Die alte Dame wirkt noch rüstig und vital. Sie ist einer der Lieblinge von Andreas Block-Daniel. „Ein wunderschöner Baum. Man stellt sich davor und freut sich“, schwärmt er. Seit zwölf Jahren begutachtet der 68-jährige Bremer die Bäume im Bürgerpark und kennt jeden seiner Patienten sehr genau. Nach seiner herbstlichen Untersuchungsrunde müssen immer einige gefällt werden. Das tut weh, sagt er, müsse dann aber auch wirklich sein. Auch die wohl 160 Jahre alte Eiche am Rand des Asphaltwegs zählt zu den Sorgenkindern. An ihr nagt nicht nur der Zahn der Zeit, sondern vor allem der Riesenporling: Im Wurzelbereich auf der Schattenseite frisst sich der Parasit tief in das Innere.
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Rund 50 bis 60 Bäume werden es diesmal wieder sein, die gefällt werden, weil sie sonst irgendwann von selbst fallen. Besonders schmerzlich sei, dass es auch drei Ulmen getroffen hat, sagt Block-Daniel. „Das war ein Schlag.“ Im Bürgerpark hatten fast 50 Exemplare das große Ulmensterben überlebt: Ein eingeschleppter Käfer, der wiederum eine Pilzkrankheit übertrug, hatte den Bestand europaweit seit den 1960er-Jahren massiv dezimiert. Opfern musste man die seltenen Bäume, weil sie in riskante Schräglage geraten waren, immer mehr über den Weg kippten, der von Findorff aus Richtung Waldbühne führt. „Einer lehnte schon in der Eiche auf der anderen Seite“, erklärt der Baumgutachter.
Der nächste Sturm hätte die Ulmen entwurzelt. Gefahr war im Verzug, es musste schnell gehandelt werden. Bürgerpark-Mitarbeiter schreddern Kleinholz, die Stämme werden abtransportiert. Vielleicht kann man mit dem wertvollen Holz noch etwas anfangen, meint einer, vielleicht wird daraus eine schöne Bank. Was nicht brauchbar sei, werde zu Brennholz oder Pellets verarbeitet.

Paula Reinhardt ist Baumpflegerin, ihre Arbeit führt sie viele Meter in die Höhe.
„Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Baumpflege, Verkehrssicherheit von Bäumen und Baumwertentwicklung“ lautet seine offizielle Bezeichnung. Block-Daniel nenn sich und sein unabhängiges Gutachterbüro „Baumflüsterer.“ In dieser Funktion ist er bereits seit 25 Jahren gefragt, nicht nur in Bremen, sondern auch bundesweit. Oft gehe es dabei zum Beispiel um Nachbarschaftsstreitigkeiten, berichtet der Gartenbauingenieur.
Im Bürgerpark geht es vor allem um die Sicherheit: Es muss gewährleistet sein, dass keine Menschen zu Schaden kommen. Für Laien sei oft nicht verständlich, warum ein Baum gefällt werden müsse, der doch noch so prächtig und vital wirke, erzählt er. Zu Demonstrationszwecken ließ man daher einen mächtigen Eichenstamm auf einer Lichtung liegen – damit Parkbesucher sehen können, was von außen eben nicht ersichtlich ist: Der untere Stammbereich und der Wurzelstumpf waren komplett ausgehöhlt. Der Baum wurde stellenweise nur von einer zehn Zentimeter dicken Stammhülle gehalten. Nicht auszudenken, wäre er auf Spaziergänger gestürzt.
Viele Bäume sind am Ende ihrer Lebenserwartung
Etwa 12.000 Bäume stehen im Bürgerpark, fast 70 Prozent wurden gesetzt, als der Park zwischen 1866 und 1888 angelegt wurde. 160 Jahre sind kein Alter für eine Eiche, eine Ulme oder eine Linde, die jahrhundertealt werden können – vorausgesetzt, die Standortbedingungen sind optimal. Im Bürgerpark sei die Lebenserwartung geringer, erklärt der Gutachter. Viele der Bäume aus der Gründerzeit gingen auf ihr Lebensende zu. Beschleunigt werde dies durch die „Klimasachen“, sagt er.
Dazu kommt: Neue Schädlinge oder Krankheiten machen ihnen zu schaffen, die man früher nicht kannte oder keine Probleme bereiteten. Sie treffen auf Bäume, deren Widerstandskraft geschwächt ist – zum Beispiel durch lange Trockenperioden. „Es gab mehrere Jahre, in denen es im Frühjahr sehr wenig regnete“, erklärt Block-Daniel. „Das ist die Zeit, in der Bäume besonders viel Wasser für den Kronenaufbau brauchen. Die kriegen dann einen Schlag weg.“ Auch die Kombination von Sturm und Starkregen, der den Boden aufweiche, setze ihnen zu. "Das hatten wir früher nicht in diesen Extremen.“

Auch Schädlinge machen den Bäumen im Bürgerpark zu schaffen, sagt Andreas Block-Daniel.
Block-Daniel zeigt auf eine hohe alte Esche: „Wenn die oben ganz zerrupft aussieht, ist das ein Zeichen für das Eschentriebsterben.“ Auslöser sei ein Pilz, der sich über den Wind verbreite. „Ein ganz großes Problem. Die Äste werden innerhalb kürzester Zeit morsch und sterben ab.“ Ganz ungewöhnlich sei, dass auch mehrere junge Eschen im Bürgerpark Krankheitssymptome zeigten, denn normalerweise befalle der Pilz nur altersschwache Bäume. „Manchmal sterben junge Bäume, und du stehst davor und weißt nicht warum“, sagt er. „Genau wie bei uns Menschen.“
Wenn der Baumflüsterer mit seinem roten Kombi durch den Bürgerpark fährt, erntet er erstaunte, oft auch böse Blicke. Ein Radfahrer schimpft wie ein Rohrspatz. Die auffälligen Aufkleber, die den motorisierten Eindringling auf beiden Vordertüren als Fachmann ausweisen, sind ihm wohl entgangen. Das ist Block-Daniel gewohnt, die Laune lässt er sich davon nicht verderben. Wer allerdings Sturmwarnungen ignoriert und sein Leben riskiert, wird seinen Unmut zu hören bekommen.
Der Baumgutachter erinnert an den heftigen Sturm im Sommer des vergangenen Jahres, als er mit dem Parkdirektor die Sturmschäden aufnahm. „Sturmwarnung heißt: Es besteht Lebensgefahr. Und trotzdem waren da Familien mit kleinen Kindern, die auf den Ästen herumkletterten. Absperrungen wurden einfach weggeschoben. Wenn man die Leute wegschickt, werden sie noch sauer oder sagen: Ach, da wird schon nichts passieren“, berichtet er. „Wenn ich so etwas höre, kriege ich einen Hals."

Wenn Bäume nicht mehr zu retten sind, werden sie gefällt – damit sie unter anderem nicht zum Sicherheitsrisiko werden.
Die 12.000 Bürgerpark-Bäume sind in einem Kataster registriert, das zurzeit um die etwa 8000 Bäume im jüngeren Stadtwald erweitert wird. 130 davon standen in diesem Herbst auf der Liste der Patienten, die sich der Gutachter bei seiner dreiwöchigen Untersuchungstour ganz genau angeschaut hat. Darunter auch die alte Eiche, die im Laufe ihrer 160 Jahre dem Licht und dem Asphaltweg entgegengewachsen ist.
Welchen Schaden der Riesenporling angerichtet hat, ist ihr nicht anzusehen. „Den Pilz von außen zu entfernen, bringt überhaupt nichts“, erklärt Block-Daniel. „Er ist nur der Fruchtkörper, der sich an der Oberfläche zeigt. Das unterirdische Mycel, das die Wurzeln angreift, sieht man nicht.“ Darum kommt „Resi“ ins Spiel, der digitale Resistograf, der mit Hilfe einer dünnen, 30 Zentimeter langen Bohrnadel messen kann, welche Wurzelbereiche bereits verfault sind. Die Diagnose für die alte Dame ist erfreulich: Noch sei der Befall im Frühstadium, sagt der Gutachter, „ein paar Jahre werden ihr noch bleiben.“
„Bäume haben mich schon immer interessiert“, erklärt der Bremer, der sein Leben lang in Bürgerpark-Nähe zu Hause ist. „Sie geben mir ein gutes Gefühl.“ Feste Stationen bei seinen beruflichen Fahrten und den Spaziergängen mit den Enkeln sind daher auch mehr als ein Dutzend vergleichsweise junger Exemplare, die er dem Park im Laufe der Jahre geschenkt hat. „Wenn hier ein Baum gefällt wird, hat das immer einen triftigen Grund“, betont er. „Mir tut es um jeden einzelnen Baum leid. Und darum möchte ich dem Bürgerpark auch immer etwas zurückgeben.“