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Projekt „Sicherer und sauberer Hauptbahnhof“ Polizei startet Video-Überwachung

Ab sofort filmt die Bremer Polizei in der Bahnhofsstraße, um so gegen das Dealen vorzugehen. Die verstärkte Präsenz der Beamten hat aber auch zur Folge, dass sich Kriminelle und Obdachlose andere Orte suchen.
10.10.2018, 05:17 Uhr
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Von Nina Willborn und Maren Brandstätter

Sicherer, aufgeräumter, sauberer: Die Bremer würden den Platz vor dem Bahnhof schon bald nicht mehr wiedererkennen, so angenehm werde es dort, hatte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) den „Neustart am Hauptbahnhof“ beschrieben. Seit Mitte September werden schon verschiedene Punkte der Maßnahme umgesetzt. Vor allem die Polizei ist seit Monaten deutlich sichtbarer und geht härter gegen Kriminelle, Trinker und Wildpinkler vor. Ab November greift dann das neue Lichtkonzept, mit dem bei Bedarf auch schummerige Ecken des Bahnhofsvorplatzes bei Bedarf ausgeleuchtet werden können, ab Januar überwachen hochauflösende Videokameras den gesamten Bereich.

Die verstärkte Präsenz der Polizei vor dem Bahnhof hat aber auch zur Folge, dass Diebe und Dealer ausweichen – in die Straßen umzu, vor allem in die Bahnhofsstraße, aber auch in Richtung Hillmannplatz, Herdentor und Falkenstraße. Deshalb gehen die Ermittler jetzt auch dort gegen die Kriminellen vor. Vor allem in der Bahnhofsstraße wird ab sofort an unterschiedlichen Tagen eine mobile Videoüberwachung mit einem speziell gekennzeichneten Fahrzeug eingesetzt.

Die Maßnahme soll laut Polizei als präventiver Einsatz zur Bekämpfung der Straßenkriminalität dienen. Innensenator Mäurer: „Die Videoüberwachung ist eine Maßnahme des Konzepts für mehr Sauberkeit, Sicherheit und Aufenthaltsqualität am Bahnhof. Ich möchte den Bahnhof zu einem sicheren Ort gestalten, an dem sich Bürgerinnen und Bürger gern aufhalten. Gleichzeitig signalisieren wir den Straftätern, dass der Bahnhof kein rechtsfreier Raum ist.“

Nicht nur die Dealer, auch Drogen-Konsumenten und Obdachlose fühlen sich aufgrund des neuen Sicherheitskonzepts zunehmend unwohl am Hauptbahnhof. Das bestätigen Mitarbeiter von Einrichtungen, die sich um diese Klientel kümmert. Cornelia Barth, Sozialarbeiterin bei der Comeback GmbH, beobachtet, dass in ihrer Einrichtung „spätestens ab Mittag“ in letzter Zeit weniger los ist. In die ambulanten Drogenhilfe kommen täglich durchschnittlich 120 Menschen, um sich zu unterschiedlichen Themen Rat zu holen oder anonym Spritzen zu tauschen, manche mehrfach am Tag. Insgesamt erreicht das Comeback-Angebot nach Barths Angaben mehr als 1050 Abhängige. „Einige Leute, die normalerweise zwei oder drei Mal am Tag zu uns kommen, bleiben nach dem ersten Mal weg. Wir hören auch oft, dass die Klienten sagen, dass das Klima untereinander rauer wird“, erzählt Barth.

Bertold Reetz, bei der Inneren Mission Leiter der Abteilung Übergangswohnheime und Notunterkünfte, kennt die Probleme der Obdachlosen gut. Auch er bestätigt, dass eine Art Verschiebung eingesetzt hat. „Vor dem Überseemuseum gibt es schon einen neuen Treffpunkt“, sagt er. Auch in den Innenhof des Siemens-Hochhauses, ins Café Papagei, kommen nach seinen Schätzungen regelmäßig 70 bis 80 Menschen, die früher dort nicht anzutreffen waren. „Man kann schon sagen, dass diese Klientel im Moment verdrängt wird“, sagt er.

Die Obdachlosen weichen in die angrenzenden Stadtteile, aber auch bis nach Horn-Lehe aus. Dort suchten sie zum Beispiel auf dem Gelände der Horner Kirche Zuflucht – was in einigen Fällen von psychisch Kranken für Ärger wegen nächtlicher Ruhestörung gesorgt hat. Reetz: „Die Obdachlosen können sich ja nicht auflösen. Die Menschen und ihre Probleme bleiben.“ In Horn-Lehe wird jetzt ein runder Tisch auch mit den Vertretern der Behörden geplant (wir berichteten).

Die Menschen ohne festen Wohnsitz dauerhaft vom Hauptbahnhof fernzuhalten, ist allerdings gar nicht das Ziel der „Partnerschaft attraktiver Bahnhof“, in der neben der Polizei auch die BSAG, die Innen-, Sozial-, Bau- und Wirtschaftsressorts sowie viele Vereine und Organisationen zusammenarbeiten. „Die Menschen am Rande der Gesellschaft sollen nicht verjagt werden“, sagt Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin des Innensenators. Auch Mäurer hatte bei der Vorstellung des Projekts betont, dass sich jeder, der sich ordentlich verhalte, natürlich willkommen sei, sich stundenlang und regelmäßig am Bahnhof aufzuhalten.

Zu den Hilfsangeboten, die es in Zukunft geben soll, gehört auch ein neuer Unterstand mit Waschgelegenheit und behindertengerechter Toilette für Obdachlose, Bettler und Alkoholabhängige. Er ist neben dem Intercity-Hotel am Gustav-Deetjen-Tunnel geplant, wird aber voraussichtlich erst im kommenden Jahr gebaut. „Die Baugenehmigung liegt vor“, sagt Reetz. „Unser Wunsch ist, so schnell wie möglich zu beginnen, realistisch ist es aber wohl eher im Januar oder Februar.“ Zwischenzeitlich fehlende Gelder für den Bau in Höhe von 120 000 Euro sind laut Reetz inzwischen von der Stadt als Sondermittel bewilligt.

Ihre eigenen Unterschlupfe haben vor allem Menschen aus Osteuropa am Güterbahnhof gebaut. Das Problem für die Mitarbeiter der Inneren Mission und anderer Hilfseinrichtungen ist, dass sie rechtlich keinen Anspruch auf Unterbringung haben. Ursprünglich war angedacht, die Fläche räumen zu lassen. „Wir haben empfohlen, sie dort zu dulden“, sagt Reetz. Dort sollen nun Sozialarbeiter mit den Bewohnern zusammenarbeiten.

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