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Forschungsprojekt Lüder Rutenberg Auf und hinter die Fassaden geschaut

Der Baumeister Lüder Rutenberg hat vor allem in Bremer Ostertor zahlreiche Spuren hinterlassen. Und genau diesen ist Medienkünstler Michael Weisser für sein neuestes Projekt auf der Spur.
06.02.2022, 08:00 Uhr
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Von Britta Kluth

Wer durch Bremen spaziert, kommt an ihm nicht vorbei: Lüder Rutenbergs Erbe begegnet man heute noch in vielen Straßen, insbesondere in der Östlichen Vorstadt. Der Baumeister, der 1816 das Licht der Welt erblickte, ist für den ersten Bau der Kunsthalle verantwortlich, im Ostertor tragen einige Straßenzüge seine Handschrift, aber auch in Wilhelmshaven, Bremerhaven und Eimbeckhausen war er aktiv. Er hat bis heute zahlreiche Werke hinterlassen und genau diesen ist Michael Weisser derzeit auf der Spur. Der Medienkünstler beschäftigt sich im Rahmen seines neuen kulturellen Forschungsprojekts mit der Familie Rutenberg. Daher sucht er Bewohner von Rutenberg-Häusern, die ihm ihre Türen öffnen.

Bei seiner Arbeit legt Weisser den Fokus nicht nur auf die Familiengeschichte, sondern vor allem auf die Bauwerke Rutenbergs, deren Ornamentik er von außen wie auch von innen dokumentiert. Dafür hat er schon so einige historische Bremer Häuser besucht. Eines seiner jüngsten Projekte führte den gebürtigen Cuxhavener auf den Riensberger Friedhof. Ein Jahr lang fotografierte er Grabanlagen zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten, beschäftigte sich mit der Geschichte von Skulpturen, sammelte und analysierte Grabdokumente und lüftete so manches Geheimnis.

Analog mit Digital verbunden

Die Ergebnisse veröffentlichte er in einem Buch und vernetzte dabei Analog mit Digital (wir berichteten). Denn mit den im Buch abgedruckten QR-Codes gelangt man direkt auf seine Website mit weiteren Bildern, Informationen, Geschichten und Klängen zum Riensberger Friedhof.

Während seiner Recherche erhielt Weisser auch die Möglichkeit, die beiden Mausoleen zu betreten. Eines davon ist das der Familie Rutenberg. „Für mich war es ein ganz besonderes Erlebnis, die Mausoleumskappelle und die darunter befindliche Gruft mit den alten Zinksärgen zu besichtigen“, erinnert er sich. „Das ist ein Ort, den bislang kaum jemand gesehen hat. Durch den Kontakt zu den Nachkommen von Lüder Rutenberg, der Familie Leisewitz, haben sich für mich viele historische und künstlerische Geheimnisse erschlossen.“

Rutenberg war ein unglaublich ambitionierter, ideenreicher und von sich überzeugter Mann.
Michael Weisser

Die zwei Namen, Leisewitz und Rutenberg, gehören in Bremen untrennbar zusammen. Lambert Leisewitz heiratete im Jahre 1872 die Tochter von Lüder Rutenberg, der außer seinem ermordeten Sohn Christian keine männlichen Nachfahren hatte. Rutenberg war Gründer und Mitinhaber der Kaiserbrauerei Beck & Co und übertrug seinem Schwiegersohn 1873 die Leitung des Unternehmens. 

„Die Familie Leisewitz hat mich um eine Chronik der Familie und ihres Rittergutes Valenbrook bei Bederkesa gebeten. Es war ein großer Moment, all die historischen Dokumente sichten zu dürfen“, schwärmt Weisser. „Dabei stieß ich auch auf Unterlagen von Lüder Rutenberg, was mich zu meiner aktuellen Monografie inspirierte, denn der wahre Lüder Rutenberg ist noch unbekannt.“

Fasziniert von der Vielschichtigkeit

Den Medienkünstler und Kunsthistoriker Weisser faszinierte vor allem die Vielschichtigkeit der Person. „Rutenberg war ein unglaublich ambitionierter, ideenreicher und von sich überzeugter Mann, der mehrere Eigenschaften und Talente in sich vereinte. Er war Handwerker, Stadtentwickler und Unternehmer. Jemand, der wusste, wie das Prinzip von Angebot und Nachfrage funktioniert und das wirtschaftlich sehr erfolgreich ausnutzte.

Wohnraum schuf er für wohlhabende Familien ebenso wie für die arbeitende Klasse in der Pagentornerstraße und mit dem Rutenstift in der Humboldtstraße. “Viele Einzelhäuser und Hausensembles Rutenbergs seien heute noch erhalten. Im Fesenfeld und Ostertor prägen die Reihenhäuser ganze Straßenzüge, zum Beispiel in der Rutenstraße, Mathildenstraße, Besselstraße, Herderstraße, Humboldtstraße und Kohlhökerstraße. Am Dobben 91, wo heute das Ortsamt Mitte seinen Sitz hat, befand sich einst das Familiendomizil.

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Bei seiner Recherche im Staatsarchiv und in Familienarchiven taucht Michael Weisser tief ein in die Stadtplanung des 19. Jahrhunderts und in das damalige Leben und Wohnen. Er beschäftigt sich intensiv mit dem Bremer Haustyp und schaut auch fotografisch hinter die Fassaden.

Speziell die Besonderheiten der Interieurs und der Ornamentik in den Treppenhäusern und Zimmern faszinieren ihn. „Die Treppenhäuser sind zu einem Schwerpunkt meiner aktuellen Forschung geworden. Ich gehe der Frage nach, inwieweit sich durch Stilmerkmale der Treppenhäuser ablesen lässt, ob das Haus von Lüder Rutenberg entworfen und erbaut wurde. Dabei habe ich schon einige Überraschungen erlebt und Neues entdeckt.“

Für seine wissenschaftliche Forschung und die anschließende künstlerische Verdichtung erfasst er außerdem Vergleichsobjekte anderer Baumeister. Besonders einer geriet in seinen Fokus. „Es gibt einen Verwandten von Lüder, der ebenfalls sehr rege in Bremen wirkte. Er heißt Heinrich Rutenberg und wurde 1859 geboren. Wie Lüder arbeitete auch er sich vom Maurergesellen zum Maurermeister hoch und realisierte als Architekt und Bauunternehmer um die Jahrhundertwende ganze Straßenzüge und Ensembles vorwiegend im Bereich Schwachhausen, in der Elsasser, Hagenauer, Lothringer und Graf-Moltke-Straße.“

Michael Weisser hofft nun, dass er weitere Rutenberg-Hausbewohner findet, die sich an seinem Projekt beteiligen. „Ich würde mir gern in den genannten Straßen noch mehr Häuser von innen anschauen und Bauteile und Bauornamentik fotografieren.“ Bei seinen Fototerminen haben sich bereits spannende Gespräche mit den Eigentümern ergeben. So habe er viele wertvolle Details zu den Häusern oder den vorherigen Bewohnern erfahren. „Die Informationen sollen in mein neues Buch einfließen, das nicht nur ein Beitrag zu einer zeitgemäßen Heimatforschung sein soll, sondern mit dem ich auch eine neue Form von künstlerischer Verdichtung zum Thema Rutenberg schaffen möchte.“

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Info

Um einen noch besseren Einblick und Vergleich zu bekommen, sucht Michael Weisser Bewohner von Rutenberg-Häusern, die seine Forschung unterstützen wollen oder an der Geschichte ihres Hauses Interesse haben und ihm die Türe öffnen. Interessierte können sich per E-Mail an mikeweisser@yahoo.de wenden.

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