Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Bamf-Affäre in Bremen Staatsanwaltschaft lässt nicht locker

Ein Jahr nach der Bremer Bamf-Affäre: Der Kreis der Beschuldigten hat sich im Ermittlungsverfahren vergrößert.
04.04.2019, 06:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Staatsanwaltschaft lässt nicht locker
Von Jürgen Hinrichs

Sie ist vom Dienst suspendiert und wird das in den nächsten Monaten wohl auch bleiben. So lange braucht die Staatsanwaltschaft noch, um abzuklären, ob der Verdacht gegen die Frau für eine Anklage reicht.

Ulrike B., die ehemalige Leiterin der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), bekommt zwar ihr Gehalt weiter, darf aber nicht arbeiten. Seit einem Jahr ist sie die Hauptperson in einem Fall, der auch von dieser Zeitung als „Asyl-Skandal“ tituliert wurde. Was ist davon geblieben?

Systematisch soll die Regierungsdirektorin gesetzliche Bestimmungen umgangen haben, um Antragsteller schnell und komplikationslos als Flüchtlinge anzuerkennen und ihnen den Aufenthalt in Deutschland zu sichern. Ein hochkrimineller Akt, der bandenmäßig betrieben worden sei, hatte sich ein Staatssekretär des Bundesinnenministeriums früh festgelegt. Mittlerweile wurde ihm diese Äußerung gerichtlich untersagt. Es war eine Behauptung, der die Beweise fehlten, und so ist das schon die ganze Zeit.

Lesen Sie auch

Die letzte Volte in dem Stück spielt ins Romantische: B. soll sich heillos verliebt haben, in einen Rechtsanwalt aus Hildesheim, der Flüchtlinge vertritt. Eine amouröse Verbindung, die einseitig war, vermutet die Staatsanwaltschaft.

Sie spricht von einer „Motivlage im zwischenmenschlichen, emotionalen Bereich“. Deswegen die unbürokratische und vielleicht auch ungesetzliche Hilfe bei den Anträgen. Es geschah aus Liebe, wollen die Ankläger wissen.

Von B. ist dazu keine Auskunft zu bekommen. Anders der Hildesheimer Anwalt. Er hat dem NDR in der vergangenen Woche vor laufender Kamera ein Interview gegeben. Die These der Staatsanwaltschaft tut er als Mär ab. B., die er 2014 im Zusammenhang mit einem Asylfall kennengelernt habe, sei eine Freundin der gesamten Familie: „Sie kennt meine Frau, meine Eltern, sie schickt meinen Kindern zu Geburtstagen Schokolade.“

Lesen Sie auch

Bevorzugtes Flüchten nach Deutschland

Beruflich sei eine engere Beziehung entstanden, weil die Beamtin einen engen Draht zugelassen habe, „ich konnte sie auch mal anrufen und in einzelnen Fällen nach dem Sachstand fragen“.

Der Anwalt, selbst Beschuldigter in dem Verfahren, ist Jeside und vertritt Mandanten, die zur selben religiösen Minderheit gehören. Viele von ihnen werden in ihren Heimatländern, speziell im Nordirak, verfolgt und flüchten bevorzugt nach Deutschland, wo sie in aller Regel als Asylbewerber anerkannt werden.

B. hat sich privat für die Jesiden eingesetzt und war als Behördenleiterin bekannt dafür, aus diesen Fällen keine langwierigen Vorgänge zu machen, da ohnehin davon ausgegangen werden konnte, dass die Menschen einen Schutzstatus bekommen.

Lesen Sie auch

Die Bescheide waren deshalb offenbar nicht immer in dem Maße unterfüttert, wie es vorgeschrieben ist. Nach Erkenntnissen des Innenministeriums und der Bamf-Zentrale in Nürnberg hat es eindeutige Rechtsverstöße gegeben. Grundlage dieser Einschätzung ist die Überprüfung sämtlicher positiver Asylbescheide, die seit dem Jahr 2000 in der Bremer Bamf-Außenstelle erlassen wurden.

Es handelt sind um rund 18 000 Fälle. Das Ergebnis der Analyse: Kein flächendeckender und systematischer Betrug, wohl aber eine „bewusst manipulative Einflussnahme auf die Asylentscheidung“.

Oft geschehen ist das freilich nicht. Die Behörden zählen 145 Fälle, in denen es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein soll. 52 Entscheide seien widerrufen oder zurückgenommen worden. Der NDR zitiert in seinem Bericht das Bundesinnenministerium: „Insgesamt liegt diese Anzahl der widerrufenen Verfahren mit Bezug zu Bremen auf einem ähnlichen Niveau wie die Zahl der insgesamt bundesweit widerrufenen Verfahren.“

Lesen Sie auch

Ein Befund, der im krassen Kontrast zum Aufwand steht, den Polizei und Staatsanwaltschaft betreiben, um den möglichen Verfehlungen einzelner Bamf-Entscheider in Bremen und der anderen Beschuldigten in dem Verfahren auf den Grund zu gehen. Seit dem Sommer arbeitet die Ermittlungsgruppe „Antrag“ mit aktuell 36 Beamten, 17 davon werden von Bremen gestellt, drei von Niedersachsen, zwölf kommen von der Bundespolizei, zwei vom Bundeskriminalamt und zwei werden von Fall zu Fall von der Bamf-Zentrale hinzugezogen. Eine Sondereinheit dieser Größe hat es in Bremen selbst bei den spektakulärsten Mordfällen oder besonders schwerer Wirtschaftskriminalität noch nicht gegeben.

Lesen Sie auch

Korruptionsverdacht

Für die Staatsanwaltschaft ist das eine falsche Betrachtung: „Die asylrechtliche und die strafrechtliche Bewertung des Falles sind nicht deckungsgleich“, teilt die Strafverfolgungsbehörde auf Anfrage mit. Insofern stelle sich auch nicht die Frage der Verhältnismäßigkeit.

Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen bestehe weiterhin der Verdacht einer Vielzahl von Straftaten, mehr noch: „Der Tatverdacht hat sich aufgrund der fortgeschrittenen Auswertung der elektronischen und sonstigen Beweismittel erhärtet.“ Den Schwerpunkt der Vorwürfe bilden demnach Delikte nach dem Asylgesetz und dem Aufenthaltsgesetz.

Noch nicht vom Tisch ist nach Darstellung der Ermittler auch der Korruptionsverdacht. B. hat in Hildesheim mehrfach in einem Hotel übernachtet und sich die Kosten vorstrecken lassen. Der Rechtsanwalt war so freundlich, er hat das Geld später von ihr zurückbekommen.

Lesen Sie auch

Eine Merkwürdigkeit, die nicht aus der Welt zu bringen ist. Es war kein teures Hotel, mehr als erschwinglich und sofort auch zu bezahlen für eine Frau, die als Regierungsdirektorin ein ordentliches Gehalt nach Hause bringt.

Ob diese Umstände und, wichtiger, die Behandlung einzelner Asylfälle je vor Gericht erörtert werden, steht noch nicht fest. „Über eine Anklage wird erst mit Abschluss der Ermittlungen entschieden werden können“, erklärt die Staatsanwaltschaft. Fertig werden wollen die Ermittler im Laufe des Sommers.

Strafrechtliche Konsequenzen

Der Kreis der Beschuldigten hat sich unterdessen erweitert. Im Visier sind nicht mehr nur die ehemalige Chefin der Bremer Bamf-Außenstelle, drei Rechtsanwälte aus Hildesheim, Bremen und Oldenburg, ein Dolmetscher und ein Vermittler. Auf die Liste genommen wurden jetzt auch noch drei weitere Mitarbeiter der Bamf-Außenstelle. Ihnen drohen wie B. strafrechtliche Konsequenzen. Bislang hatte es gegen die Beamten dort in sieben Fällen lediglich ein Disziplinarverfahren gegeben.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)