Hellena Harttung, Leiterin des Ortsamtes Mitte/Östliche Vorstadt, eröffnete die Sitzung des Beirates Mitte mit einem Hilfs-Appell für Geflüchtete aus der Ukraine und mit der Bitte, ihnen ein Dach über dem Kopf zur Verfügung zu stellen und für sie zu spenden. "Die dramatischen Entwicklungen in der Ukraine stellen gerade vieles in den Schatten", sagte Harttung.
Am Ende der Sitzung war Harttung sich mit den Beiratsmitgliedern einig, dass es aus der virtuellen Sitzung nur Erfreuliches für die Entwicklung der Bremer Innenstadt zu berichten gab. Denn mit der von Investor Christian Jacobs angeschobenen Entwicklung des Balge-Quartiers soll es nun zügig vorangehen. Sollte alles gut gehen, könnte das Stadtentwicklungs-Projekt inklusive Stadtwaage, Kontorhaus und Johann-Jacobs-Haus schon Ende 2024 fertiggestellt sein.
Viel Gehirnschmalz investiert
"Wir wollen ausdrücklich einen Kontrapunkt zur Überseestadt setzen", betonte Jean-Jacques de Chapeaurouge, Geschäftsführer der Hanseatischen Projektentwicklung GmbH. Vorgestellt wurde der vorhabenbezogene und weiter entwickelte Bebauungsplan 155 zur Errichtung eines Büro- und Geschäftshauses in der Langenstraße 15-21, das sogenannte neue Essighaus. Vorgesehen sind vier Vollgeschosse und darüber noch einmal abgestaffelt zwei Vollgeschosse, um einer Verschattung der angrenzenden Gebäude vorzubeugen. Mindestens 130 Quadratmeter der Dachfläche soll mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet werden, auch eine Begrünung ist vorgesehen. Integriert in das oberste Geschoss werden soll, wie auch bereits im benachbarten Johann-Jacobs-Haus, die Haustechnik.
Das Basler Architekten-Team Miller/Maranta hat seinen Entwurf der dreigliedrigen Fassade seit 2018 in enger Abstimmung mit Landesdenkmalschützer Georg Skalecki mehrfach überarbeitet und nun wurde die endgültige Version präsentiert, in die noch einmal viel "Gehirnschmalz" investiert worden sei, betonte de Chapeaurouge. Von dem historischen Interieur des Gebäudes soll möglichst viel erhalten bleiben und wiederverwendet werden, wie der Torbogen und die denkmalgeschützten Renaissance-Säulen. Auch die historische Essighaushalle soll wiederhergestellt werden. Gleiches gilt für die Erhaltung des historischen Nordausganges. Gegenüber dem Entwurf von 2018 ist das Gebäude insgesamt zwei Meter niedriger.
Keine historische Renaissance-Fassade
Schon bald nach dem ersten Entwurf habe sich das Architekten-Team von der ursprünglich anvisierten Version einer detailgenauen Rekonstruktion der 400 Jahre alten Renaissance-Fassade im Stil Antwerpener Patrizierhäuser verabschiedet. Begründung: Die Architekten hätten keine Disney-World aufbauen wollen. Das war noch vor rund einem halben Jahr von Dirk Paulmann (CDU) auf einer Beiratssitzung moniert worden. Entsprechende Kritik äußerte jetzt auch Mario Renzelmann als externer Teilnehmer der Sitzung und fragte noch einmal nach, ob es nicht doch noch die Möglichkeit zu einer Veränderung in Richtung Rekonstruktion der historischen Fassade geben könne. Dem erteilte de Chapeaurouge eine klare Absage: "Wir sind froh, wenn wir das Projekt, so wie es jetzt ist, überhaupt realisieren können" und verwies auf die klaffende Finanzierungslücke von fast zwei Millionen Euro, die nicht zuletzt durch den Förderstopp der Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau durch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck entstanden sei. Die Baukosten explodierten, auch bedingt durch die internationalen Krisen tagtäglich. "Andere Städte werden das so wohl künftig nicht mehr realisieren können", resümierte de Chapeaurouge.
Keine Wohneinheiten geplant
Die Beiratsmitglieder zeigten sich allesamt angetan von dem finalisierten Architekten-Entwurf, auch Dirk Paulmann. In dem Gebäude ganz links soll in hellem Sandsteinton das ursprüngliche Relief des Essighauses quasi als Abdruck der Geschichte wieder auferstehen. Die historischen Utluchten im Erdgeschoss, also Vorsprünge mit Fenstern, sollen in der darüber liegenden Etage fortgesetzt werden. Die beiden anderen, modernen Backsteingebäude sind von unterschiedlicher Helligkeit, Oberflächenstruktur und Größe. Sie seien an den Bauhaus-Expressionismus der 1920er-Jahre angelehnt, so de Chapeaurouge.
Alle Gebäude sind barrierefrei zugänglich. Der Giebel der ehemaligen Sonnenapotheke, die einmal in der Sögestraße gestanden hatte, soll nun die Gebäudeseite zieren, die zum Jacobs-Hof hin liegt. Einziger Wermutstropfen für die Beiratsmitglieder: Dass in den Gebäuden kein Wohnraum geschaffen wird. Vorgesehen ist ein Mix aus Handel, Gastronomie und Büros. Chapeaurouge entgegnete, dass die Schaffung von Wohnraum in der Innenstadt schon eine Sache für sich sei. Und Melanie Landahl, Geschäftsführerin der Hanseatischen Grundinvest und in der Jacobs Gruppe für das Balge-Quartier zuständig, fügte hinzu: Wenn man Wohnraum zu bezahlbaren Preisen hätte anbieten wollen, wäre das unter den momentanen Bedingungen nicht realisierbar gewesen. Geplant sei jedoch, weiter an dem Thema dran zubleiben. Durch das dreigliedrige Gebäude soll der gesamte Stadtraum aufgewertet werden. Melanie Landahl hofft, dass eine Interessengemeinschaft mit anderen Eigentümern für die Gestaltung des öffentlichen Raumes im Quartier gebildet werden kann. Chapeaurouge spricht in diesem Zusammenhang von einem ersten Schritt hin zur Wiedergeburt der Innenstadt.