Der Einzelhandel leidet weiter unter Umsatzeinbußen. Oft haben sich Geschäftsleute in Bremen mit ihren Vermietern vor diesem Hintergrund auf neue Konditionen einigen können – vom Nachlass der Miete bis hin zu Stundungen. „Ich weiß von vielen Kollegen, die im Gespräch gute Lösungen gefunden haben“, sagt Möbelhändler Stefan Brockmann, Vorsitzender des Einzelhandelsausschusses der Handelskammer und Vorstand der Bremer City-Initiative. Für sein Geschäft Boconcept habe es ebenfalls Vereinbarungen mit dem Vermieter gegeben. Es gebe aber auch Vermieter, die zu keinem Kompromiss bereit seien. „Das ist ein diffuses Bild“, sagt Brockmann zur Gesamtlage. Teils seien Immobilienkäufe finanziert, die Miete zu einem bestimmten Kurs eingeplant.
In anderen Fällen sind Vermieter dagegen aktiv auf ihre Mieter zugegangen, um die Situation partnerschaftlich zu lösen, sagt Jens Lütjen, geschäftsführender Gesellschafter des Immobilienunternehmens Robert C. Spies. Ein Entgegenkommen gebe es gerade dort, wo lange persönliche Beziehungen bestünden, wo der Vermieter an das Konzept glaube. Lütjen bestätigt aber den Eindruck von Brockmann: „Ich glaube, wir sehen das gesamte Spektrum.“ In manchen Fällen gebe es die Option zur Stundung der Miete, zeitweise ihre Reduktion oder neue Verträge – auch mit Kopplungen der Miete an die Umsätze. Diese Kondition habe es auch schon vor Corona gegeben. Institutionelle Eigentümer müssten dagegen mehr an Mietbedingungen festhalten, weil sie zum Beispiel Anlegerinteresse vertreten. Flexibler könne reagieren, wer seit vielen Jahren über eigenen Bestand verfüge.
Die Mieten senken? Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) hatte Eigentümer von Immobilien in der Innenstadt dazu aufgefordert. In Einzelfällen sei bekannt, sagt Staatsrat Sven Wiebe, dass bei Neuvermietungen geringere Mieten genommen werden. Allerdings: „Teilweise bestehen aber immer noch sehr hohe Mietforderungen, die Neuvermietungen erschweren.“ Der Dialog mit den Eigentümern, der fortlaufend geführt werde, sei wichtig, um ein gemeinsames Verständnis von realistisch zu erzielenden Mieten zu erreichen, sagt Wiebe. „Das Thema ist für die Zukunft der Innenstadt sehr bedeutsam.“
Familien und Unternehmen hätten als Vermieter oft Verständnis für die Situation im Handel gezeigt, konstatiert Mark Alexander Krack, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Niedersachsen/Bremen. Schwieriger seien Gespräche, wenn Fonds Eigentümer der Immobilien seien. Insgesamt geht Krack davon aus, dass Mieter und Vermieter zum Großteil Lösungen gefunden haben. Ihm seien Fälle bekannt, in denen ganz auf die Miete verzichtet wurde, weil zuvor ein langes und gutes Verhältnis bestand.
Politik muss zur positiven Vermarktung beitragen
Das Unternehmen Müller & Bremermann besitzt und verwaltet Immobilien in Bremen. Momentan könne man nicht als Massenphänomen bezeichnen, dass Mieter um Zugeständnisse oder Stundungen bitten, sagt ein Sprecher. Unabhängig von der Pandemie gebe es immer einen Austausch mit den Mietern, wenn beispielsweise Veränderungen in der Branche eines besonderen Umgangs bedürften: "Das steht und fällt mit der direkten Kommunikation." Als Vermieter sei man an einer langfristigen Zusammenarbeit interessiert.
Zudem dürfte es schwerer fallen, Nachmieter für Räume zu finden. In Bremen gibt es ein Problem mit Leerstand. Für die Innenstadt wünscht Geschäftsmann Stefan Brockmann sich ein Signal des Aufbruchs. Die City müsse für Investoren und Händler weiter attraktiv sein. Das eine oder andere Geschäft werde in Zukunft wohl aufgeben. Alle Beteiligten in der Politik müssten gerade jetzt zur positiven Vermarktung beitragen: „Bremen verkauft sich da noch unter Wert.“
Im Sommer tagte in Bremen ein Innenstadtgipfel – und der Senat beschloss ein Aktionsprogramm. 13,2 Millionen Euro sollen fließen. Die Projekte werden laut Staatsrat Wiebe gerade bearbeitet. Derzeit läuft eine Ausschreibung der Wirtschaftsförderung: Es sollen Flächen für Concept- und Pop-up-Stores angemietet werden.
Über die Aussichten der Innenstädte sprach Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Dienstag mit Experten. Geplant ist ein Handlungskonzept, um eine "Trendwende" zu lebendigen Stadtzentren zu einzuleiten. Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE) Stefan Genth machte zuvor deutlich, dass die Lage in vielen Zentren kritisch und der Einzelhandel von Insolvenzen bedroht seien – gerade im Bereich Textilien: "Am Ende der Krise könnten bis zu 50 000 Geschäfte vom Markt verschwunden sein.“ Der HDE setzt sich dafür ein, dass eine Ausnahmesituation wie die Pandemie im Gesetz berücksichtigt wird: Die Maßnahmen der Politik seien ein Grund zur Anpassung des Mietvertrags wegen Störung der Geschäftsgrundlage.