Frau Höpker, Herr Tasan Sie sind Quartiersmanager in Tenever und im Schweizer Viertel. Was sind Ihre Aufgaben?
Aykut Tasan: Unsere Aufgabe ist, die Programme Wohnen in Nachbarschaften (Win), Lebendige Quartiere und Soziale Stadt und zukünftig Sozialer Zusammenhalt zu koordinieren und mit den Bürgerinnen und Bürgern und Akteuren vor Ort abzustimmen. Damit soll die soziale Kluft zwischen den Stadtteilen geschmälert werden.
Nun kann man sagen, das trotz der beiden Förderprogramme für benachteiligte Stadtteile, nicht weniger, sondern mehr Ortsteile sogenannte Win-Gebiete, also Fördergebiete sind. Woran liegt das?
Katrin Höpker: Die Situation hat sich verändert. Die soziale Spaltung in den Quartieren hat zugenommen und wir hatten zum Beispiel durch den starken Zuzug in den vergangenen Jahren ganz neue Herausforderungen.
Tasan: Die Probleme in den Quartieren sind sehr komplex und wir können diese mit den Programmen auch nicht wegzaubern. Aber wir wollen Impulse setzen. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit den Wohnungsbauunternehmen zur Verbesserung der Situation, indem wir die Infrastruktur, Freiflächen und die Angebote ausbauen.
Beide Programme haben den Anspruch basisdemokratisch zu sein, wie funktioniert das, gerade im Hinblick auf Corona?
Höpker: In Corona ist das schwer. Wenn wir in Präsenz tagen, aber auch online, werden in der Stadtteilgruppe die Projekte vorgestellt, was sie erreichen sollen, an wen sie sich richten. In der Regel wird darüber dann diskutiert und dann im Konsens von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern beschlossen.
Tasan: Ich habe Hybridveranstaltungen durchgeführt, also online und in Präsenz gleichzeitig, das war zwar sehr gut, aber auch sehr aufwendig.
Warum?
Tasan: Das ist eine One-Man-Show und kaum zu schaffen. Wir arbeiten ja alleine, obwohl wir beide Quartiere mit einer sehr hohen Bevölkerungsdichte im Geschosswohnungsbau haben und die damit verbundenen Problemlagen und Herausforderungen bei etwa 10.000 Bewohnerinnen und Bewohner pro Quartier.
Wer kann an den Sitzungen der Stadtteilgruppe beziehungsweise im Quartiersforum teilnehmen?
Höpker: Bewohnerinnen und Bewohner aus Tenever können sich beteiligen und es ist jeder willkommen, der sich für sein Quartier interessiert.
Mit dem Schweizer Viertel und Tenever gibt es gleich zwei Win-Gebiete in Tenever – wie klappt die Zusammenarbeit?
Tasan: Wir sehen das als Privileg und die Zusammenarbeit ist sehr eng, und schauen, dass wir keine Doppelstrukturen aufbauen. Bei einigen Projekten wie zum Beispiel dem Spielplatz an der Matterhornstraße können wir beispielsweise eine gemeinsame Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger machen.
Höpker: Gemeinsam ist man stärker. Ein gutes Beispiel ist, dass wir die Straßensozialarbeiter aufstocken. Wenn man zusammen arbeitet, ist das schon ein Pfund, das man nicht unterschätzen sollte.
Was sind das Projekte, die mit Win-Mitteln finanziert werden? Und was bringt es den Bewohnern?
Höpker: Es geht immer um den Mehrwert für die Menschen, zum Beispiel mit Bewegungs- und Gesundheitsangeboten, Sprachtrainings, Gesprächskreisen und Kinder- und Jugendförderung. Aber auch das gemeinsame Sommerfest und das Sommerferienprogramm für Kinder und Familien werden so finanziert.
Was gehört zu der Arbeit als Quartiersmanager noch?
Tasan: Es ist schon unsere Aufgabe mit offenen Augen durch das Quartier zu gehen und Probleme zu erkennen, aber auch Orte zu erkennen, wo wir die Infrastruktur zum Beispiel mit neuen Cafés oder Treffpunkten verbessern können.
Was sind da Beispiele?
Tasan: Die Verbraucherzentrale Bremen ist beispielsweise in das Schweizer Viertel gekommen, aber auch die Agab, also die Arbeitslosenrechtsberatung. Es ist auf jeden Fall wichtig, dass die Infrastruktur und die sozialen Einrichtungen vor Ort sind. Ebenso zählt dazu die Umsetzung des Cafés Schweizer Viertel und der Neubau des Spiel- und Jugendhauses Schweizer Viertel und der Mehrgenerationenplatz.
Es sind Millionen in die Bausubstanz, gerade in Tenever, geflossen. Hat es was genutzt?
Höpker: Die Sanierung Tenevers hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Tenever inzwischen ganz gut dasteht. Es war aber auch die Anbindung durch die Straßenbahn, denn Mobilität ist ein großes Thema für unsere Bewohner.
In den Quartieren gab es in der Vergangenheit häufiger Probleme mit Vandalismus und Drogen - sehen sie durch Corona zusätzliche Belastungen auf die Quartiere zukommen?
Höpker: Es ist gut, dass die Kop-Stellen (Kontaktpolizisten) wieder besetzt wurden. Das macht schon eine Menge aus. Und wir sind im engen Austausch mit den Jugendeinrichtungen. Daneben wurden die Jugendstreetworker aufgestockt. Schon im Austausch kann man so ganz viele Dinge klären.
Tasan: Die Folgen der Pandemie sind noch gar nicht abzusehen und wir wissen noch nicht, wie wir uns aufstellen müssen. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir in den Quartieren vorbereitet sind – uns fehlt ein Gesundheitszentrum sowie die Fachkräfte in den Kitas, Schulen und sozialen Einrichtungen.
Was ist für die Zukunft geplant?
Tasan: Wir wollen weiter die soziale Infrastruktur ausbauen, zum Beispiel ist der Neubau der Kita an der Graubündener Straße ein zentrales Anliegen und ein Schlüsselprojekt im Quartier, dass viele Eltern betrifft. Daneben wollen wir mit der Interessengemeinschaft Schweizer Viertel, Beirat und Ortsamt den Verkehrsraum am Schweizer Eck anschauen und freuen uns auf das Schweizer Foyer der Gewoba, dessen Bau in diesem Jahr beginnen soll.
Höpker: An der Neuwieder Straße wird ein neuer Supermarkt entstehen und geförderter Wohnungsbau. Die Freifläche für die Stadtteiloper bleibt auf dem Gelände erhalten, die zusammen mit der Gewoba und den Anwohnern entwickelt werden soll. Ich hoffe, dass Mitte des Jahres der aktuelle Planungsstand von der Gewoba präsentiert werden kann.
Was wünschen Sie sich von der Politik?
Höpker: Ich würde mir wünschen, dass sich die Bürgerschaftspolitiker mehr einsetzen für die Bewohner unserer Quartiere. Sie sollten nicht nur zu Stippvisiten vorbeikommen, sondern das Leben vor Ort kennenlernen.
Tasan: Wir haben eine geringe Wahlbeteiligung in unseren Quartieren und ich wünsche mir, dass die Politiker schon jetzt vor Ort sind und nicht erst kurz vor der kommenden Wahl.
Warum sollte die Politik und Gesellschaft genauer auf Ihre Quartiere schauen?
Tasan: Hier wächst die Zukunft heran. Die Diversität, die wir hier leben, wird sich zukünftig auf alle andere Quartiere übertragen.
Vervollständigen sie folgende Sätze: Tenever ist... Das Schweizer Viertel ist...
Höpker: Tenever ist lebendig.
Tasan: Das Schweizer Viertel ist für die Zukunft aufgestellt und ein guter Lebensraum für alle Menschen.