„Für uns ist es ein Erfolg, dass wir nicht mehr kriminalisiert werden und die Bäume erst einmal stehen bleiben dürfen“, sagt Marion Remlinger. Gemeinsam mit einer Gruppe weiterer Nachbarinnen und Nachbarn steht sie an der Delmestraße und blickt zufrieden auf ein paar junge Rotahorn-Bäumchen, die seit November dort am Straßenrand stehen. Das Besondere an den bis zu vier Meter hohen Pflanzen: Weil die Stadt nach notwendigen Fällungen derzeit keine Bäume mehr an der Delmestraße nachpflanzt, haben die Nachbarn die Bäume selbst gekauft und auf eigene Kosten einsetzen lassen.

Marion Remlinger
Nur zwei kleine Jungbäume liegen noch bei der Gärtnerei und haben es nicht mehr in die Erde geschafft. Denn die Arbeiten wurden abgebrochen, weil die Umweltbehörde die unangemeldete Aktion unterbunden hatte. „Zunächst hieß es dann, entweder die von uns beauftragte Fachfirma nimmt die Bäume selbst wieder heraus oder sie werden auf unsere Kosten entfernt“, sagt Remlinger.
Protest führt zu Vermittlungsgespräch
Doch damit wollten sich die Frauen und Männer nicht abfinden. Öffentlicher Protest und die Bitte an den Beirat, sich für den Erhalt der Bäume einzusetzen, führten nun zu einem ganz anderen Ergebnis. Ein vom Beirat initiiertes Vermittlungsgespräch zwischen Fachleuten aus Umweltbehörde, Umweltbetrieb Bremen, Beirat und Anwohnerschaft vor wenigen Tagen hat eine Art Friedensabkommen als Ergebnis.
Bis Ende April dürfen die grünen Neuzugänge am Straßenrand erst einmal bleiben. Dann wird die Behörde dem Beirat ein neues Projekt zum Thema Straßenbäume vorstellen, das derzeit in der Umweltbehörde erarbeitet wird. Stoßrichtung wird die Suche nach Lösungen sein, wie an besonders engen Straßen wie im Flüsseviertel Neupflanzungen wieder möglich werden, auch wenn durch Leitungen im Boden sowie Rad- und Fußgängerwege kein Platz für Bäume zu sein scheint.
Delmestraße als Beispiel für andere Straßen
Wie das funktionieren kann, soll dann offenbar beispielhaft an der Delmestraße ausprobiert und untersucht werden, heißt es aus der Umweltbehörde. Die Hoffnung: Lösungen zu finden, die auch auf andere Wohngebiete mit wenig Platz übertragbar sind. Sogenannte Such-Schachtungen, die die tatsächliche Lage der vielen Leitungen im Boden offenbaren sollen, seien bereits für die kommenden sechs Monate geplant.
"Außerdem gibt es Überlegungen, die Straße grundsätzlich umzugestalten, damit wir mehr Platz für Bäume schaffen", erklärt Linda Neddermann, Pressesprecherin von Umweltsenatorin Maike Schaefer.

Walter Wiedenmann
„Für uns war die Zusage ganz wichtig, dass wir nicht die Kosten tragen müssen, sollten die Bäumchen doch umgesetzt werden müssen, um in das neue Konzept zu passen“, sagt Walter Wiedenmann, der ebenfalls einen Baum gestiftet hat.
Im Gegenzug hält die Initiative jetzt erst einmal die Füße still und entfernt die signalfarbenen Aktionsplakate an den Bäumen. Auf diesen erheben die Mitglieder der Initiative schwere Vorwürfe gegen Bausenatorin Maike Schaefer. Nach dem Vermittlungsgespräch klingt der Ton nun deutlich versöhnlicher.
Beirat wollte Eskalation verhindern
Über den entstandenen Frieden freut sich auch der Neustädter Beiratssprecher Ingo Mose (Grüne), der ebenfalls an dem klärenden Gespräch teilgenommen hat. "Uns als Beirat war wichtig, eine Eskalation zu verhindern. Und es war ein gutes, produktives Treffen, das das Gefühl hat entstehen lassen, dass wir eine gemeinsame Lösung finden werden", bescheinigt Mose allen am Gespräch Beteiligten.
Das gemeinsame Ziel formulieren sowohl der Beirat, die Anwohnerschaft als auch Umweltsenatorin Maike Schaefer fast wortgleich: Sie wollen mehr Grün sowohl in der Delmestraße als auch in vielen weiteren Straßen. Und wenn möglich wollen sie die vorhandenen Straßenbäume erhalten. „Auch mir tut es im Herzen weh, dass wir die Bäume fällen mussten und nicht nachpflanzen konnten", lässt Schaefer übermitteln.
Zum Hintergrund: Seit Jahren engagiert sich eine Anwohnerinitiative dafür, dass die Straßenbäume an der Delmestraße wieder mehr anstatt immer weniger werden. Denn seit einigen Jahren werden Bäume nicht mehr nachgepflanzt, die wegen Alter, Krankheit – oder weil sie aus anderen Gründen die Verkehrssicherheit gefährden – gefällt werden müssen. Die Hauptgründe sind zu wenig Platz und Leitungen im Boden, die durch die Wurzeln der Bäume beschädigt werden könnten.
Mehr Platz für Baumwurzeln nötig
Streitpunkt sind hier wiederum die hohen Kosten, die eine Verlegung oder ein guter Schutz der Leitungen bedeuten würden. Denn heute weiß man in Fachkreisen, dass die Wurzeln von Straßenbäumen deutlich mehr Platz brauchen, als ihnen in den zurückliegenden Jahrzehnten zugestanden wurde. Zumindest, wenn sie auch unter den stressigen Lebensbedingungen in der Stadt ein stattliches Alter erreichen sollen.
„Wir wollen auch in Zukunft aus klimapolitischer Überzeugung weiter für mehr Bäume in den Wohnstraßen kämpfen, wir sehen uns da als Vorreiter für andere Gebiete mit ähnlichen Problemen“, kündigt Remlinger an. Die Pflege der selbst gepflanzten Bäume wollen die engagierten Bewohnerinnen und Bewohner des Flüsseviertels übrigens selbst übernehmen. Denn es gibt aus ihrer Sicht nichts Besseres für das Stadtklima als Ausgleich für immer längeren Hitze- und Dürreperioden als „Bäume, Bäume, Bäume.“