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Wohnen statt alter Fabrikhalle Beiräte wollen Wohnungen an der Rennbahn

Beiratsmitglieder aus Hemelingen und der Vahr sehen auf dem Gelände des Real-Marktes an der Galopprennbahn Chancen für Wohnungsbau und Kleingewerbe.
31.05.2021, 05:00 Uhr
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Beiräte wollen Wohnungen an der Rennbahn
Von Christian Hasemann

Ein in die Jahr gekommenes ehemaliges Fabrikgebäude, riesige Parkplatzflächen und ein Supermarkt, der schließen wird: So stellt sich derzeit die Situation an der Ecke In der Vahr und Ludwig-Roselius-Allee dar. Nachdem das Aus des Supermarkts beschlossene Sache ist, fordern Ortspolitiker für das etwa 5,5 Hektar große Gelände ein Gesamtkonzept. Künftig soll nach den Vorstellungen der Beiräte dort nicht nur Einkaufen möglich sein.

"Das Gelände ist so groß, dass dort wieder ein Vollsortimenter hinpasst und man andere Teile auch anders nutzen kann", sagt Hans-Peter Hölscher (SPD), Sprecher des Stadtteilentwicklungsausschuss Hemelingen. Er könne sich einen Mix aus nicht-schädlichem Gewerbe, Wohnungen und einem Supermarkt gut vorstellen. 

Auf der politischen Ebene sollen die Hebel dafür in den kommenden Wochen gestellt werden. "Wir wollen für das Gelände eine Veränderungssperre erreichen", sagt Hölscher, der auch Mitglied der zuständigen Baudeputation ist. "Das bedeutet, dass der Eigentümer vor einer Veränderung mit der Bauplanung sprechen muss." Eine Veränderungssperre soll verhindern, dass Eigentümer von Grundstücken Fakten schaffen, die nicht im Einklang mit der gewünschten Stadtentwicklung stehen. Prominentes Beispiel in Hemelingen ist das Könecke-Gelände, für das die Stadt ebenfalls eine Veränderungssperre erlassen hatte. Hölscher rechnet damit, dass die Baudeputation noch im Juni die Veränderungssperre auf den Weg bringt.

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Die Forderungen aus dem Hemelinger Beirat sind nicht neu. Schon bei der Vorstellung des Nahversorgungskonzepts 2019 hatte Hölscher nach einer möglichen Zukunft des Geländes gefragt. Im Bürgerbeteiligungsprozess zur Galopprennbahn war außerdem im Gespräch, die Entwicklung auf dem Real-Gelände mit der Entwicklung auf der Rennbahn zu verknüpfen und ein Gesamtkonzept zu entwickeln.

"Eine wichtige Stelle"

Mit dem Aus für die Wohnbebauung auf der Galopprennbahn sieht es derzeit nach einer Neuordnung nur auf dem Supermarkgelände aus. "Natürlich ist das jetzt eine ganz andere Situation", sagt Hölscher. "Aber es ist dennoch eine ganz wichtige Stelle, das darf man nicht unterschätzen."

Noch sind Pläne des Eigentümers für das Gelände nicht bekannt. Sicher ist nur, dass dort weiter eine Nahversorgung möglich sein wird, das sieht jedenfalls das Nahversorgungskonzept vor. 

Unter dem Begriff Nahversorgung subsumieren sich nicht nur Lebensmittelmärkte, sondern auch Drogerien, Buchläden, Apotheken und Blumenläden. Das neue Nahversorgungskonzept schließt für den Standort hingegen keine Wohnbebauung aus. Tatsächlich empfehlen die Autoren, Nahversorgung in Wohnbebauung zu integrieren. Denkbar wäre also eine kombinierte Bebauung mit Wohnungen und einem Supermarkt. Edeka, Eigentümerin des Marktes, hatte bereits angekündigt, gemeinsam mit der Verwaltung und der Politik einen neuen "Nutzungsmix" entwickeln zu wollen.

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Was dem Konzept nach dort nicht entstehen soll, sind Geschäfte für den nicht-täglichen Bedarf, darunter fallen zum Beispiel Baumärkte oder Möbelhäuser. Allerdings: Das Nahversorgungskonzept hat keine gesetzlich bindende Wirkung, es ist vielmehr als Empfehlung für die Stadtentwicklung gedacht.

Leerstand unerwünscht

Jens Emigholz (FDP)vom Beirat Vahr sieht viel Potenzial auf dem Areal. "Aus Vahrer Sicht wären zum Beispiel Dienstleistungen oder Handwerksbetriebe weitere Möglichkeiten neben einem Supermarkt und Wohnungsbau." Nötig sei auch die Entsiegelung der großen Parkplatzflächen. "Ich würde mir wünschen, dass man das Gelände zu den Kleingärten hin öffnet, wo jetzt ein Zaun ist." Emigholz gibt aber auch zu bedenken, dass zu klären sei, was mit dem Flohmarkt auf dem Gelände geschehe. "Und was ist mit den anderen Gebäuden? Werden die auch abgerissen und die Mitarbeiter entlassen?" Was er nicht möchte, ist Leerstand. "Dann sollte man Zwischennutzungen finden, zum Beispiel für Vahrer und Hemelinger Kinder oder eine Kunstausstellung wie auf dem Könecke-Coca-Cola-Gelände." 

Für eine andere Nutzung des Geländes ist eine Änderung des gültigen Bebauungsplans nötig. Derzeit gilt für das Gebiet noch ein Bebauungsplan aus dem Jahr 1966. In diesem ist der Bereich des Real-Supermarktes und der Parkplatzflächen als Industrie und Gewerbegebiet mit dem Hinweis "Süßwarenfabrik" ausgezeichnet. Ohne eine Änderung wäre nach derzeitigem Stand kein Wohnungsbau möglich.

Zum Hintergrund: Die in die Jahre gekommene Fabrikhalle auf dem Areal mit dem markanten Shed- oder auch Sägezahndach war einst Standort des englischen Schokoladenherstellers Cadbury. Dieser hatte sich den Standort in Sebaldsbrück nicht von ungefähr ausgesucht. Genau gegenüber auf der anderen Straßenseite lag die Produktionsstätte der Hanseatenwerke AG – ein Bremer Produzent von Edelschokoladen, den die Briten aufkauften.

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Die Briten hatten große Pläne in Bremen. Einer Zeitungsmeldung von 1963 zufolge sperrte man für einige Tage die Vahrer Straße: Eine Kakao-Pipeline zwischen den beiden Werken sollte unter der Straße verlegt werden.

Allerdings verhob sich der Schokoladenkonzern: Schon 1968 kündigte die Konzernmutter an, die Werke in Bremen zu schließen. Ein Grund für die damals kriselnde Schoko-Industrie: der steigende Kakao-Preis. Das Fabrikgebäude der Hanseatenwerke wurde abgerissen, die Cadbury-Fabrikhalle dagegen blieb weitgehend erhalten. Ihre Tage sind mit dem Aus des Real-Marktes Ende März 2022 gezählt.

Zur Sache

Interesse an Supermärkten

2020 kaufte der russische Immobilieninvestor SCP Retail Investments zusammen mit dem Immobilienunternehmen X+Bricks dem Großhändler Metro das Warenhausgeschäft mit den 276 Real-Märkten ab. SCP Retail Investments wiederum verfolgte das Ziel, die Märkte an Einzelhändler wie Edeka zu verkaufen. An 78 Märkten zeigte Edeka Interesse, allerdings gab das Kartellamt im März dieses Jahres nur bei 44 Standorten grünes Licht. Darunter unter anderem der Markt in Sebaldsbrück. Der deutsche Lebensmittelmarkt wird von nur wenigen großen Spielern beherrscht, deswegen prüfen die Kartellwächter bei Übernahmen sehr genau. 

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