Carl Zillich ist seit gut anderthalb Jahren Geschäftsführer des Projektbüros für die Bremer Innenstadt. Er hat das Amt in einer Zeit übernommen, die für diese Aufgabe schwieriger kaum sein konnte. Wenige Monate später scheiterte der Plan des Unternehmers Kurt Zech, das Parkhaus Mitte abzureißen, um an der Stelle etwas fulminant Neues zu entwickeln. Seitdem ist es in der City nicht besser geworden, eher im Gegenteil, wenn man vom Bau des sogenannten Balgequartiers an der Langenstraße absieht.

Carl Zillich leitet das Projektbüro für die Bremer Innenstadt.
„Das wird noch dauern“, prophezeit Zillich. Er sagt das in der Obernstraße, mit Blick auf ein großes Haus, in dem früher Esprit saß und das eigentlich längst abgerissen werden sollte, um einem Neubau Platz zu machen. Der Investor zögert. Genauso am Hanseatenhof, dort steht das ehemalige C&A-Gebäude leer. Pläne, es grundlegend umzubauen, gab es, sie werden vom Eigentümer vorerst aber nicht weiterverfolgt. Die Projektentwickler sind aus verschiedenen Gründen in einem tiefen Tal, und was macht man in so einer Situation mit der Innenstadt? Wer soll sie voranbringen?
Zillich hat keine andere Wahl, er backt kleine Brötchen, macht das, was gerade noch möglich ist: den Leerstand nutzen, um die City provisorisch mit neuen Angeboten zu beleben. „Wir müssen für den Strukturwandel andere Interessengruppen mobilisieren“, sagt der Architekt. Junge Leute, Alternative, Künstler, Existenzgründer. Erreichbarkeit und Sichtbarkeit, das funktioniere weniger in Gröpelingen oder Hemelingen, sehr gut aber in der Innenstadt.
Alle vier Projekte, die jetzt angeschoben worden seien, könnten sich vor der Nachfrage von Einzelpersonen und Gruppen, die sich beteiligen wollten, kaum retten, „sie sind alle überbucht“. Es sei absolut richtig, die Initiativen mit Subventionen zu unterstützen, um sich gegenüber anderen Städten zu behaupten: „Die Kreativen, denen es zum Beispiel in Berlin zu teuer geworden ist, sollen nicht nach Wuppertal oder sonst wohin ziehen, sondern nach Bremen kommen.“ Zillich hat einen Begriff für die Projekte: „Das sind Stadtmacher“, sagt er, „Stadtmacher von unten.“
Poker als Performance
Poker – das ist Bluff und Berechnung zugleich. Die Täuschung gehört zum Spiel, das Pokerface zur Performance. Gepaart stets mit dem Ziel, gewinnen zu wollen. Geld im Zweifel. Viel davon. Dafür braucht es Glück und Geschick. Spannung pur. Und nun zur Kunst. Kunst in der Innenstadt.
Die Macherinnen und Macher des Projekts „Raumpro“ in der Knochenhauerstraße auf der Ecke Carl-Ronning-Straße haben sich bis Ende Dezember viel überlegt. Diverse Ausstellungen, Klanginstallationen, eine Teebar, Experimente jeder Art wie das inszenierte Fitnessstudio mit täglichem Work-out und eben auch dies: eine sogenannte Pokerformance.
Alex Beriault will vor Publikum ihr Künstlerinnenhonorar verzocken. Mit am Tisch und beteiligt am Spiel sind Kuratoren und Direktoren aus Bremer Kunstinstitutionen. So jedenfalls ist es für Mitte September geplant. Beschrieben wird das in der Ankündigung so: „Die Künstlerin provoziert nicht nur die Verwendung von Geld, sondern dringt zwischen Risiko und Manipulation, Zurückhaltung und Gier tief zu Fragen nach Persönlichkeit, sozialer Interaktion und einem Verhalten unter Druck vor.“
Raumpro ist schon wegen der großen Schaufenster im Erdgeschoss und der Möglichkeit, mit den Künstlern in Kontakt zu kommen, ein überaus transparentes Projekt. Es soll, so der Anspruch, die „künstlerische Reflexion über komplexe Themen wie Innenstadtwandel, globale Warenflüsse und Konsumverhalten bieten“. Initiatoren sind der Berufsverband Bildender Künstler und der Künstlerinnenverband Bremen.
Kunst und Handwerk
Schräg gegenüber vom Parkhaus Mitte und damit an einem neuralgischen Ort der Bremer Innenstadtentwicklung hat sich für zwei Jahre das Contemporary Crafts Studio (CCS) niedergelassen. Auf der zweistöckigen etwa 300 Quadratmeter großen Fläche in der Carl-Ronning-Straße gibt es eine Keramik-Werkstatt und eine Manufaktur für den Bau von Lautsprechern. Darüber hinaus werden als Gäste immer wieder Kunsthandwerker eingeladen. Ausstellungen, Konzerte und der Verkauf eigener Produkte komplettieren das Programm.
Philine von Düszeln, Ramón Beythia L. und Teresa Rieger beteiligen sich als Existenzgründer am CCS. Sie haben nach eigener Aussage bereits an vielen Orten gelebt und gearbeitet – in Dänemark, Chile, Berlin und nun eben in Bremen. Vorher im Ostertor, jetzt in der City. „Wir sind noch dabei auszuprobieren, wie das in dieser Lage funktioniert“, sagt von Düszeln. Die Eröffnung am 7. Juli sei großartig gewesen. Und die Veranstaltungen danach hätten viel Zuspruch bekommen. Mit der Laufkundschaft, meint die Unternehmerin, müsse man schauen, „bisher waren ja Ferien“. Das Projekt wird über das Bundesförderprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ finanziert. Die Federführung liegt bei der Bremer Wirtschaftsförderung (WFB).
In Bremen bleiben? Die berufliche Existenz gründen und sie in der gleichen Stadt fortführen? Falsche Frage. Und jedenfalls keine Antwort. Wer weiß, sagen die Gesichter der drei Gründer. Wer weiß, was in zwei Jahren ist.
Programm im Glaskasten
Ein Raum, umgeben von Glas. Schmucklos im Inneren, kahl, eine wüste Stätte, aber bewusst so gewählt, damit sich jede der sozialen Initiativen, die an diesem Ort ein Angebot machen, nach eigenem Wunsch ausbreiten kann. Der Stand „Umzu“ ist in einem der Marktpavillons in der Papenstraße untergebracht. Vorher gab es dort ein Blumengeschäft.
Studierende der Hochschule für Künste haben den Glaskasten in den vergangenen anderthalb Monaten für Workshops und Filmvorführungen genutzt. Von September an und noch bis Ende des Jahres ist ein festes Programm vorgesehen, unterbrochen von Sonderaktionen: Am Montag zum Beispiel übernimmt der arabische Frauenbund die Regie und geht der Frage nach, wie Frauen speziell im Handwerk gestärkt werden können. Andere Schwerpunkte sind während der Woche Medienbildung für Jugendliche, Pop-Up-Vermittlungsagentur für ehrenamtliche Arbeit und Lesungen. „Unser Kalender ist voll“, sagt Lukas Henneböhl vom Bremer Autonomen Architektur Atelier (AAA), das das Programm vorbereitet hat. „Die Leute freuen sich, dass sie hier mittendrin sind und mit ihrem Engagement gesehen werden.“
Jugend in Bewegung
Viel Nippes, Kissen und Krams – das war "Depot" in der Bremer Hutfilterstraße. Jetzt klackt es dort und klickert, an der Tischtennisplatte und am Kicker. Die Wände sind mit Graffiti besprüht. Sessel und Sofas laden zum Rumfläzen ein. In erster Linie geht es bei diesem Projekt aber nicht ums Chillen, sondern um Sport und Bewegung. Die sogenannte 2-active Base bietet sich bis Ende des Jahres als zentraler Treffpunkt für junge Menschen an. Sie können auch an Kursen teilnehmen: Tanzen, Selbstverteidigung, Bogenschießen, Akrobatik, Kampfkunst und anderes.
Das Projekt, getragen von der Sportplatz GmbH für Eventmarketing, bekommt die finanziellen Mittel von der Wirtschaftsförderung Bremen. Es hat eine Besonderheit: Mit sportlichen Aktivitäten bespielt werden nicht nur die ehemaligen Geschäftsräume in der Hutfilterstraße, sondern auch Außenflächen wie bis vor Kurzem der Hanseatenhof und später noch andere Plätze in der Innenstadt.