Nach Jahrzehnten des Rückzugs aus der Fläche will die Stadtbibliothek ihre Präsenz in den Stadtteilen wieder verstärken. Mittelfristig soll es zwei zusätzliche Standorte in Blumenthal und Obervieland geben. Außerdem ist die Anschaffung eines weiteren Büchereibusses geplant, auch ein Angebot für Obdachlose soll es geben.
Die Pläne sind Bestandteil der aktuellen Diskussion über den Kulturförderbericht, der Zukunftsperspektiven für die kulturellen Angebote in der Stadt aufzeigen und im Oktober von der zuständigen Deputation beschlossen werden soll. Wie nah eine öffentliche Bücherei an ihren Nutzern sein muss, darüber hat es in der Vergangenheit durchaus unterschiedliche Ansichten gegeben.
Die Stadtbibliothek unterhielt zu Spitzenzeiten nicht weniger als 44 Standorte. „Als ich in den Neunzigerjahren mein Amt antrat, waren es immer noch zweiundzwanzig“, erinnert sich Direktorin Barbara Lison. Um die Attraktivität der meisten Zweigstellen sei es damals allerdings nicht gut bestellt gewesen. Veraltete Buch- und Medienbestände, abgenutztes Interieur – viele Filialen hätten sich wenig einladend präsentiert.
Besser weniger und gute Standorte als flächendeckende Präsenz, lautete deshalb später die Devise. Derzeit unterhält die Stadtbibliothek noch sechs Zweigstellen in der Vahr, Osterholz, Lesum, Vegesack, Gröpelingen und Huchting, vor allem aber einen modernen Zentralstandort am Wall, von dem sich die Kulturpolitiker bei seiner Eröffnung im Jahr 2004 eine gewisse Strahlkraft in die Fläche hinein versprachen.
Die hat sich auch eingestellt. Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass es Stadtteile gibt, die eine Aufwertung ihrer kulturellen Infrastruktur vertragen könnten. Blumenthal ist so ein Gebiet, auch Obervieland. Die Eröffnung von Stadtteilbibliotheken wäre dort ein solcher Impuls und nicht zuletzt ein Angebot an junge Menschen aus Zuwandererfamilien, die sonst kaum Zugang zur Welt der Literatur haben.
Zusätzlicher Bibliotheksbus
Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz ist fest entschlossen, die neuen Dependancen einzurichten, nur einen konkreten Zeitplan kann sie noch nicht nennen. Vor 2020 werde sich aber wohl nichts tun, sagt sie, denn es gehe ja auch um die Verfügbarkeit entsprechender Haushaltsmittel. Für Barbara Lison steht zudem fest, dass es kein Zurück in die Siebzigerjahre mit ihrem aufgeblähten Netz an Mini-Zweigstellen geben darf.
„Wir werden nicht etwas Bibliothek nennen, was keine Bibliothek ist“, sagt die Direktorin. Die neuen Standorte müssten attraktiv in den entsprechenden Ortskernen liegen, eine hohe Aufenthaltsqualität besitzen und natürlich über eine ausreichend hohe Zahl an Büchern und sonstigen Medieneinheiten verfügen. Der Zugang mit digital aufgerüsteten Leseausweisen auch außerhalb der üblichen Öffnungszeiten werde ein weiteres Kennzeichen künftiger öffentlicher Büchereien sein.
Noch vor den beiden neuen Standorten wird sich die Stadtbibliothek wahrscheinlich einen zusätzlichen Bibliotheksbus zulegen. Eine solche mobile Einheit gibt es schon, aber es ist ein sehr großes Fahrzeug mit mehreren Tausend Medieneinheiten in Regalen, Drehständern und Schubläden. Angeschafft werden soll nun ein kleineres Fahrzeug, ungefähr so groß wie ein Mercedes-Sprinter, der aufgrund seiner geringeren Abmessungen beispielsweise auch Grundschulhöfe anfahren kann.
Teil der Überlegungen für zusätzliche Angebote an bestimmte Zielgruppen ist auch die Idee einer Obdachlosenbibliothek. In Bremens lettischer Partnerstadt Riga gibt es eine solche Institution bereits seit neun Jahren. Sie liegt dort etwas abseits vom Zentrum, an einer ruhigen Straße in grüner Umgebung, angegliedert an eine Tagesstätte für Wohnungslose, die auch sanitäre Einrichtungen, eine Suppenküche und Internetzugang bereithält. „Es ist ein Rückzugsort, wo man sich sammeln kann“, beschreibt Carmen Emigholz den Charakter der Einrichtung. Sie hält es für wünschenswert, die Realisierung eines solchen Angebotes gemeinsam mit privaten Spendern anzugehen.
Etwa 70.000 Bremer verfügen über einen Leseausweis der Stadtbibliothek. Das macht die öffentliche Bücherei zu einem der meistgenutzten kulturellen Angebote. Zuletzt zählte die Einrichtung gut 2,2 Millionen Besucher pro Jahr und 3,2 Millionen Entleihungen inklusive des Online-Angebots. 127 Mitarbeiter sind für die Stadtbibliothek tätig, sie erhält einen Zuschuss von neun Millionen Euro.