächen nicht mehr. Er hat diese, wie auch die restlichen Ackerflächen, schon vor Jahren an die Stadt verkauft, die Landwirtschaft aufgegeben. "Die Stadt wollte das ganze Land aufkaufen und für uns Bauern war das eine schwere Entscheidung." Er habe letztlich keine große Wahl gehabt. "Ich habe dann alles verkauft und konnte den Wald da nicht raus nehmen." Die Stadt hatte sich damals Grundstücke für den Bau des Gewerbegebiets Hansalinie gesichert.

Kemna wohnt nun in Visselhövede und beschäftigt sich als Rentner seit Jahren aktiv mit dem Umbau von Nadel- zu Laubwäldern. "Ich mache auch Versuchspflanzungen mit dürreresistenten Bäumen."

Mitte der 90er legte er auch in der Marsch Wert auf das Anpflanzen von Edelhölzern. Eichen, Buchen, Erlen, Eschen und Ahorn wachsen auf etwas mehr als fünf Hektar. Eingefasst sind die Wäldchen von Strauchgehölzen. Die hohe Anzahl der gepflanzten Bäume erklärt sich durch den damaligen forstwirtschaftlichen Ansatz. Ein Baum pro Quadratmeter, eng gepflanzt, damit diese schlank und hoch wachsen und weniger Äste ausbilden. Im Laufe der Jahre wird der Bewuchs durch die Entnahme von kranken und toten Bäume weniger dicht.

Dass die Wäldchen nun für das Gewerbegebiet gerodet werde sollen, trifft Kemna. "Als ich das gemacht habe, habe ich gedacht, dass ich ein Geschenk für die Stadt Bremen mache und etwas Langfristiges schaffe, denn im Bremer Osten gibt es sonst keinen Wald", sagt Kemna. Und: "In den ersten Plänen wäre der Wald auch erhalten geblieben und man könnte ihn auch jetzt bei anderer Prioritätensetzung erhalten." Kemna spricht von einem Schatz in der Marsch.

"Eins-zu-eins-Ersatz reicht nicht"

Und auch zu möglichen Ausgleichspflanzungen – der Beirat Hemelingen fordert einen Ersatz in derselben Größenordnung – hat er eine Meinung. "Es braucht eigentlich einen ökologischen Ersatz für den 26 Jahre alten Wald." Ein Eins-zu-eins-Ersatz reiche nicht. "Das, was jetzt da ist, ist ökologisch wertvoller als Neuanpflanzungen. Eigentlich müsste man sehr viel mehr pflanzen, um denselben Wert zu haben." Eine jetzige Ersatzpflanzung müsste erst sehr lange wachsen, um den akutellen Zustand zu erreichen.

Unterstützung bekommt Kemna vom Hemelinger Beirat. Dieser hatte schon im März den Bebauungsplan für die Erweiterung in seiner Gänze abgelehnt. Er fordert unter anderem die Einarbeitung der Ergebnisse der bremischen Klima-Enquete-Kommission. Daneben soll es unter anderem bis 100 Prozent Fotovoltaik-Anlagen auf den Hallendächern und bessere Radwege geben. Außerdem soll die Windenergie erhalten und ausgebaut werden.

Zuletzt hatte die Partei drei weitere Anträge eingereicht. In diesen fordert sie den Erhalt der Wäldchen und den Stopp sämtlicher Maßnahmen zur Umsiedlung von Amphibien. Begründung: Noch sei der Landschaftsschutz nicht aufgehoben. Es sollte alles unterlassen werden, um Tiere zu vergrämen.

Jäger und Umweltverbände hatten sich ebenfalls kritisch zu den Plänen in der Hemelinger Marsch geäußert. Sie sehen in den Wäldern Rückzugsräume für Wild, Fledermäuse und Greifvögel.

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