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Stadtentwicklung in Bremen Streit um Haltestellenverlegung an der Domsheide geht weiter

Der Landesbehindertenbeauftragte Arne Frankenstein will alle rechtlichen Schritte ausschöpfen, um zu erreichen, dass bei einer Umgestaltung der Bremer Domsheide ein Größtmaß an Barrierefreiheit erreicht wird.
13.05.2024, 05:25 Uhr
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Streit um Haltestellenverlegung an der Domsheide geht weiter
Von Sigrid Schuer
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Der Landesbehindertenbeauftragte Arne Frankenstein und sein Amtsvorgänger Joachim Steinbrück, promovierter Jurist und zweiter Vorsitzender des Vereins "Selbstbestimmt leben", reagierten empört auf die Pläne des Senats, im Zuge der geplanten Neugestaltung der Domsheide die Haltestellen vor der Glocke nicht konzentrieren zu wollen. Auf einer eigens anberaumten Sitzung des Beirates Mitte betonten beide, dass sie alle rechtlichen Schritte gegen das Planfeststellungsverfahren ausschöpfen wollen.

Weshalb wählte der Senat diese Variante?

Senatsbaudirektorin Iris Reuther erläuterte aus städtebaulicher Sicht die Vorzüge einer freiraumplanerischen Neugestaltung der Domsheide sowie einer Aufwertung des Vorplatzes des "wichtigen Veranstaltungsortes" Glocke inklusive Begrünung. Sie betonte, dass auch die Rettungssicherheit gewährleistet werden müsse. Um das zu ermöglichen, hatte der Senat im Koalitionsvertrag eine Konzentrierung der Haltestellen direkt vor dem Konzerthaus verworfen. Dirk Kühling, Abteilungsleiter im Wirtschaftsressort und federführend zuständig für die Sanierung des Konzerthauses lieferte ein weiteres Argument: Schließlich erstrecke sich die freiraumplanerische Neugestaltung auch auf das Gebäude der ehemaligen Hauptpost an der Domsheide, das inzwischen von der Stadt gekauft wurde.

Weshalb muss jetzt eine Lösung gefunden werden?

Die Bremer Straßenbahn AG hatte bei der Sanierung und dem Austausch der Weichen an der Domsheide den von Konzerthaus und Publikum vielfach geäußerten Wunsch nach Verlegung von Flüstergleisen, sogenannten Masse-Feder-Systemen, mit in die Planung einbezogen. Laut Andreas Busch von der Verkehrsplanung der BSAG eine Millioneninvestition, die für die folgenden Jahrzehnte Bestand haben müsse. Deshalb müsste für die Haltestellen eine praktikable Lösung gefunden werden, betonte er. In Kürze soll die Erneuerung der Weichen an der Domsheide fortgesetzt werden.

Gibt es eine Alternative?

Laut Busch wurden insgesamt 14 bis 15 Varianten geprüft, von denen die Varianten 2.3. und 5.1. übrig geblieben sind. Von Hilde Kohake aus dem Neuen Hulsberg-Viertel und dem ehemaligen Bremer Stadtplaner Bernhard Lieber wurde eine weitere Variante ins Spiel gebracht: Busch hatte auf die komfortable Umstiegssituation am Dobben und am Theater am Leibnizplatz hingewiesen. Gleiches sei laut Kohake und Lieber auch am Schüsselkorb möglich. Beide plädieren für die Aufwertung der Domsheide und gegen den Bau des von der ehemaligen Mobilitätssenatorin Maike Schaefer (Grüne) ins Spiel gebrachten "Umsteigebahnhofes" (Lieber) vor der Glocke. Beide kritisieren die Varianten 2.3. und 5.1. als schlecht.

Lieber hat einen Kompromiss-Vorschlag in petto: Nach Bewertung aller bisheriger Planungsvorschläge sei nur eine Entflechtung und Entzerrung des Umsteigeknotenpunkts Domsheide der Schlüssel für eine städtebauliche Verbesserung. Dies wäre am einfachsten erreichbar über eine nördliche Umfahrung der Altstadt durch die Linien 2 und 3, nämlich über die Violenstraße, Schüsselkorb, Knochenhauerstraße, Papenstraße, Obernstraße und Hutfilterstraße zum Brill. Die Linien 2 und 3 könnten auf der bestehenden Trasse am Landgericht in die Violenstraße einbiegen, würden die Domsheide also nur tangieren. Die Linien 4, 6 und 8 würden die Domsheide nur queren und ihre Haltebereiche in der Balgebrückstraße könnten problemlos zum Tiefer und der Martinistraße verschoben werden, da ein Umsteigezwang zu den Linien 2 und 3 entfiele. Beide Strecken wären voneinander entkoppelt und der Umsteigeknotenpunkt würde von der Domsheide zum Schüsselkorb verlegt. Dort bestehe ausreichend Platz für einen bequemen Umstieg. Busch erklärte dagegen, dass das die Haltestelle am Schüsselkorb überfordere. Er fügte hinzu, dass der Verkehrsknotenpunkt an der Domsheide der zweitwichtigste nach dem Hauptbahnhof sei. An der Domsheide stiegen pro Tag bis zu 50.000 Menschen aus und ein.

Was wären die Konsequenzen einer Klage?

Wenn ein Prozess angestrengt werde, könne sich die Umgestaltung der Domsheide noch fünf bis acht Jahre in die Länge ziehen, warnte Steinbrück. Die vom Senat favorisierte Variante 2.3., die vorsieht, einen Teil der Haltestellen in die Balgebrückstraße zu verlegen, wird vom Landesbehindertenbeauftragten sowie vom Behindertenparlament, aber auch von der Bremer Seniorenvertretung abgelehnt. Der längste Umstiegsweg von 195 Metern ist in ihren Augen unzumutbar. Sie pochten auf das gesetzlich verbriefte Recht auf Gleichstellung und Barrierefreiheit.

Was sagt der Beirat?

Bis heute eindeutig geblieben ist die Position des Beirates Mitte, der seit Beginn des Bürgerbeteiligungsverfahrens, das 2018 begann, gemeinsam mit den Behinderten-Verbänden für die Variante 5.1. plädierte. Diese Lösung sieht vor, die Haltestellen vor der Glocke zu konzentrieren. Dementsprechend fiel der Beiratsbeschluss aus: Darin heißt es, dass die Verbesserung der Umsteigesituation an der Domsheide für mobilitätseingeschränkte Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, aber auch für alle anderen, für den Beirat höchste Priorität habe. Dem Beirat zufolge hat sich der Umbau des Öffentlichen Nahverkehrs auch an dem Bedarf eines schnellen Umstiegs zwischen den Haltepunkten zu orientieren.

Außerdem regte der Beirat ein Wettbewerbsverfahren zur Gestaltung der Haltestellen und der Platzsituation an der Domsheide an. Hellena Harttung, Sprecherin des Beirates Mitte/Östliche Vorstadt, hatte im Vorfeld eigens mit dem Maßband Hand angelegt, um den möglichen Hinzugewinn von Platz zu erkunden. An der breitesten Stelle vor der Glocke seien es jetzt zwölf Meter, sollte die Variante 5.1. umgesetzt werden, blieben neun Meter vor dem Konzerthaus übrig, sollte die Variante 2.3. umgesetzt werden, wären es 13,50 Meter. Das heißt, die Differenz betrage zwischen den beiden Varianten 4,50 Meter. An der schmalsten Stelle vor dem Konzerthaus fällt die Differenz weniger ins Gewicht, gegenwärtig sind das 3,50 Meter, in der Variante 2.3. wären es 8,30 Meter und in der vom Beirat favorisierten Variante 7,30 Meter.

Wie geht es nun weiter?

Senatsbaudirektorin Iris Reuther und Abteilungsleiter Dirk Kühling signalisierten Gesprächsbereitschaft. Sie ließen verlauten, dass nur im gemeinsamen Dialog eine Kompromisslösung entwickelt werden könne.

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