Am Brill war die Stadt zu Ende. Dort stand die Mauer, an der es nicht mehr weiterging. Lange her, Mittelalter, erwähnen muss man es trotzdem, denn wie lässt sich sonst erklären, woher der Name kommt? Brill bedeutete damals so viel wie Loch oder Öffnung, die Stadtmauer hatte an der Stelle eine Pforte.
Am Brill ist die Stadt zu Ende. Jedenfalls ihr Kern, und das wird von vielen beklagt. Die Anbindung zwischen City und Stephaniviertel funktioniert nicht; der Brill, diese große Kreuzung, auf die vierspurige Fahrbahnen zulaufen, wirkt wie eine Barriere. Jetzt aber gibt es parallel zwei Entwicklungen, die dieses Problem beseitigen könnten.
Die Martinistraße wird zurückgebaut und künftig nur noch zwei Spuren haben, sie bekommt außerdem Tempo 30 und viel Platz für Radfahrer. Für die Bürgermeister-Smidt-Straße gibt es ähnliche Gedankenspiele, die CDU hatte sogar mal gefordert, sie zwischen der Martinistraße und dem Wall für den Autoverkehr zu sperren – konkret sind die Pläne aber noch nicht.
Den zweiten Schub verspricht sich der Senat von der Entwicklung des ehemaligen Sparkassengeländes. Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) spricht von einer „historischen Chance“, er will bis zu 8000 Studierende der Universität auf das elf Hektar große Areal holen.
Aus der denkmalgeschützten Kassenhalle mit seinen vielen Anbauten und einem Innenhof könnte ein großer Campus werden. Die neuen Eigentümer, das Brüderpaar Samuel und Pinchas Schapira aus Israel, haben bereits entsprechende Pläne zeichnen lassen, sehr grob nur, aber die Richtung ist klar. Mit den Studierenden würde viel Frequenz an den Ort kommen, junges, quirliges Leben, das auf die angrenzenden Gebiete ausstrahlt – eben auch auf den Brill, der dann nicht mehr nur ein Verkehrsknotenpunkt wäre, sondern ein Platz mit urbanem Flair.
Vor drei Jahren hatte Jochen Zimmermann, Dekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften an der Uni, seinen Finger für das Sparkassengelände gehoben. Ihm schwebte eine „Business School Bremen“ vor, ein Gemeinschaftsprojekt mit der Hochschule. Zimmermann wurde vom damaligen Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) scharf zurückgepfiffen und bekam auch von seiner Universität keine Unterstützung. Nun sind die Zeiten offenbar andere geworden und geben solchen Ideen Aufwind.
Spektakulär war die Etappe zwischen dem früheren und dem aktuellen Vorhaben der Wissenschaft. Die Schapiras hatten den New Yorker Star-Architekten Daniel Libeskind aus dem Hut gezaubert. Er wollte die Fläche am Brill leer räumen und nur die Kassenhalle verschonen. Entstanden wären vier Türme, der höchste hätte mit seinen 100 Metern das Maß des Doms erreicht. Die Baubehörde stellte sich von Anfang gegen die Pläne, sie seien wegen ihres Volumens an der Stelle schlicht unverträglich. Und so bleiben die Libeskind-Skizzen ein funkelndes, aber nie verwirklichtes Kapitel in der Geschichte des Brills.
Schräg gegenüber vom ehemaligen Sparkassengebäude steht ein Haus, das nach dem Umbau seit 2008 ein modernes, gläsernes Antlitz hat. Früher war das die Kaufhalle. Sie hat bei der 17 Millionen Euro teuren Sanierung unter anderem ein riesiges Atrium bekommen. Am Brill ist das ein Hingucker, auch wegen des Fitnessstudios unter dem Atrium, wo die Menschen vor Beginn der Pandemie ihr Training an den großen Fenstern quasi in aller Öffentlichkeit absolvierten.
Nicht mehr direkt an der Kreuzung, aber nur einen Steinwurf entfernt, harrt das Quartier vor dem Telekom-Turm seit Jahrzehnten der Entwicklung. Der frühere Senatsbaudirektor Franz-Josef Höing hatte das Gebiet mal als „ausgeleiertes Gebiss“ bezeichnet. Vor zehn Jahren wollte er dort rund 100 Wohnungen und einige Gebäude für Büros bauen lassen. Es gab dazu einen Wettbewerb. Passiert ist aber nichts.
Für den vorderen Teil der Flächen bahnt sich ein Fortschritt an. Der neue Eigentümer, die Bremer Projektentwicklungsgesellschaft Dawedeit, will im Sommer auf beiden Seiten der Ölmühlenstraße mit dem Bau von zwei mehrgeschossigen Gebäuden beginnen. Die Mietfläche beträgt nach Angaben von Dawedeit 4600 Quadratmeter. Die Pläne von Höing wären damit endgültig beerdigt. Er wollte das Grundstück neben der ehemaligen Drogerie Zinke unbebaut lassen und den „Zinke-Platz“ als großzügigen Eingang zum neuen Wohnquartier nutzen. Das Drogeriegebäude, früher ein Kapitänshaus, steht unter Denkmalschutz. Der Bau stammt aus dem Jahr 1790 und ist nach Darstellung der Denkmalbehörde eine Mischung aus Barock und Rokoko.