"Das wird eine Großbaustelle, wünschen Sie uns viel Glück, dass das alles reibungslos vonstatten geht", das waren die Schlussworte von Eva Carneiro Alves, Suchtreferentin im Gesundheitsressort, in der aktuellen Sitzung des Sozialausschusses des Beirates Mitte. Zu der Online-Sitzung zugeschaltet hatten sich auch Beiratsmitglieder aus Findorff und Schwachhausen. Die zuständigen Senatsressorts haben, einer positiven Machbarkeitsstudie der Universität Bremen folgend, den Standort an der Friedrich-Rauers-Straße als alternativlosen Standort für die Ansiedlung eines Drogenkonsum-Zentrums identifiziert. Zu groß war zuletzt der öffentliche Druck, die eskalierenden Probleme im Umfeld der Drogenszene am Bahnhof in den Griff zu bekommen. Wie bereits im Lokalteil dieser Zeitung berichtet hat die Entscheidung für die Friedrich-Rauers-Straße inzwischen die Mietkosten explodieren lassen. Eva Carneiro Alves und ihre Kolleginnen, unter anderem von der Drogenhilfe-Beratung "Comeback" berichteten in der Ausschuss-Sitzung nun zum aktuellen Sachstand. Was Carneiro Alves mit "reibungslos von statten gehen", meint, ist gerade bei dem Wohnungsbauprojekt der Gewoba im ehemaligen Bundeswehrhochhaus zu besichtigen, das quasi gleich um die Ecke liegt. Wegen Lieferkettenengpässen verzögert sich die Fertigstellung des Großbau-Projektes um zwei Jahre auf 2026.
Was ist in der Friedrich-Rauers-Straße genau geplant?
Für 2024 ist ein riesiger Umzug der Drogenhilfe-Beratungsstelle "Comeback" samt aller Dienstleistungsangebote vom Tivoli-Hochhaus in die Friedrich-Rauers-Straße geplant. Sobald die Großbaustelle für ein integriertes Drogenkonsum-Zentrum mit dem von Carneiro Alves beschworenen "Glück", dort abgeschlossen sein wird. Wann das sein wird steht allerdings noch in den Sternen. "Comeback"-Leiterin Heidi Mergner zählte die Dienstleistungsangebote auf: neben dem Vorhalten geschützter Konsumräume und Toiletten sollen dort auch nach einer medizinischen Erstversorgung Beratungs- und Ausstiegs- und Substitutions-Angebote gemacht werden. Zudem wird es ein Café, Duschmöglichkeiten und eine Kleiderkammer geben. Die Bremer Suppenengel werden auf dem Areal Essen ausgeben. Bis das Zentrum kommt, das das ganze Jahr geöffnet sein wird, soll schon in diesem Frühjahr eine Akzeptanzfläche in der Nähe der 2020 eingerichteten provisorischen Drogenkonsum-Container entstehen, auf der sich die Szene aufhalten kann. Bänke, Poller und eine Urinalspindel sind bereits installiert. Ferner soll die Aufstellung aufgeschnittener Container folgen, die Regen- und Windschutz bieten. "Schon jetzt sind die provisorischen Drogenkonsum-Container überlaufen. Auch viele Crack-Konsumenten kommen zu uns", so Lea Albrecht von "Comeback". Die Akzeptanzfläche dürfe allerdings nicht zum rechtsfreien Raum werden, betonte sie. Die Friedrich-Rauers-Straße wird dann auch für den Durchgangsverkehr gesperrt werden.
Was ist der Plan von Innensenator Ulrich Mäurer?
Als nicht unwahrscheinlich schätzen die Sozialarbeiterinnen die Möglichkeit ein, dass auf dieser Akzeptanzfläche gedealt werden könnte, was in Konsum-Räumen strikt verboten ist. Das heißt, dass die Drogendealer vom Bahnhof mit ihren Kunden gleich mit umziehen könnten, wie Mergner mutmaßt. Allerdings werde es sich dann wohl um Klein-Dealer, die Tagesrationen verkauften, handeln, da es generell das Bestreben von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sei, den Drogenhandel im großen Stil einzudämmen. Denn das Angebot trage fraglos zur Nachfrage bei. Oft sei es so, dass Crack-Konsumenten Züge aus ihrer Pfeife an zwei Dutzend Mitkonsumenten verkauften. Als besonders schwierig schilderte Albrecht den Umgang mit den unter starkem Konsumdruck stehenden Crack-Süchtigen. Um diese zu beruhigen und besser mit ihnen Kontakt aufnehmen zu können, hätte das Aufstellen von Ruheliegen auf dem Areal zunächst höchste Priorität. Für Crack gebe es bislang noch keinen Ersatzstoff. Auf entsprechende Nachfrage aus dem Beirat Schwachhausen betonte Beatrix Meier von der Ambulanten Suchthilfe, dass es bremenweit wohl genügend Therapieplätze für Ausstiegswillige gebe. Die Krankenkasse und die deutsche Rentenversicherung übernähmen die Kosten für Entgiftung und Drogenentzug, so Carneiro Alves. Mehr Sorgen macht sich Beatrix Meier um Drogenkranke mit Migrationshintergrund, nicht selten Geflüchtete, die solche Leistungsansprüche nicht hätten. "Hier wie dort handelt es sich oft genug um schwer traumatisierte Menschen", betonte sie. Aber, räumte Mergner ein, es gebe eben auch die Party-Szene, die zuerst Kokain und dann Crack konsumierte.
Was sagt der Beirat Mitte?
Der Beirat Mitte stehe in großen Teilen dem geplanten, integrierten Drogenkonsumraum sehr aufgeschlossen und positiv gegenüber, betonte Beiratssprecher Jonas Friedrich (Grüne). Es müsse darum gehen, eine weitere Verelendung der Drogenkranken zu verhindern und die Situation am Bahnhof zu deeskalieren. Die CDU-Fraktion im Beirat Mitte lehnt das Vorhaben weiterhin strikt ab, wie Beiratsmitglied Dirk Paulmann am Morgen nach der Sitzung noch einmal per E-Mail an unsere Zeitung betonte. Bedauerlicherweise hätten seine Kolleginnen während der Online-Sitzung technische Probleme gehabt. Die Argumentation, die Ingrid Kreiser-Saunders während der Sitzung in den Chat geschrieben hat, ist bekannt: Die CDU weist seit jeher darauf hin, dass sich der geplante, große, integrierte Drogenkonsumraum in unmittelbarer Nähe zum Findorff-Tunnel befindet und damit auch in der Nähe des Wegs zur Schule an der Admiralstraße und zum Alten Gymnasium. Kreiser-Saunders und Paulmann betonten zudem, dass in hundert Metern in der angrenzenden Falkenstraße viele Kinder wohnten und sich auch besagte Großbaustelle der Gewoba in unmittelbarer Nähe befinde.
Wie funktioniert es in Hamburg?
Damit wäre die Friedrich-Rauers-Straße kein in dem Maße abgelegener Ort, wie es Eva Carneiro Alves zuvor skizziert hatte. Sie betonte, dass die Behörden die Entwicklung sehr genau weiter im Blick behalten werden, auch hinsichtlich der Bedenken, die aus dem Beirat Findorff geäußert wurden. Erste Gespräche mit der Polizei hätten jedoch bisher keine Beschwerdelage ergeben. Der integrierte Drogenkonsumraum könnte vom Umfang her sogar größer werden als eine vergleichbare Hamburger Institution, das "Drob Inn", vor dem sich regelmäßig 200 Drogenabhängige versammeln. "Vor unserer Einrichtung werden das so 20 bis 30 sein", schätzt Albrecht. Ein Blick in Hamburger Tageszeitungen zeigt, dass auch vor dem "Drob Inn" in St. Georg in der Nähe des Hauptbahnhofes, das als Vorzeigeobjekt gehandelt wird, nicht alles rund läuft und es immer wieder zu Problemen kommt. Heidi Mergner hatte zuvor eingeräumt, dass auch am Tivoli-Hochhaus seit eineinhalb Jahren Sicherheitspersonal wegen der vielen Crack-Konsumenten eingesetzt werden muss.