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Serie: Arbeiten an der Weser Verantwortlich für 130 Millionen Liter Wasser

Seit über 30 Jahren kümmert sich Sven Weddermann als Leiter der Verfahrenstechnik in der Kläranlage Seehausen um die Renigung des Bremer Abwassers. Ein vielseitiger Job zwischen Büro, Labor und Technik.
16.08.2023, 05:00 Uhr
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Verantwortlich für 130 Millionen Liter Wasser
Von Timo Thalmann

Fragt man Sven Weddermann nach seinem Arbeitsort, dann arbeitet er nicht nur an der Weser, sondern auch für die Weser. Denn als „Leiter Verfahrenstechnik“ der Kläranlage in Seehausen – so sein offizieller Titel – fühlt er sich verantwortlich für rund 130 Millionen Liter Wasser, die nach der Reinigung aus der Anlage täglich in die Weser strömen. Den Fluss hat er daher immer vor Augen, auch wenn ihm der Blick auf die Weser von seinem Büro aus inzwischen versperrt ist. Die letzte Deicherhöhung hat ihm die direkte Sicht genommen.

Von der Dachterrasse des Verwaltungsgebäudes reicht der Blick dagegen weit in die Umgebung über den Fluss, etwa zum Stahlwerk auf dem gegenüber liegenden Ufer. Aber auch weite Teile des rund 30 Hektar großen Areals der Kläranlage können von hier überblickt werden. „Ich bin im Grunde für den reibungslosen Durchlauf hier verantwortlich“, sagt Weddermann. Seine Zuständigkeit beginnt beim ankommenden Schmutzwasser und endet beim Auslauf in die Weser. Für jede Reinigungsstufe gibt es natürlich Spezialisten unter den rund 200 Mitarbeitern der Anlage, aber Weddermann hat mit seinem Zwölf-Personen-Team den Gesamtprozess im Blick. Falls es irgendwo hakt, ist er gefordert – und irgendwas ist ja immer.

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Aktuell zum Beispiel fehlt eine der zwei Zentrifugen, mit denen der Klärschlamm getrocknet wird. „Das war eine reguläre Wartung, aus der sich dann ein längerer Ausfall entwickelte“, erzählt Weddermann. Die Lagerkapazitäten für den Klärschlamm seien nicht unendlich groß, also galt es, Ersatz zu improvisieren. Das ist eine mobile Zentrifuge auf einem Hänger, aber die muss natürlich angeschlossen und in den Durchlauf integriert werden. „Und so etwas muss immer alles im laufenden Betrieb passieren“, erläutert Weddermann die Herausforderung. Ein Stopp der Anlage sei unmöglich. „Wir können den Bremern ja schlecht sagen, jetzt lasst mal einen Tag Küche und Badezimmer in Ruhe, wir müssen das Klärwerk für eine Reparatur abstellen.“

Seit über 30 Jahren ist Weddermann auf der Anlage unterwegs. Direkt nach der Mittleren Reife hat er 1990 mit 16 Jahren eine Ausbildung beim damaligen Amt für Stadtentwässerung und Abfallwirtschaft begonnen. Ver- und Entsorger nannte sich der Beruf seinerzeit, heute ist daraus die Fachkraft für Abwassertechnik geworden. Aber auch diese Bezeichnung steht gerade wieder auf dem Prüfstand. „Das wird wohl auf Fachkraft für Umwelttechnik mit Schwerpunkt Abwasser oder so ähnlich hinauslaufen“, sagt Weddermann, der inzwischen den Titel des Abwassermeisters trägt.

Bereut hat er seine Berufswahl nie. „Mich hat damals angesprochen, dass der Job auch mit Chemie zu tun hatte“, erinnert er sich. Tatsächlich verbringt er bis heute viel Arbeitszeit im Labor. Rund 39.000 Abwasseranalysen pro Jahr werden dort vorgenommen, um die Qualität des gereinigten Abwassers sicherzustellen. Die ist über die Jahre immer besser geworden. „Wir entfernen heute etwa 97 Prozent des Phosphors, 86 Prozent der Stickstoffverbindungen und 99 Prozent aller Kohlenstoffverbindungen aus dem Abwasser.“

Kein Vergleich zu den Anfangsjahren ab 1966, als lediglich der grobe Schmutz herausgesiebt wurde und das Wasser einfach in den Klärbecken stand, bis die festen Stoffe zu Boden sanken und die Fette obenauf schwammen und abgeschöpft wurden. Als Weddermann hier begann, war die biologische Reinigung erst einige Jahre zuvor gestartet. Deren Ausbau hat er Mitte der neunziger Jahre selbst mitgestaltet. Erst seitdem arbeiten sich verschiedene Mikroorganismen in den Becken an den Phosphor- und  Stickstoffverbindungen ab.

Inzwischen liegen Pläne für weitere Reinigungsstufen in den Schubladen. Da geht es um schädliche Spurenelemente, Medikamentenrückstände und auch Mikroplastik. Die Einträge solcher Stoffe in die Weser durch die Kläranlage schätzt Weddermann allerdings als eher gering ein. „Wir haben vor und hinter unserem Auslauf gemessen, was wir dazu beisteuern, und das ist alles knapp über der Nachweisgrenze.“ Aber wenn aus dem momentanen Stand der Wissenschaft der anerkannte Stand der Technik wird, werde man die entsprechenden Reinigungsstufen bauen.

Sogar erste Überlegungen, wie man das gereinigte Abwasser noch weiter zu Trink- oder wenigstens Brauchwasser aufbereiten kann, kursieren bereits in der Branche. „Bislang war Wassermangel bei uns ja kein Thema, aber durch den Klimawandel kommen solche Fragen irgendwann auf uns zu“, schätzt Weddermann. Unruhig wird er deswegen nicht, eher findet er Veränderungen spannend. Überhaupt schätzt er an seiner Tätigkeit die Abwechslung und die Vielfältigkeit der Aufgaben zwischen Büro, Labor und Technik. „Ich bin seit 2001 hier in der Leitungsfunktion und seitdem hat sich meine Arbeit immer wieder gewandelt“, bilanziert er. Ein beruflicher Wechsel aufgrund langweiliger Routine sei ihm jedenfalls nie in den Sinn gekommen.

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