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Kritik vom ADAC Neue Ampeltechnologie soll Wartezeiten für Fußgänger verkürzen

Dass eine Ampeltechnologie in der Innenstadt nur Fußgängern das Leben leichter machen soll, sorgt beim ADAC für Kritik. An der Ecke Sögestraße und Knochenhauer Straße wurde die Technik schon installiert.
19.12.2020, 05:00 Uhr
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Von Rebecca Sawicki und Pascal Faltermann

„Das ist ein Zeichen der Wertschätzung des Fußverkehrs“, sagt Angela Schlansky, Sprecherin der Bremer und niedersächsischen Sektion des Fußgängerverbandes „Fuss“. Gemeint ist der Plan von Mobilitätssenatorin Maike Schaefer (Grüne): Mithilfe einer neuen Ampeltechnologie sollen Fußgänger in der Innenstadt bald weniger Zeit an roten Ampeln verbringen.

Die neue Technik könne durch Sensoren und Wärmebilderfassung Fußgänger bereits erkennen, bevor diese an der Ampel stehen. So kann sie auf Grün umspringen, ohne dass der Drücker betätigt werden muss. Am Knotenpunkt Sögestraße und Knochenhauer Straße sind die Ampeln an diesem Freitag umgestellt worden.

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„Die Ampeln sind funktionstüchtig, wir werden die Entwicklung aber beobachten und im Zweifel nachjustieren“, sagt Bernd Köster, Referatsleiter für Straßenverkehrstechnik. Nachjustieren bedeute in diesem Fall, die Schaltzeiten durch Beobachtungen und Evaluierung anzupassen. Durch die Sensorik sollen die Fußgänger auch mehr Zeit haben, die Straße zu überqueren. So könne zum Beispiel die Grünphase verlängert werden, wenn Fußgänger sich der Ampel nähern, obwohl diese gerade auf Rot umspringen sollte.

„Die Kombination mit einer stadtweiten Tempo-30-Regelung wäre großartig“, sagt Schlansky. Sie macht darauf aufmerksam, dass das Thema Ampeln erst seit wenigen Generationen überhaupt besteht. Vor dem hohen Autoaufkommen sei es für Fußgänger noch viel leichter gewesen, sicher durch den Straßenverkehr zu gelangen. Insgesamt sind der Sprecherin zu viele Autos unterwegs: „Sie erschweren den Fußgängern ganz oft das Durchkommen“, sagt sie. Die neue Ampeltechnologie bewertet sie als „positives Signal der Politik für eine Verkehrswende“.

Akustischen Signalgeber per Schalter aktivieren

Bremen ist die zweite Stadt in Deutschland, die diese Technologie testet, erklärt Senatorin Schaefer. „Die Förderung des Fuß- und Radverkehrs ist mir ein großes Anliegen. Insofern begrüße ich es sehr, dass wir die zur Verfügung stehenden technischen Innovationen hier zeitnah nutzen.“ Blinde und sehbeeinträchtigte Menschen könnten weiterhin den Schalter am unteren Teil der Anlage drücken und so den akustischen Signalgeber aktivieren.

„Es ist vernünftig, dass man versucht, passgenauer für die Fußgänger zu sorgen“, sagt Michael Breidbach, Sprecher der Seniorenvertretung Bremen. Viele ältere Menschen hätten Schwierigkeiten, die Straße in der Grünphase zu überqueren. „Deswegen hört sich der Plan erst einmal sehr gut an. Jetzt muss man sehen, wie es läuft“, betont er.

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Der ADAC sieht das Vorhaben hingegen kritisch: „Die Frage ist immer, ob der Verkehrsfluss dadurch beeinträchtigt wird“, sagt Nils Linge, Sprecher des ADAC in der Region Weser-Ems. Beim Automobilclub sei bisher der Eindruck entstanden, dass es in Bremen schon jetzt viele Ampeln gebe, an denen der Verkehr hänge. Als Beispiel nennt er eine Ampel in Walle, an der sich der Verkehr wegen einer radfahrerfreundlichen Schaltung oft bis hinter den Bahnhof staue. „Unserer Meinung nach sollten alle Verkehrsteilnehmer gleich behandelt werden“, fordert Linge. Es bräuchte insgesamt einen flüssigen Verkehr.

Stau soll vermieden werden

Mit der neuen Technologie soll zumindest theoretisch die Sorge um Rückstaus unbegründet sein. Sogenannte Thermaldetektoren sollen das Fußgängeraufkommen überwachen, gleichzeitig aber auch erfassen, ob sich der Verkehr bis in den Kreuzungsbereich Am Wall und Herdentor staut. „Das wollen wir natürlich vermeiden“, sagt Köster, „sollte dies aber der Fall sein, kann die Ampel reagieren.“

Die Kosten belaufen sich nach Angaben der Behörde auf 30.000 Euro. Gedeckt würden diese von dem eigens für den Fußgängerverkehr bereitgestellten Etat, der im Bremer Haushalt erstmalig vorgesehen ist. Mit entsprechenden Änderungsanträgen zum Haushaltsentwurf des Senats hatten die rot-grün-roten Koalitionspartner die Mittel eingebracht. Zur Förderung des Fußverkehrs sind im laufenden Haushaltsjahr 500.000 Euro bereitgestellt worden, im Haushalt 2021 wird die Summe noch einmal auf eine Million Euro erhöht.

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Weil laut aktuellen Statistiken gut ein Fünftel aller Wege in Bremen zu Fuß zurückgelegt werden, die Bedingungen für den Fußverkehr aber alles andere als optimal sind, soll dies durch den Etat verbessert werden.

Das ist erklärtes Ziel im Koalitionsvertrag. Darin steht: „Wir werden zukünftig in der Planung Rad‐ und Fußverkehr stärker trennen. Wir werden mehr und sichere Querungen für Fußverkehr zum Beispiel durch bessere Ampelschaltung, fußgängerfreundliche Ampeln und mehr Zebrastreifen herstellen.“ Außerdem sollen Verkehrsknoten und Kreuzungen umgestaltet werden.

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Zur Sache

Vorreiter Düsseldorf

Als erste Stadt in Deutschland hat Düsseldorf Ende November die ersten kontaktlosen Ampelschalter in Betrieb genommen. Nach einer Testphase will die Stadt überlegen, die Technologie auch an anderen Stellen zum Einsatz kommen zu lassen. Ähnlich wie in Bremen steht die Testampel in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt an einer belebten Kreuzung. Eine erste Auswertung ist für Anfang kommenden Jahres angekündigt.

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