"Meine Großmutter war eine mutige und starke Frau, sie war Frauenrechtlerin und eine engagierte Kämpferin gegen die Tradition der Beschneidung von Mädchen", erzählt die aus Gambia stammende Binta Bah. Sie kam mit 15 Jahren nach Bremen, um Asyl zu beantragen, und lebt jetzt in Findorff. Und da ihre Großmutter aus dem Ort Lundu in Guinea stammt, nannte sie ihr zu Ehren den deutsch-afrikanischen Verein, den sie vor zwei Jahren mit ihrer Freundin Faith Soila Toniok gründete Lundu e.V..
Was sind die Ziele des Vereins Lundu?
Ihr Ziel: Interkultureller Austausch, damit Bremer und Afrikaner, aber auch Angehörige anderer Kulturen, einander besser kennen und verstehen lernen. Soila Toniok, die seit rund zehn Jahren in Deutschland und jetzt in Lilienthal lebt, stammt ursprünglich aus Kenia. Wie wichtig etwa der Austausch zwischen der deutschen und afrikanischen Kultur sein kann, um Missverständnissen vorzubeugen weiß die studierte Sozialpädagogin und Erzieherin, die mit geflüchteten, traumatisierten Jugendlichen, Frauen und Kindern arbeitet. Bah und Toniok wollen ein Tabu brechen, das oft immer noch totgeschwiegen wird: die Genitalverstümmelung von Mädchen. Die weltweit davon betroffenen jungen Frauen haben oft keine Lobby.
Wie wurde die weibliche Genitalverstümmelung bekannt?
Das damalige somalische Top Model Waris Dirie, die mit fünf Jahren selbst Opfer dieser brutalen Beschneidungspraxis wurde, war die Erste, die mutig genug war, vor der UNO-Generalversammlung über die Auswirkungen zu berichten. Ihre Geschichte beschrieb Dirie in ihrem autobiografischen Buch "Wüstenblume", das später auch verfilmt wurde. Zum ersten Mal wurde einer breiteren Öffentlichkeit vor Augen geführt, welche vernichtende Wirkung diese brutalen Eingriffe auf das Leben von Frauen haben.
Bis heute kämpft die Menschenrechtsaktivistin Waris Dirie als UN-Sonderbotschafterin gegen die weibliche Genitalverstümmelung. Einem Ziel, dem sich nun auch Binta Bah und Faith Soila Toniok verschrieben haben. Da das Engagement von Europäerinnen gegen die weibliche Genitalverstümmelung in Afrika oft als bevormundend wahrgenommen wird, wollen Bah und Toniok bei diesem heiklen Thema auf Augenhöhe vermitteln. "Wir wollen mit dem Projekt 'Sunshine' beispielsweise darauf hinwirken, dass die Mädchen bis zum Alter von 18 Jahren nicht zwangsverheiratet werden, sondern eine Schule besuchen und dann selbstbestimmt die Entscheidung treffen können, ob sie beschnitten werden wollen oder nicht. Und wir wollen sie dabei auch finanziell unterstützen und suchen auch in Bremen Paten, die dafür 20 Euro aufwärts monatlich spenden", sagt Bah.
Wie kann Genitalverstümmelung verhindert werden?
Als Insiderinnen wissen die beiden Vorstandsmitglieder nur zu gut, dass es auch in Bremen eine Beschneiderinnenszene gibt, wie sie berichten. Die Prozedur steht in Deutschland unter Strafe. Wenn die kleinen Mädchen von ihren Müttern mit auf Heimaturlaub genommen werden sei die Gefahr groß, dass sie von einem Familienmitglied entführt und zu einer Beschneiderin gebracht werden würden, schildert Toniok. Um das zu verhindern gebe es inzwischen in verschiedenen Sprachen verfasste Schutzbriefe der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, in denen rechtliche Konsequenzen angekündigt werden. Das könnte vielen Müttern helfen, sagt Bah. Die kulturelle Tradition der Beschneidung werde von den verschiedenen afrikanischen Staaten unterschiedlich gehandhabt, mal sei sie mehr, mal weniger verbreitet, erzählt die Vereinsvorsitzende Binta Bah.
Welche Rollen spielen die Männer?
Eines steht für die beiden Vorstandsmitglieder fest: Der Schlüssel für die Aufklärung liegt bei den Männern, auch bei den männlichen Jugendlichen. Denn als Hauptargument für die weibliche Genitalverstümmelung wird oft angeführt, dass unbeschnittene Mädchen keine Chancen auf dem Heiratsmarkt hätten. In Gambia seien beispielsweise schon mehr Männer als Frauen gegen die Beschneidung von Mädchen, berichtet Bah. Das sei wichtig, denn sie hätten viel Einfluss auf die Gesellschaft. Auch habe sich unter den jungen Männern inzwischen herumgesprochen, dass sie mit einer unbeschnittenen Partnerin eine erfülltere Sexualität, die nicht mit Angst besetzt ist, erleben könnten, sagen die Afrikanerinnen. Die Menschenrechtsaktivistinnen setzen aber auch auf Aufklärung an Bremer Schulen, damit Mädchen im Fall der Fälle wissen, wohin sie sich wenden können. Und sie vermitteln Kontakte zu einem Bremer Arzt, der die gravierenden Beschädigungen, die bei der weiblichen Genitalverstümmelung entstehen, wieder operativ rekonstruieren kann.
Was macht der Verein sonst noch?
Bah und Toniok wollen aber auch in anderer Hinsicht als Lotsinnen für ihre Landsleute beratend tätig sein. So stehen sie alleinerziehenden Müttern oder Vätern mit und ohne Migrationshintergrund beratend zur Seite, damit sie sich im bürokratischen Behördendschungel in allen Lebensbereichen zurechtfinden lernen. Der Verein vermittelt beispielsweise auch Juristen und Übersetzer. Zudem werden einmal pro Monat Fachvorträge von Experten veranstaltet. So hielt Binta Bah als gelernte Kauffrau für Büromanagement selbst einen Vortrag über die möglichen Fallstricke des "Waren- und Dienstleistungskaufes".