Das Bundesland muss eine ordentliche Portion Sonne tanken. Bremens rot-grün-rotes Regierungsbündnis hat sich darauf geeinigt, dass Solardächer bei jedem Neubau zur Pflicht werden. Noch vor der Sommerpause soll die Bremische Bürgerschaft in der kommenden Woche einen entsprechenden Dringlichkeitsantrag beschließen. Mit einem dazugehörigen Landesprogramm mit dem Titel „Solar Cities Bremen und Bremerhaven“ soll der Ausbau der Solarenergienutzung im Land Bremen stark und sozial verträglich beschleunigt werden. Dem Antrag ging intern eine kontroverse Debatte unter den Regierungspartnern voraus, die sich bei einigen Punkten nur schwer abstimmen konnten. Einen ersten Vorstoß der Grünen im Herbst 2019 hatte die SPD noch gestoppt.
Mit dem nach etwa neun Monaten gefundenen Kompromiss kann das Dreierbündnis nun offenbar leben. „Das ist ein guter und großer Schritt für die Solarenergie und wird der Energiewende einen Schwung geben“, sagt Philipp Bruck, Sprecher für Energie und Klimaschutz bei den Grünen, der das Vorhaben initiierte und den Antrag schrieb.
Die Bürgerschaft soll unter anderem beschließen, dass bei allen zukünftigen Neubauten in Bremen geeignete Flächen mit Photovoltaik (PV) ausgestattet werden. In einem zweiten Schritt soll dies auch bei Bestandsgebäuden der Fall sein, wenn das Dach vollständig erneuert wird. Genau dies war der Streitpunkt zwischen Rot-Grün-Rot: Wollten die Grünen die Vorschrift noch ohne Einschränkungen umsetzen, plädierten die Sozialdemokraten und Linken für einige Einschränkungen. Geeinigt haben sich die Parteien nun auf den Zusatz, dass bei dieser PV-Pflicht berücksichtigt wird, ob ein Solardach dem Bauherren wirtschaftlich zuzumuten ist, die technischen Möglichkeiten gegeben sind und ob es bestehende öffentlich-rechtliche Verpflichtungen gibt. Zudem soll stets ein entsprechendes Dialogverfahren geführt und Fördermöglichkeiten geprüft werden.
„Es gab eine lange Debatte, in welcher Form wir das umsetzen“, sagt Arno Gottschalk (SPD). Im Kern sei es darum gegangen, inwieweit Privatpersonen bei einem Neubau belastet werden können und die Pflicht im Bestand angewendet werden kann. „Aus einem ökologischen Vorteil muss aber auch ein ökonomischer werden“, so Gottschalk. Schon jetzt gebe es zahlreiche Menschen, die aus Bremen ins Umland ziehen, das dürfe durch hohe Baukosten nicht verstärkt werden. Grünen-Politiker Bruck entgegnet: „PV-Anlagen sind wirtschaftlich, sie sind in den vergangenen Jahren erheblich im Preis gesunken.“ Wer viel von der gewonnenen Energie für Strom- und Wärmeerzeugung nutze, habe die Kosten schnell wieder raus. Zudem sei Photovoltaik die einfachste und vorteilhafteste Variante unter den regenerativen Energien.
Den Klimawandel stoppen
„Wir sind uns einig, dass wir handeln müssen, um den Klimawandel zu stoppen“, sagt Ingo Tebje (Linke). Dies funktioniere nur, wenn man den Ausstieg aus den fossilen Energien schaffe. Für die Energiewende brauche es aber soziale Rahmenbedingungen.
Aus diesem Grund haben sich die klima- und umweltpolitischen Sprecher von SPD, Grünen und Linken darauf verständigt, dass eine Förderung von Solaranlagen bei der Aufbaubank geprüft werden soll. Zudem müsse es ausreichend Personal und Finanzmittel geben, um das Programm umzusetzen.
Auch das Bundesland selbst wird in die Pflicht genommen: Bei neuen Bauwerken des Landes, der Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven sowie städtischen Gesellschaften werden PV-Anlagen zur Bedingung, wenn es wirtschaftlich rentabel ist. Neue Schulen oder Hochschulen bekommen also Solarzellen aufs Dach.
Übergeordnetes Interesse ist, die Klimaschutzziele zu erreichen. „Der weitere Ausbau der Wind- und Wasserkraft ist in Bremen aber nur noch eingeschränkt möglich“, so Bruck. Das Potenzial von Sonnenenergie sei erheblich höher. Laut dem Antrag steht Bremen und Bremerhaven mit derzeit zusammen rund 44 Megawatt (MW) installierter Photovoltaikleistung im Vergleich zu anderen Großstädten in Deutschland gut da. Nach Daten des Solardachkatasters ist allein auf den Dachflächen in Bremen und Bremerhaven eine theoretische Spitzenleistung von 1550 MW und eine jährliche Stromerzeugung von 1410 Gigawattstunden möglich.
Das entspreche gut 40 Prozent des derzeitigen Stromverbrauchs im Land Bremen (ohne Stahlindustrie), auch wenn das tatsächlich realisierbare Potenzial geringer sei, weil in vielen Fällen den Dachanlagen die Statik oder die Wirtschaftlichkeit entgegenstehe.
Um eine Größenordnung zu haben: Laut dem Statistischen Landesamt sind 2019 im Land Bremen 387 Wohngebäude mit zusammen 1956 Wohnungen als Neubauten errichtet worden. Sie wären alle davon betroffen. Ziel laut Koalitionsvertrag ist es, die Voraussetzungen für 10.000 neue Wohnungen bis Ende der Legislatur zu schaffen. Bei der Solardach-Pflicht kommen zahlreiche gewerbliche Bauten hinzu.
Förderdeckel wird aufgehoben
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will die Aufhebung des Förderdeckels für neue Solaranlagen noch vor der Sommerpause Anfang Juli auf den Weg bringen. Das kündigte er am Donnerstag in Berlin an. Dies sei ein wichtiger Beitrag zum Ausbau erneuerbarer Energien, betonte Altmaier. Im Jahr 2012 war aus Kostengründen die Förderung bei einer installierten Solarkapazität von insgesamt 52 Gigawatt gedeckelt worden.
Die Förderkosten zahlen die Verbraucher über den Strompreis. Dieser ist zuletzt weiter gestiegen. Der Förderdeckel ist nach Branchenangaben bald erreicht. Der Bundesverband Solarwirtschaft befürchtet einen Einbruch beim Ausbau, wenn der Deckel nicht aufgehoben wird.