Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Strom und Wärme aus Hemelingen In der Energiezentrale des Bremer Südostens

Es ist die Energiezentrale des Bremer Südostens: Wie das neue Blockheizkraftwerk im Hemelinger Hafen Strom und Wärme erzeugt.
29.07.2024, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
In der Energiezentrale des Bremer Südostens
Von Christian Hasemann

Noch wärmt die Sommersonne, aber schon ab Herbst drehen die Menschen wieder an den Thermostaten ihrer Heizkörper. Schön warm soll es schließlich sein, zu Hause, im heimischen Wohnzimmer. Dass es verlässlich mollig warm wird, daran arbeiten rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im neuen Blockheizkraftwerk im Hemelinger Hafen. Ein Besuch.

Wuchtige Transformatoren mit ihren tellerförmigen Isolatoren an den Leitungen brummen und summen unter der Last der Spannung, die das Kraftwerk erzeugt. Die Geräusche sind bei den ersten Schritten auf dem Betriebsgelände der einzige Hinweis, dass die Anlage mit den drei Schornsteinen überhaupt in Betrieb ist. Kein Dampf ist zu erkennen, einst ein Merkmal des alten, inzwischen außer Betrieb genommenen Kohlemeilers.

Leistung richtet sich nach dem Bedarf

Aber der Eindruck täuscht, tatsächlich arbeiten an diesem Morgen mehrere Motoren der Anlage, andere sind hingegen im Ruhemodus. Denn das ist eine Besonderheit der Anlage, erklärt Kraftwerksleiter Marcus Bol. "Wenn wir unerwartet Leistung brauchen, können wir eingreifen." Sein Blick geht auf die Kontrolltafeln in der Kraftwerkwarte, das Gehirn des Kraftwerks. Das sei besonders bei der schwankenden Energieerzeugung der erneuerbaren Energien nützlich. Bei wenig Wind und Sonnenschein kann die Anlage zum Beispiel die zusätzlich benötigte Energie kurzfristig produzieren.

Möglich machen das die neun Motoren des Kraftwerks, die einzeln geregelt werden können. Drei Minuten bräuchten diese, um aus dem Ruhezustand auf Maximalleistung zu kommen, erklärt Bol. Jetzt, um 9.30 Uhr morgens, verrät der Blick auf die Anzeigen, dass 34 Megawatt produziert werden. Ab 10 Uhr werden weitere Motoren gedrosselt, erst am Abend wird wieder mehr Leistung erzeugt – also dann, wenn die Menschen wieder nach Hause kommen und mehr Strom verbrauchen.

Die Flexibilität der Anlage hat allerdings seinen Preis: Die Motoren werden durch das Anfahren und Herunterfahren stärker belastet als beispielsweise in einem Schiff, wo sie in einem Dauerbetrieb wären. "Das bedeutet natürlich Stress für die Motoren und das geht auf die Lebenszeit", sagt Bol.

Die Stromproduktion ist im Grunde nur Beiwerk, denn das Kraftwerk soll vor allem Wärme erzeugen, die dann über das Fernwärmenetz im Bremer Südosten, an dessen Ausbau derzeit gearbeitet wird, bis hin nach Tenever verteilt wird.

Wer sehen möchte, wie die Motoren arbeiten, geht in das Herz des Kraftwerks. In einzelnen, voneinander getrennten Motorzellen arbeiten die Schiffsmotoren. Während von außen nichts zu hören ist – das Kraftwerk muss die Regelungen zum Lärmschutz einhalten –, dröhnen die laufenden Schiffsmotoren in den Motorhallen mit annähernd 120 Dezibel. Alle, die hier rein wollen, müssen Ohrstöpsel, Schutzbrille und Helm tragen. 14 Meter lang, drei Meter breit und vier Meter hoch sind die Ungetüme eines finnischen Herstellers. An jeder Vorderseite ein Generator, der bis zu elf Megawatt Leistung erbringen kann. Um einen Blick in den Motor zu werfen, erklimmt Bol eine Leiter.

20 Zylinder werkeln in den Schiffsmotoren

Eine entfernte Abdeckung ermöglicht den Blick auf den Zylinderkolben. Einer von 20, zehn auf jeder Seite, v-förmig angeordnet. Ein V20, wenn man so möchte, und so weit hergeholt ist der Vergleich mit einem herkömmlichen Verbrennungsmotor gar nicht. "Im Prinzip ist das ein ganz normaler Viertaktmotor – nur eben viel größer", sagt Bol. Erdgas und Luft werden gemischt und komprimiert und in den Zylindern verbrannt, und diese wiederum treiben eine Kurbelwelle an, die sich mit bis zu 50 Umdrehungen pro Minute dreht. "Beim Schiff wäre dann dort der Propeller dran, hier der Generator", deutet Bol auf den vorderen Bereich des Motors.

Für Bol und seine Kolleginnen und Kollegen ist das Kraftwerk auch eine Umstellung. "Bisher haben wir nicht mit Motoren, sondern mit Turbinen gearbeitet, da muss man sich erst einmal einfummeln."

Der Unterschied: Bei einer Turbine wird Wasser erhitzt und verdampft. Der Wasserdampf wiederum treibt die Turbine an, die wiederum über einen Generator Strom erzeugt. Die mehrfache Umwandlung von Energie – Wasser zu Wasserdampf, zu Bewegung, zu Strom – hat ihren Preis: Umwandlungsverluste der Energie, zum Beispiel in Form von Wärme.

Verbrennungsmotoren haben eine notorisch schlechte Bilanz: Ein Großteil der Energie wird nicht in mechanische Bewegung umgesetzt, sondern geht als Wärme verloren. Die effizientesten Benzinmotoren in Autos kommen auf einen Wirkungsgrad von annähernd 20 Prozent. Bei Elektroautos sind es nach Angaben des Bundesumweltamtes 62 Prozent.

Fernwärme für Zehntausende Haushalte

Im Blockheizkraftwerk macht sich die SWB genau diese Verlustwärme zunutze. Die 350 Grad heißen Abgase werden über Wärmetauscher geleitet, in denen dann das Fernwärmewasser erhitzt wird, bis es die Vorlauftemperatur von 120 Grad Celsius erreicht und in das Fernwärmenetz gepumpt wird. 30.000 Haushalte vor allem im Bremer Osten können bei Volllast mit Wärme versorgt werden. Dazu kommen noch Großabnehmer wie das Mercedes-Werk.

Bei Maximalleistung produziert das Kraftwerk außerdem 104 Megawatt an elektrischer Leistung. Unter Volllast verbraucht das Kraftwerk annähernd 500.000 Kubikmeter Erdgas am Tag.

Zukünftig möchten Bremen und Deutschland aber ganz auf fossile Energieträger wie Erdgas verzichten. Und tatsächlich ist die Anlage, die in ihrer Form auch nur eine Übergangslösung darstellt, laut SWB auf eine Lebenszeit von 20 Jahren ausgelegt – eine vergleichsweise kurze Betriebszeit für ein Kraftwerk.

Hoher Wirkungsgrad und CO2-Einsparung

Nach Angaben von Felix Mahn, zuständig für Bildungsangebote bei der SWB, kommt die Anlage durch die Energiekopplung auf einen Effizienzgrad von 92 Prozent. Alleine der Brennstoffwechsel von Kohle auf Erdgas bewirkt nach Angaben der SWB bei gleicher Leistung eine CO2-Reduktion von 60 Prozent.

Das neue Blockheizkraftwerk konnte zudem im Zusammenspiel mit der neuen Fernwärmeverbindungsleitung zwischen Horn und der Vahr kleiner als der vorherige Kohleblock geplant werden, was demnach zu einer gesamten CO2-Ersparnis von 70 Prozent führt. Dennoch: Es wird weiter ein fossiler Energieträger verbrannt am Hemelinger Hafen. Was ist mit den Alternativen?

Diskutiert wird "grüner Wasserstoff" als Brennstoff, also durch Wind und Sonne erzeugter Wasserstoff. Allerdings: Von einer Massenproduktion ist dieser noch weit entfernt. Ohne technische Veränderungen könnte die Anlage aber ohnehin keinen reinen Wasserstoff verbrennen. Verträglich seien Beimischungen von bis zu 20 Prozent Wasserstoff, so die SWB. Perspektivisch sei denkbar, vorhandene Erdgasleitungen für den Transport von Wasserstoff zu nutzen.

Und wie geht es mit dem stillgelegten Kohlekraftwerk weiter, immerhin eine Landmarke in Bremen? "Wir haben Ideen für den alten Teil, aber wollen keinen Schnellschuss", sagt Bol. Es brauche Zeit, genau zu überlegen, was dort hinpasse. "Etwas wegmachen geht schnell, aber etwas Neues und Kreatives zu entwickeln, da gehört viel dazu."

Info

Das Unternehmen SWB bietet interessierten Bürgerinnen und Bürgern und Schulen Führungen über das Werksgelände an. Weitere Informationen auf: www.swb.de/ueber-swb/engagement/schule-und-bildung/besichtigungen
Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)