Eilig werden noch Stühle herbeigeschafft im großen Saal im Tenever-Zentrum. Die Träger der sozialen Einrichtungen haben eingeladen, um über die Zukunft von Einrichtungen und Projekten im Ortsteil zu diskutieren, die von den Kürzungen beim Jobcenter betroffen sein. Mit dem Andrang haben die Organisatoren nicht gerechnet, aber es steht viel auf dem Spiel für Tenever und für Osterholz. Und das Interesse ist sichtlich groß.
"Es wird so viel geschlossen, wir hatten einen Bäcker, eine Fleischerei, die Post, einen Frisör – warum wird uns das weggenommen?", legte eine Bewohnerin den Finger in die Wunde. "Gehen wir zurück in das Tenever von früher? Wo sollen denn die alten Leute hin?" Drei Fragen, die das Dilemma in Tenever beschreiben: Private Unternehmen, wie Geschäftsinhaber und Restaurantbetreiber, haben sich aus dem Ortsteil weitgehend zurückgezogen.
Soziale Träger sind Stütze
Die Infrastruktur in Tenever wird im Wesentlichen von sozialen Einrichtungen und Beschäftigungsträgern wie dem Mütterzentrum Tenever, der Bras oder dem Förderwerk aufrechterhalten. Viele Projekte dieser Träger aber wiederum sind von sogenannten AGH-Arbeitsplätzen (früher: Ein-Euro-Job) und anderen Wiedereingliederungsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt abhängig. Doch den Jobcentern drohen nach einer ersten Kürzung in diesem Jahr für die kommenden Jahre weitere finanzielle Einschnitte.
In Bremen kam es außerdem durch einen Kalkulationsfehler des Jobcenters dazu, dass bereits im Sommer alle Mittel für AGH-Maßnahmen aufgebraucht waren. Letztlich konnte das Jobcenter auf Mittel für das kommende Jahr zurückgreifen, um die meisten Stellen bis Ende dieses Jahres zu sichern.
Aber was leisten diese Projekte und Einrichtungen für Tenever? "Das Café Abseits ist eine Anlaufstelle für Menschen, die Unterstützung brauchen", so Leiterin Claudia Toensing. Das Café Abseits biete Kontaktmöglichkeiten und hole Menschen aus der Einsamkeit. "Wir haben hier sechs AGH-Plätze, eine Sozialarbeiterin und eine Anleiterin beschäftigt." Würden die Stellen künftig nicht mehr über das Jobcenter finanziert werden, würden beispielsweise die gut besuchte Lebensmittelausgabe oder auch der Mittagstisch wegfallen.
Ralf Jabrowski sprach für die Recyclingbörse. "Menschen bieten uns gut erhaltene Möbel an, und wir verkaufen sie zu einem günstigen Preis weiter." Die Recyclingbörse sei eine der wenigen Einrichtungen, die Tenever-Zentrum am Leben halte.
Arbeit für den gesamten Stadtteil
Im Ortsbild gut bekannt und beliebt, sind die Mitarbeiter des Quartierservice. Dieser räumt dort auf, wo andere Verantwortliche nicht hinterher kommen. "Wir sammeln Müll auf, bieten Nachbarschaftshilfe an", so Leiter Klaus Gerken. Von acht Stellen seien inzwischen nur noch fünf erhalten. Kritisch werde es, wenn der Fahrer wegfallen sollte. "Denn wir haben 120 Straßen, die wir abdecken." Sollten die Arbeitsplätze wegfallen, dann würde, so Gerken, das "Stadtbild anders aussehen".
Claudia Schlosser, Leiterin des Mütterzentrum Tenevers: "Diese Maßnahmen sind gute Möglichkeiten, Menschen kennenzulernen, Deutsch zu lernen, sich an einen normalen Arbeitsalltag wieder zu gewöhnen und Kontakte zu knüpfen." Aber nicht nur die Beschäftigten profitierten von den Arbeitsgelegenheiten und Wiedereingliederungsmaßnahmen. "Wir sind erreichbar für alle Menschen aus dem Stadtteil, wir sprechen im Mütterzentrum inzwischen 26 Sprachen, wir bieten günstige Kleidung, Möbel, Treffpunkte und Unterstützung an", machte sie deutlich.
Nicht mehr missen wollen viele Bewohner Tenevers die Conciergen in den Mietshäusern der Gewoba. Doch auch diese sind über Beschäftigungsmaßnahmen angestellt. Gleiches gilt für den Kinderbauernhof Tenever. "Wenn die 16e- und 16i-Stellen wegfallen, dann können die Tiere nicht versorgt werden, dann werden die Tiere abgeschafft und der nächste Schritt wäre, dass der Bauernhof abgeschafft wird", beschrieb Ihno Jürgens von der Bras die Situation. 16e und 16i sind zwei Paragrafen im Sozialgesetzbuch, die die Förderung von Arbeitsplätzen für Langzeitarbeitslose regeln.
Werben für Unterstützung auf Bundesebene
Die große Sorge, die sich an diesem Tag zeigte, war, dass einmal eingestellte Projekte auch nicht mehr zurück ins Leben finden, sondern dauerhaft wegfallen. Wer und in welchem Maße allerdings von weiteren Kürzungen betroffen sein wird, steht noch nicht fest. Erst im November wird feststehen, wie viel Geld dem Jobcenter Bremen für die Arbeitsmarktförderung zur Verfügung steht. "Wir müssen aber davon ausgehen, dass es stark runtergeht", befürchtet Claudia Schlosser.
An Unterstützung mangelt es nicht. Neben Bürgerschaftsabgeordneten wie Elombo Bolayela (SPD) waren auch Bundestagspolitiker wie Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) nach Tenever gekommen. Karin Treu, Staatsrätin bei der Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration für den Bereich Arbeit: "Unser Anliegen ist, so viele Menschen wie möglich in Arbeit zu bringen." Allerdings gebe es überall Kürzungen. "Wir haben uns an die obersten Bundesstellen gewandt, dass wir in unserem Bundesland einen höheren Bedarf haben, als zum Beispiel Bayern oder Baden-Württemberg." Ob das allerdings reicht, um weitere Kürzungen in Bremen zu verhindern, wird sich im November zeigen.