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Aktionsplan Bahnhof vorgestellt Wohin mit der Drogenszene?

Als unhaltbar bezeichnet nicht nur die Bremer Straßenbahn AG die Situation rund um den Hauptbahnhof. Eine Einschätzung, die von vielen geteilt wird. Der Aktionsplan Hauptbahnhof soll nun Abhilfe bringen.
09.02.2022, 19:30 Uhr
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Wohin mit der Drogenszene?
Von Sigrid Schuer
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Es hätte nicht viel gefehlt und der Beschluss des Beirates Mitte zur Unterstützung des ressortübergreifenden Aktionsplans Hauptbahnhof wäre einstimmig gefasst worden. Doch an einem entscheidenden Punkt schieden sich die Geister: der Verlagerung der Drogenszene vom sogenannten Regierungsviertel in Bahnhofsnähe an die Friedrich-Rauers-Straße. Alle weiteren Punkte des Beschlusses trafen bei der jüngsten Sitzung des Beirates Mitte auf die Zustimmung der CDU-Fraktion. Stadtteilparlamentarier Dirk Paulmann erläuterte, weshalb die CDU-Fraktion dieser Verlagerung auch hinsichtlich des angrenzenden Wohngebietes äußerst kritisch gegenüber steht. Denn die Friedrich-Rauers-Straße kreuzten zudem die Schulwege zum Alten Gymnasium und zu den Schulen in Findorff. Zudem wies er auf die geplante Langzeitunterbringung von geflüchteten Familien in der Friedrich-Rauers-Straße hin, auch hier sieht er ein Konfliktpotenzial mit der Drogenszene. Jan Strauß (Die Linke) wischte derlei Bedenken allerdings als "kompletten Humbug" und "Schwarzmalerei" vom Tisch: "Wir sollten die sehr guten Fortschritte unterstützen". Ähnlich sah das Holger Ilgner (SPD).

Warum kritisiert die CDU eine Verlagerung der Drogenszene?

In der Friedrich-Rauers-Straße soll laut Gesundheitsressort ein gebündeltes, festes Drogenkonsum- und Beratungs-Areal samt Außenbereich mit großem Fassungsvermögen entstehen. Auch die Beratungsstelle "Comeback" wird dann 2023 vom Tivoli-Hochhaus dorthin ziehen. Dirk Paulmann verteidigte jedoch seine Sicht der Dinge mit Hinweis auf die Schilderungen der betroffenen Beschwerdeführer, Ingrid Dorsch-Wilke von der Bremer Straßenbahn AG und Oliver Steding, Direktor des Intercity Hotels am Bahnhof. Dorsch-Wilke berichtete von Beschwerden seitens der Fahrgäste und des Fahrpersonals, sie hätten Angst, weil insbesondere die unter hohem Konsumdruck stehende Crackszene inzwischen den Raum rund um die silberne Ellipse, vormals Sitz der BSAG, für sich reklamiert habe. "Es fliegen Flaschen, Messer selten. Gottseidank ist noch nichts Schlimmeres passiert", berichtete sie. Das führe dazu, dass sich sowohl Fahrgäste als auch Fahrpersonal weigerten, dort in die Regiobuslinien einzusteigen. Die Sitzplätze im Wartebereich der BSAG seien durch die Dauerbelegung dieser speziellen Klientel für ältere Menschen nicht mehr nutzbar.

Warum beschweren sich die Anrainer?

Oliver Steding berichtete von Beschaffungskriminalität, Autoaufbrüchen und Überfällen auf Hotelgäste im Parkhaus am gegenüberliegenden City Gate. Im Bereich der Warenannahme sei es für seine Mitarbeiterschaft gefährlich, wenn sich Drogensüchtige dort Spritzen setzten. Geplant ist es, den jetzt wieder geöffneten Szenetreff konstant zwischen 8 und 20 Uhr offen zu halten. Im Gespräch ist auch, die Freifläche, die zum Intercity Hotel gehört, als Anbau für den Szenetreff zu nutzen. Jetzt sei dieses Flurstück von Spritzen und Müll übersät, schilderte Steding und forderte eine Verbesserung der Situation. Auch beklagte er, dass die Fensterfront des Hotels als Urinal missbraucht werde.

Warum fordert der Beirat Toleranzflächen?

Dass es so nicht weitergehen kann, da sind sich auch die Beiratsmitglieder einig. Die Überlegungen zu einem Alkoholkonsumverbot im Bereich des ganzen Bahnhofsvorplatzes, falls die Kontroll-Maßnahmen der Polizei an den Haltestellen nicht greifen sollten, werden vom Beirat nicht unterstützt. Sein Wunsch: Stattdessen solle ein Alkoholkonsumverbot zunächst räumlich eingegrenzt auf den Bereich der BSAG-Haltestellen und der Bussteige am Hauptbahnhof geprüft werden. Dort müsse die Situation schnellstmöglich entschärft werden. Dann müssten den Menschen aber auch zentrale, alternative Aufenthaltsorte, sogenannte Toleranzflächen als Ersatz angeboten werden. Das ist Ortsamtsleiterin Hellena Harttung besonders wichtig. Der Beirat plädierte zudem für eine dauerhaft gesicherte Finanzierung des Szenetreffs und der dazugehörigen Personalstellen. Ausdrücklich begrüßte er die Finanzierung und Aufstockung muttersprachlicher, aufsuchender Sozialarbeit für Migranten.

Was tut die Stadtreinigung gegen Wildpinkelei?

Geplant ist, dass nach dem Neubau des BSAG-Ellipse auch dort eine feste Toilettenanlage entstehen soll, das könne aber noch drei bis vier Jahre dauern, betonte Bettina Hohmann von der Bremer Stadtreinigung. Sie schilderte aber auch das Problem, dass es immer wieder Missbrauch oder sogar Vandalismus auf der Toilette am Szenetreff gegeben habe. Die Öffnungszeiten sollen zwar jetzt verlängert werden, aber ohne eine Überwachung der Toilette durch einen Sicherheitsdienst werde es wohl nicht gehen. Bis der Neubau der Ellipse soweit ist, wurden für den Übergang erst einmal zwei provisorische Urinale an den Bahnhofsseiten aufgestellt, das habe die Situation des Wildpinkelns entschärft, so Hohmann. Die sollen durch feste Exemplare ersetzt werden. Hier plädiert der Beirat für die Schaffung von mindestens einer weiteren öffentlichen Toilette, die auch von Frauen genutzt werden kann. Zudem sollen die Reinigungsintervalle am Hauptbahnhof verbessert werden. Auch das begrüßte der Beirat ausdrücklich.

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Zur Sache

Standpunkt des Beirats Mitte

Zwar signalisierte der Beirat Mitte seine Unterstützung des Aktionsplanes Hauptbahnhof. Er betont in seinem Beschluss aber auch, dass er die im Aktionsplan genannten Maßnahmen nicht alle als zielführend erachtet. Explizit gilt das für die vom Innenressort anberaumte Sicherheitszone vor dem Hauptbahnhof. Aus Sicht des Beirates sind einzelne, vor dem Bahnhofsgebäude lagernde Menschen zu tolerieren, sofern von ihnen kein aggressives Verhalten ausgeht. Diese Personen stellten nicht die Hauptursache für die von vielen Bürgerinnen und Bürgern als negativ und unsicher empfundene Situation dar. Die Begründung der Schaffung einer Sicherheitszone trage angesichts vorübergehender fester Aufbauten wie bei den Buden der Bürgerparktombola nicht.

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