Das Haus in der Bürgermeister-Smidt-Straße 31, in unmittelbarer Nähe des Cinemaxx und des ehemaligen Fruchthofes gelegen, wirkt unscheinbar und in die Jahre gekommen. Doch an ihm entzünden sich derzeit die Gemüter, so auch in der jüngsten, virtuellen Sitzung des Bauausschusses des Beirates Mitte.
Der Grund: Eine Anfrage des Ortsamtes Mitte/Östliche Vorstadt beim Wirtschaftsressort in der Abteilung Gewerbeangelegenheiten, hat ergeben, dass dort ein Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Prostitutionsstätte für eben jenes Gebäude gestellt worden ist. Wer diesen Antrag gestellt hat, darüber schweigt sich die Behörde indes aus und pocht auf Datenschutz.
Dank der Recherchearbeit des Aktivisten Wolfgang Budde sind nun die Hintergründe ans Licht gekommen. Demzufolge soll auch das Bordell in der Bürgermeister-Smidt-Straße 31 von der Joy Company GmbH betrieben werden, wie bereits das Eros 69 in der Duckwitzstraße. Geschäftsführerin der Joy Company ist Stephanie Pröhl, Schwester des früheren Bremer „Hells Angels“-Chefs Andree Pröhl. Dessen Frau Martina wiederum firmiert als Geschäftsführerin des Eros 69. Andree Pröhl, mittlerweile Anführer der „Hells Angels“ in Delmenhorst, ist nach Auskunft des Anwalts der Joy Company bei dieser „im technischen Bereich“ angestellt. Laut Budde handelt es sich bei der 2017 gegründeten Joy Company GmbH um eine Briefkastenfirma mit Sitz in Stuhr.
Die Mitglieder des Beirates Mitte zeigten sich überrascht von der Information, dass an der Bürgermeister-Smidt-Straße 31 ein solches Bordell geplant sein soll. Die stellvertretende Ortsamtsleiterin Manuela Jagemann schickte daraufhin einen Fragenkatalog an das Wirtschaftsressort.
„Ich habe das einfach nicht glauben können!“, sagt Wolfgang Budde. Gerade mal sieben Jahre, nachdem in Bremen die „Hells Angels“ verboten wurden, sei der Rocker-Club nun offenbar durch die Hintertür auf dem Sprung zurück in die Hansestadt. „Das ist noch einmal etwas anderes als wenn das Eros 69 in der Duckwitzstraße betrieben wird. Hier geht es um die Bahnhofsnähe, um die Mitte der Stadt“. Das Verbot der „Hells Angels“ habe damals viel Zeit, Kraft, Nerven und nicht zuletzt auch viel Steuergeld gekostet, betont er.
„Und nun soll das alles wieder von vorne anfangen?“, fragt sich Budde, der seit Jahren als Kopf einer Bürgerinitiative gegen die Ausbreitung Organisierter Kriminalität kämpft. Er weist darauf hin, dass Andree Pröhl im vergangenen Jahr vor dem Oberverwaltungsgericht Bremen dagegen geklagt haben soll, dass er durch das Verbot der „Hells Angels“ in seinem „Rechtsverkehr“ beeinträchtigt sei und somit bis 2023 kein Bordell mehr betreiben könne. Pröhl verlor den Prozess. Für Wolfgang Budde liegt es auf der Hand, dass er über Ehefrau und Schwester das Terrain in Bremen erneut zu bereiten versuche.
„Ich halte das Verhalten der Wirtschaftsbehörde, mit der ich oft in dieser Sache in Kontakt gewesen bin, für skandalös“, betont Budde. Dem Prostituiertenschutzgesetz zu Folge muss von Behördenseite geprüft werden, ob der künftige Betreiber in den letzten fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist, in diesem Fall wäre die Versagung einer Betriebserlaubnis des Bordells möglich. Bei dem zur Debatte stehenden Fall käme das zum Tragen, wenn Martina Pröhl nachgewiesen werden könnte, dass sie als Strohfrau agiert.
Die Mitglieder des Beirates Mitte wollen sich unter Federführung von Ortsamtsleiterin Hellena Harttung mit einem dementsprechenden Beschluss für eine Null-Toleranz-Strategie gegenüber den „Hells Angels“ einsetzen. So betonte Joachim Musch (Grüne) als Sprecher des Bauausschusses, dass der Beirat die drei zuständigen Ressorts Wirtschaft, Inneres und Bau auffordern solle, eine solche Prostitutionsstätte in der Bahnhofsvorstadt zu unterbinden. Einen sehr genauen Blick darauf zu haben, sei das beste Gegenmittel.
Kauf von Immobilien durch Kriminelle befürchtet
Auch Dirk Paulmann (CDU) beurteilt die Entwicklung, auch das nähere Umfeld betreffend, als besonders problematisch. Erst jüngst hatte er sich gemeinsam mit seiner Fraktionskollegin Ingrid Kreiser-Saunders im STADTTEIL-KURIER kritisch zur negativen Entwicklung in der unmittelbar angrenzenden Falkenstraße geäußert. Er sieht zudem die Gefahr, dass die Corona-Krise den Ankauf von leer stehenden Immobilien durch organisierte Kriminelle begünstigen könnte. Wie Wolfgang Budde sieht er die Gefahr, dass es im Rotlichtbezirk im Umfeld des Bahnhofes zu Revierkämpfen mit anderen Bordellbetreibern kommen könnte.
Diese Gefahr, die von einer Konzentration von Prostitutionsstätten ausgehen könnte, sieht das Wirtschaftsressort, das geht aus der Anfrage hervor, allerdings nicht. „Ich erinnere nur an die Rocker-Kriege, die sich die „Hells Angels“ schon mit den „Bandidos“ geliefert haben. Sie werden ohne Zweifel Hoheitsansprüche stellen“, warnt Budde.
Astrid Selle hob einen Aspekt hervor, der ihr in der Diskussion immer zu kurz kommt. Die grüne Stadtteil-Parlamentarierin betonte, dass sie den Handel mit der Ware Frau, verbunden mit Ausbeutung und Armutsprostitution als unerträglich empfinde. Es gelte, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um das zu vermeiden. Marlen Schubert, Vorständin bei Nitribitt, der Beratungsstelle für Prostituierte, betonte, dass es für ihre Mitarbeiterinnen ein Anliegen sei, die Frauen, die dort tätig werden würden, zu unterstützen. „Auf die Bordellbetreiber haben wir keinerlei Einfluss“, sagte sie.
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