Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Sanierungsfall Warum hunderte Mieter dringend auf eine Sanierung warten

Zahlreiche Bewohner eines maroden Wohnblocks in Tenever mussten Weihnachten ohne Heizung und Heißwasser feiern. Eine Sanierung nach einem Brand steht aus, die Eigentümerin hält sich bedeckt.
09.01.2022, 19:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Warum hunderte Mieter dringend auf eine Sanierung warten
Von Christian Hasemann

Seit einem Brand im Juli 2020 warten die Bewohner eines Wohnblocks in der Neuwieder Straße in Tenever auf eine grundlegende Sanierung des Gebäudes. Über Weihnachten war nun tagelang ein Teil der Warmwasser- und Heizungsanlage ausgefallen. Bewohner und Politik wollen nun den Druck auf den Eigentümerkonzern erhöhen.

Bewohner Nesim Arslan sagt von sich, dass er unbequem sein kann: "Ich kann mich wehren." Damit meint er, dass er den Finger in die Wunde legt, Widerspruch gegen unklare Betriebskostenabrechnungen einlegt, Schäden meldet, Mängel beseitigt sehen möchte und dabei nicht locker lässt. Aber die vergangenen Jahre in der maroden Immobilie haben auch ihn mürbe gemacht.

Unverständliche Abrechnungen

"Die Geduld ist am Ende, lange macht man das nicht mehr mit", sagt er. Arslan spricht aber auch von seinen Nachbarn, die weniger findig sind, von denen nicht alle Deutsch können. "Viele verstehen zum Beispiel die Abrechnungen gar nicht", sagt er über den Ärger mit Betriebskostenabrechnungen. Und: "Es ist eine Frage des Klientels, einige können und wollen sich nicht wehren, andere sind froh, dass sie überhaupt ein Dach über den Kopf haben." Sehr viele Mieter bekämen Sozialleistungen, höhere Heizkosten würden ungeprüft vom Jobcenter übernommen. 

Von Seiten der Zentral Boden Vermietung und Verwaltung (ZBVV), der Verwaltungsgesellschaft des Gebäudes, wird es den Mietern nach Aussagen von Arslan schwer gemacht. "Es gibt nur noch eine Hotline eines externen Dienstleisters und das dauert alles sehr lange." An den Betreiber oder Sachbearbeiter der Verwaltungsgesellschaft und der Eigentümerin, die Zentral Boden Immobilien Gruppe (ZBI) aus Erlangen, die das Gebäude 2019 gekauft hat, kämen die Mieter gar nicht mehr heran. Eine detaillierte Betriebskostenabrechnung hätte er auch nach Einschalten des Mieterschutzbundes nie bekommen.

Keine Heizung an Weihnachten

Vor Weihnachten fiel schließlich ein Teil der Heizungsanlage aus. "Erst am Montag nach den Feiertagen wurde der Schaden behoben", sagt Arslan, der nach seinen Angaben noch am 23. Dezember eine Schadensmeldung abgegeben hatte. "Einige hatten keine Heizung, andere kein Warmwasser. Für viele war es ein kaltes Weihnachten." Für die Mieter eine böse Erinnerung an 2020: Damals brannte es nach einer Brandstiftung an der Fassade und in der Folge fiel die Heißwasserversorgung wochenlang aus. 

Nach den Feiertagen kam nun eine weitere, wenn auch angekündigte Hiobsbotschaft für die Mieter in der Neuwieder Straße. Der eingesetzte Sicherheitsdienst wurde komplett abgezogen. Knapp ein Jahr war ein Sicherheitsunternehmen vor Ort. "Und das hat sehr gut geklappt", sagt Arslan. "Die Türen waren zu, es gab weniger Ruhestörung, man hat sich sicherer gefühlt." Vor der Einstellung wurden die Zeiten des Sicherheitsdienstes eingeschränkt. "Da hat man schon gemerkt, dass es schlechter wird", sagt Arslan. "Dealer und Konsumenten kommen ins Haus, ein Drogenumschlagplatz wurde eingerichtet." 

Lesen Sie auch

Quartiersmanagerin Katrin Hoepker vertritt in Gesprächen mit der Verwaltungsgesellschaft und der Eigentümerin auch die Interessen der Mieterinnen und Mieter des Wohnblocks. Sie bestätigt Arslans Eindruck, dass die Situation durch den Abzug des Sicherheitsdienstes wieder schlechter geworden ist. "Im November gab es eher Schritte zurück, das war schon mal besser." Sie sagt, dass sich das Sicherheitsempfinden vor Ort wieder verbessern müsse. "Ich denke, das würde den Mietern am meisten bringen."

Das Gebäude ist inzwischen komplett eingerüstet, eine Auflage der Stadt wegen drohender herabfallender Fassadenteile, aber die geplante Sanierung hat noch nicht begonnen. "Da ist offenbar noch einiges in der Schwebe", sagt Hoepker. 

Tatsächlich hat das Unternehmen im vergangenen Jahr eine umfassende Sanierung der Fassade und des Daches angekündigt. Diese sollte, so der damalige Stand, bis 2023 abgeschlossen sein. Auf Anfrage des STADTTEIL-KURIER teilte eine Sprecherin der ZBV lediglich mit, dass die Hausverwaltung mit den entsprechenden Ansprechpartnern in Kontakt sei und selbstverständlich die Mieter zu gegebener Zeit informieren werde. 

Zum Sicherheitsdienst heißt es kurz: "Aktuell ist nicht vorgesehen, den Einsatz des Dienstes fortzusetzen." Auch zu den weiteren Fragen wie der Betriebskostenabrechnungen und Schäden an der Heizungsanlage fallen die Antworten eher schmallippig aus. "Den Mietern wurden vollständige Betriebskostenabrechnungen mit entsprechenden Erläuterungen zur Verfügung gestellt", heißt es vom Unternehmen. Grund für den Heizungsausfall sei ein defekter Warmwasserspeicher gewesen, der umgehend repariert worden sei. "Der Bedarf nach weiteren Sanierungen werde geprüft", so die Sprecherin.

Wunsch nach Eigentümerwechsel

Unterstützung bekommen die Mieter von Falk Wagner (SPD), Sprecher der Baudeputation. "Das Problem ist, dass ein Eigentümer zu Werke ist, der die Immobilie vor allem als Kapitalanlage nutzt." Die Lösung aus seiner Sicht: "Ein sozial verantwortlicher Eigentümer." Er meint damit eine der städtischen Wohnungsgesellschaften wie die Gewoba, die in Tenever ohnehin einen großen Teil der Immobilien in ihrem Besitz hat. Wagner hat mit der Lüssumer Heide ein Beispiel parat.

Dort hatte die Gewoba sanierungsbedürftige Immobilien dem Konzern Vonovia abgekauft. "Und es ist dann nicht so, dass die Gewoba goldene Wasserhähne verbaut, sie hält die Wohnungen einfach nur ganz normal in Schuss." Etwas, das offensichtlich in Tenever nicht in jedem Wohnblock funktioniert. Allerdings: Zu einem Verkauf kann die Stadt die ZBI nicht zwingen. 

"Es bleibt uns die Politik der kleinen Nadelstiche", beschreibt Wagner die Einflussmöglichkeiten der Stadt. Konkret nennt er drei Dinge, die den Mietern in Tenever, aber auch in anderen Quartieren künftig helfen könnten: "Erstens haben wir die Möglichkeit mit dem Ordnungsamt und dem Wohnungsaufsichtsgesetz einzuschreiten." Das sei in der Neuwieder Straße schon einmal geschehen.

Zweitens sei ein Landesprogramm auf den Weg gebracht worden, mit dem jeder Mieter in der Grundsicherung auf Kosten der Stadt Mitglied im Mieterschutzbund werden kann. "Wir haben als Stadt ein Interesse, dass die Mieterrechte gestärkt werden", so Wagner. Der Gedanke dahinter: Wenn sich mehr Menschen wie Nesim Arslan mit Unterstützung gegen zu hohe Betriebskostenabrechnungen oder Mängel wehren, desto eher können auch große Konzerne zum Einlenken gebracht werden. "Bei Sorge vor Mietminderungen fangen die oft an, sich zu bewegen", meint Wagner.

Als dritte Möglichkeit bringt Wagner die Idee einer Hausmeisterpflicht ins Spiel. "Da müssen wir prüfen, ob das rechtlich möglich ist." Die Erfahrung zeige, dass ein Verantwortlicher vor Ort schnell eingreifen könne und für die Bewohner ansprechbar sei. "Einige Unternehmen verstecken sich hinter Hotlines", so Wagner.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)