Beim Hochwasserschutz kommen auf das Land Bremen deutlich höhere Kosten zu. Das ist einem Papier der Umweltbehörde zu entnehmen, mit dem sich der Senat an diesem Dienstag beschäftigen wird. Einige Projekte zur Erhöhung und Verstärkung der Deichlinie werden sich zudem wohl verzögern. Grundlage des derzeit laufenden Deichbauprogramms ist der Generalplan Küstenschutz (GPK) für ganz Norddeutschland. Er stammt aus dem Jahr 2007.
Seit 2009 wurden in Bremen und Bremerhaven gut 26 Kilometer Deichlinie erhöht und verstärkt. Bis Ende 2020 kommen voraussichtlich weitere 1,1 Kilometer hinzu. Vor drei Jahren war der Senat bei Abschätzung der Gesamtkosten des GPK auf Bremer Gebiet von 279 Millionen ausgegangen. Dieser Kostenrahmen – so viel ist klar – lässt sich nicht mehr halten. Aktuell gehen die Planer von etwa 346 Millionen Euro für die Abwicklung aller Projekte aus, deren zeitliche Perspektive bis 2035 reicht.
Die Fachleute der Umweltbehörde nennen für den Kostensprung eine ganze Reihe von Gründen. Neben der allgemeinen Preisentwicklung in der Bauwirtschaft sind das unter anderem veränderte Erkenntnisse über das jeweilige Gelände, die notwendigen Massen an Baumaterial, die Standsicherheit der vorhandenen Deiche sowie die Beseitigung von Altlasten. Ein extremer Ausreißer nach oben ist offenbar der Abschnitt auf dem Gelände der früheren Bremer Wollkämmerei in Blumenthal.
Die Planungen sehen dort vor, dass die vorhandene Hochwasserschutzlinie landeinwärts ein Stück zurückgenommen wird, damit außendeichs ein bis zu acht Meter breiter Fuß- und Radweg angelegt werden kann. Er soll die Grünbereiche Bahrsplate und Wätjens Park verbinden. Auf Projektkosten von 12,5 Millionen Euro war dieser Bereich ursprünglich veranschlagt, wobei sich der Bremer Anteil auf gut 920 000 Euro belaufen hätte (Rest Bundesmittel). 19,4 Millionen sind es inzwischen, der Bremer Anteil beläuft sich auf gut 1,4 Millionen Euro.
Deichverband gibt Planung ab
Ähnliche Dimensionen deuten sich für den Bereich der sogenannten Stadtstrecke zwischen Stephanibrücke und Piepe an, der auch wegen der angekündigten Fällung von über 130 Platanen heftig umstritten ist. Weil die Planungen nach Darstellung der Umweltbehörde immer komplexer werden, übernimmt sie die Projektträgerschaft vom Deichverband am linken Weserufer, sobald es um die konkrete Entwurfsplanung geht. „Im Rahmen von Planungskonkretisierungen auch aufgrund der diversen kommunalen Belange und Vorgaben deuten sich erhebliche Mehrkosten an“, heißt es in dem Senatspapier. Handfeste Zahlen werden dort noch nicht genannt.
Wegen der Kostensteigerungen in der gesamten Palette der Küstenschutzprojekte wird der Senat aber voraussichtlich schon an diesem Dienstag eine zusätzliche Finanzierungsverpflichtung von rund 24 Millionen Euro für den Zeitraum bis 2024 eingehen. Außerdem sollen siebeneinhalb neue Planstellen zur Betreuung der GPK-Vorhaben in der Umweltbehörde eingerichtet werden. Während Bremen und die anderen Nordländer diverse Projekte zur Erhöhung der Deichlinie in der Mache haben, zeichnet sich bereits eine grundlegende Überarbeitung des Generalplans Küstenschutz und damit eine abermalige Kraftanstrengung bei der Erhöhung der Deichlinie ab.
Auslöser ist ein Sonderbericht des Weltklimarates (IPCC) aus dem September vergangenen Jahres. Darin wird ein noch stärkerer Anstieg des Meeresspiegels bis zum Ende des Jahrhunderts vorhergesagt als bei der Prognose aus dem Jahr 2013. Die Bundesregierung und die Länder haben sich inzwischen darauf verständigt, aus den Rechenmodellen des IPCC ein Szenario zur Grundlage des deutschen Küstenschutzes zu machen, das von einem Meeresspiegelanstieg zwischen 61 und 110 Zentimetern gegenüber dem Jahr 2000 ausgeht.
„Im Sinne eines vorsorgenden Küstenschutzes ist es gängige Praxis, den voraussichtlichen Meeresspiegelanstieg für die nächsten 100 Jahre zu verwenden“, heißt es in dem Senatspapier. „Eine Projektion aus heutiger Sicht auf das Jahr 2120 würde bei Berücksichtigung des Szenarios (...) einen Anstieg der Wasserstände von rund einem Meter bedeuten.“ Der Leitgedanke des Generalplans Küstenschutz aus dem Jahr 2007 war die Erhöhung der gesamten Deichlinie um 0,5 Meter.
Dies würde also nicht mehr ausreichen. Für das Umweltressort von Senatorin Maike Schaefer (Grüne) sind die Folgen klar. Der Generalplan müsse „gemeinsam mit dem Land Niedersachsen aktualisiert und neu aufgelegt werden“. Und das hat Konsequenzen für die Bremer Haushalte der nächsten Jahrzehnte, auch wenn der Bund den größten Teil der Kosten übernimmt. In dem Papier heißt es dazu: „Die bei der Ertüchtigung der Küstenschutzanlagen anzuwendenden baulichen Anforderungen und damit einhergehend auch der Finanzierungsbedarf werden sich signifikant erhöhen.“