Madame Bluteau, vier Jahre liegen hinter Ihnen als Direktorin des Institut francais, es waren besondere Jahre, die sehr durch die Corona-Lockdowns geprägt waren. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Im Januar/Februar 2020 hatten wir hier noch den Themenschwerpunkt zu "Erinnerungen". Dann kam der erste Lockdown und es wurde plötzlich sehr still in unserem sonst so lebendigen Haus. Aber wir haben zwei Podcasts zur Corona-Pandemie aufgenommen, zu den Themen Impfpflicht und Kinder. Der eine ist bereits auf unserer Homepage abrufbar. Außerdem haben wir dann die Zeit genutzt, um das Institut gründlich zu renovieren und den Garten neu anzulegen, mit finanzieller Unterstützung des Auswärtigen Amtes in Frankreich. Die Programmplanung gestaltete sich durch die vielen Änderungen, die die Pandemie mit sich brachte, lange ziemlich chaotisch, das kennen ja andere Kulturinstitutionen auch. Trotzdem sind es schöne, bereichernde Jahre gewesen, die wie im Flug vergangen sind. Ich gehe mit einem guten Gefühl, in der Gewissheit, dass das Haus gut aufgestellt ist.
Und jetzt am Dienstag steht eine der größten Veranstaltungen des Institut an, die Fete de la Musique, die ein Stück weit Sommerleichtigkeit in die Stadt bringt?
Ja, wir sind nach der coronabedingten Pause sehr gespannt, ob die Bremerinnen und Bremer wissen, dass es die Fete noch gibt, die ja seit 40 Jahren existiert. Schon immer sind viele Menschen zu diesem Ereignis zu uns gekommen und wir haben, denke ich, ein schönes, vielfältiges Programm zusammengestellt. (Programm im Infokasten, Anmerkung der Redaktion).
Als Sie dann nicht mehr durch die Corona-Pandemie ausgebremst wurden, sind Sie ja im Herbst 2021 mit einem sehr ambitionierten, hochkarätig besetzten Programm wieder durchgestartet, erst am vergangenen Donnerstag war die renommierte Politikwissenschaftlerin Antonia Grunenberg im Institut zu Gast...
Ja, wir haben zusammen aus ihrem gerade erschienenen historischen Roman "Walter et Asja" gelesen, über die Leidenschaft zwischen der russischen Intellektuellen Asja Lacis und dem Philosophen Walter Benjamin. Lacis hat im übrigen auch Bert Brecht stark beeinflusst...
Und in einer weiteren Kooperation mit dem Hannah Arendt Verein haben Sie Ende Mai zu dem Diskussions-Forum "(Über-)Leben und das Versprechen der Freiheit. Nation - Imperium- Zivilgesellschaft" Hannah-Arendt-Preisträgerinnen ins Institut geladen. Nicht nur damit waren Sie am Puls der Zeit, sondern auch mit der Ausstellung der verfilmten, internationalen Prozesse gegen Kriegsverbrecher, die, im Hinblick auf den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine geradezu prophetisch war.
Wir haben Ausschnitte aus den Nürnberger Prozessen gegen ranghohe Nationalsozialisten gezeigt und aus den Prozessen gegen Adolf Eichmann und Klaus Barbie, aber auch aus dem gegen die Pinochet Diktatur in Chile oder denen gegen die Verantwortlichen des Völkermordes an den Tutsi in Ruanda. Zu uns sind viele Studierende und Schulklassen gekommen. Auch der Prozess gegen Maurice Papon wurde gezeigt, der im Zweiten Weltkrieg die Deportation von Juden unterstützt hat, später Präfekt von Paris war und 1961 auch für das an algerischen Demonstrierenden verübte Massaker von Paris verantwortlich war.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat ja davon gesprochen, dass dieses 'Staatsverbrechen unverzeihlich' sei. Ist der Algerienkrieg immer noch eine offene Wunde in der französischen Geschichte? Sie haben Algerien ja einen weiteren Schwerpunkt Ihrer Arbeit gewidmet. Weshalb ist Ihnen dieses Thema so wichtig?
Das Thema Algerien, das ja von Frankreich immerhin 130 Jahre kolonisiert und ein Stück Frankreich mit drei Départements wurde, ist im Geschichtsunterricht an französischen Schulen völlig unterrepräsentiert. Vom Algerien-Krieg wurde lange Zeit nur als 'Algeriens Ereignisse' gesprochen. Insofern hat Macron den richtigen Schritt gemacht. Mir war es ein Anliegen, 60 Jahre nach dem Abkommen von Evian und dem Ende des Algerien-Krieges, dessen Problematik bis heute nachwirkt, die besondere Kultur und Geschichte dieses Landes aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Meines Erachtens wäre es wichtig, wie der Historiker Benjamin Stora empfiehlt, ein algerisch-französisches Geschichtsbuch aufzulegen, so wie es auch ein deutsch-französisches gibt. Im Zeichen der Aussöhnung, damit künftige Generationen nicht wieder dieselben Fehler machen. Es muss doch um ein respektvolles Miteinander gehen. Und dass das funktioniert, zeigt die deutsch-französische Freundschaft.
Schon im Algerien-Schwerpunkt schien der Aspekt des architektonischen Klimaschutzes auf, so wie er in dem Dorf Guelaa erfolgreich praktiziert wird. Klimaschutz und die Zukunft der Erde sind weitere Themen, die Ihnen am Herzen liegen, auch dazu wird es jetzt noch Veranstaltungen geben, oder?
Ja, am Freitag, 24. Juni, ab 16 Uhr, veranstalten wir in Kooperation mit der Hochschule für Künste in Ottersberg bei freiem Eintritt eine Tagung 'Zur Aktualität einer Intelligenz der Natur' mit der Wiederentdeckung des französischen Autoren André Dhotel. Die von ihm propagierte, neue Begegnung mit der Natur ist insofern auch eine Reaktion auf das Zeitalter des Anthropozäns, in dem der Mensch einer der wichtigsten Einflussfaktoren auf die Entwicklungsprozesse der Erde geworden ist. Damit setzen sich auch die Fotografien von fünf jungen, europäischen Künstlern auseinander, die wir ab dem 7. September bis in den Oktober hinein unter dem Titel 'Nature Future' zeigen.