- Was sagen die Kritiker?
- Was sagt die Behörde?
- Welche Auswirkungen werden befürchtet?
- Wie steht es um Ausgleichsmaßnahmen?
- Wie sind die Erfahrungen?
- Gibt es weitere Kritik?
In der Hemelinger Marsch haben Arbeiter in der vergangenen Woche um zwei Wäldchen herum Amphibien-Fangzäune aufgestellt. Die Maßnahme ist ein Vorgriff auf die geplante Erweiterung des Gewerbegebiets Hansalinie, denn die Tiere sollen gesammelt und umgesiedelt werden, damit die Wäldchen gerodet werden können. Doch es gibt Kritik an dem Zeitpunkt.
Was sagen die Kritiker?
"Der Zeitpunkt ist denkbar schlecht gewählt", sagt Jürgen Bischof. Er ist Jagdpächter in der Hemelinger Marsch. "Es ist jetzt Brut- und Setzzeit – die Unruhe durch die Bauarbeiten ist nicht zuträglich." Derzeit werden unter anderem die ersten Kitze geboren. "Wir versuchen, in der Marsch mit Schildern für Ruhe zu sorgen, und dass die Menschen ihre Hunde an die Leine nehmen", betont Bischof.
Tatsächlich haben die Bremer Jäger an den Eingängen zur Marsch Schilder aufgestellt, die darum bitten, Hunde stets an der Leine zu führen. Mehrere Vorfälle mit Hunden haben zu Wildrissen in der Vergangenheit geführt.
Was sagt die Behörde?
Das Umweltressort nennt auf Nachfrage des Stadtteil-Kurier Details zu der Umsiedlungsaktion. So sei die Umzäunung der zwei Wäldchen eine vorbeugende Maßnahme, um Verluste im Amphibienbestand zu minimieren.
An den senkrechten Fangzäunen sind beidseitig Eimer eingegraben, in die die Tiere fallen. So sollen Tiere, die aus dem Winterquartier kommen, und auch solche, die vom Laichgebiet außerhalb kommen, gefangen werden. Diese Eimer, so heißt es weiter, würden täglich geleert.
Bis Ende der Herbstwanderung sollen die Tiere eingesammelt werden – wenn sich die Rodungsarbeiten verschieben auch noch länger. Die beauftragte Fachfirma werde durch eine ökologische Baubegleitung fachlich betreut, heißt es aus dem Umweltressort.
An einem See angrenzend wurde ein weiterer Zaun aufgestellt. Dieser soll verhindern, dass Tiere vom bereits erschlossenen Bereich in das Baugebiet wandern.
Welche Auswirkungen werden befürchtet?
Für Jürgen Bischof als Jagdpächter bedeutet die voraussichtlich anstehende Rodung nichts Gutes. "Wir sind für den Erhalt der Wäldchen, es sind die einzigen Rückzugsräume für das Wild." Dasselbe gelte für die breiten Heckenstreifen zwischen den Feldern. "Wenn hier gerodet wird, dann wird das Wild Richtung Bollen und Achim abwandern."
Wie steht es um Ausgleichsmaßnahmen?
Besonders pikant: Laut Umweltbehörde wurden diese Bäume als Ausgleichsmaßnahmen für vergangene Bauvorhaben angelegt. Sprich: Nun muss es für eine Ausgleichsmaßnahme eine Ausgleichsmaßnahme geben. Werden durch Bauvorhaben Grünflächen, Wälder oder Biotope zerstört, muss dafür nach Bundesnaturschutzgesetz und Baugesetzbuch nämlich Ersatz geschaffen werden.
Wie sind die Erfahrungen?
Wie scharf dieses Schwert für den Naturschutz ist, ist allerdings umstritten. So gibt es in der Fachliteratur Kritik an der Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen. Mehrere wissenschaftliche Studien belegen eine mangelhafte Umsetzung.
Einem relativ hohen Prozentsatz der rechtlich verbindlichen Ausgleichsverpflichtungen werde nicht nachgekommen, heißt es. Eine Fallstudie in der Fachzeitschrift "Naturschutz und Landschaftsplanung" kam zu dem Schluss, dass fast 30 Prozent der 124 in Süddeutschland untersuchten, durchzuführenden Ausgleichsmaßnahmen in der Landschaft nicht zu finden waren. Demnach wäre das scharfe Schwert also eher ein rostiger Säbel.
Gibt es weitere Kritik?
Zuletzt hatte es an den angekündigten Rodungen der Waldflächen Kritik gegeben. Neben Naturschützern lehnt auch die Landesjägerschaft Bremen die Pläne ab. Letztere betonte die Bedeutung für die Artenvielfalt in Bremen. Zu den Tieren, die in der Marsch und den Wäldern einen Lebensraum finden, gehört auch die Nachtigall – ein Vogel, dessen Bestand seit Jahren rückläufig ist. Aber auch Greifvögel nutzen das Umfeld als Jagdgebiet.
Der Fachausschuss Umwelt und Lärm des Beirats Hemelingen hatte auf einer vergangenen Sitzung den Bebauungsplan 2516 zum Ausbau des Gewerbegebiets Hansalinie einstimmig abgelehnt und forderte die Baubehörde auf, diesen zu überarbeiten.