Der Übergang von der Kita in die Grundschule ist für Schülerinnen und Schüler – und wohl auch für die Eltern – ein großer Schritt. Damit alle Kinder, die eingeschult werden, dort auch tatsächlich mitkommen, werden in Bremen alle angehenden Grundschüler untersucht. Wie diese Ergebnisse für die Vahr aussehen und was sich daraus für Maßnahmen ableiten lassen, hat sich nun der zuständige Vahrer Bildungsausschuss vom Gesundheitsamt erklären lassen.
Alle Kinder werden untersucht
"Die Schuleingangsuntersuchung ist eine gesetzliche Pflichtuntersuchung und die einzige Untersuchung, wo wir alle Kinder ein Jahr vor Schulbeginn untersuchen", unterstrich Simon Walz, Kinderarzt und Referatsleiter im Gesundheitsamt, die statistische Bedeutung. Es handele sich dabei um standardisierte Untersuchungen, die für alle Kinder gleich seien. Festgestellt werden unter anderem die motorischen Fähigkeiten, der Sprachstand und das Verständnis von Zahlen. Aus diesen Kriterien leitet sich dann ab, ob ein Kind als schulbereit gilt oder nicht.
Walz stellte klar: "Wir beraten und empfehlen. Das Bildungsressort entscheidet dann, was es mit dem Untersuchungsergebnis macht." Er hob außerdem eine Besonderheit in Bremen hervor. "Wir sind die einzige Stadt in Deutschland, die auch während der Corona-Epidemie alle Kinder untersucht hat, und können deswegen zeigen, was die Auswirkungen sind."
Diese Auswirkungen lassen sich unter anderem wiegen. "Das Spannende: Der Anteil von Übergewicht und Adipositas schwankte zwischen elf und zwölf Prozent", erklärte Walz, "und dann kam Corona." In der Statistik lässt sich dies als ein Sprung um vier Prozentpunkte nach oben ablesen. "Meine Hoffnung war, dass es nach Corona wieder zurückgeht, aber es ist so, dass es 2023 wieder angestiegen ist."
Zum Schuljahr 2024/2025 lag der Anteil an übergewichtigen Kindern in der Vahr bei etwas über 14 Prozent. Im Vergleich: Der Anteil der übergewichtigen Kinder in Schwachhausen lag demnach bei vier Prozent. Ähnlich unterscheiden sich die Zahlen bei den Deutschkenntnissen. Annähernd 45 Prozent der untersuchten Kinder in der Vahr machen demnach erhebliche Fehler, in Schwachhausen dagegen etwas mehr als zehn Prozent. Der Bremer Durchschnitt liegt bei annähernd 35 Prozent. Ein ähnliches Bild beim Zählen: "Wir hatten schon vor Corona immer mehr Kinder, die nicht sicher bis 13 zählen können. Ich finde das sehr, sehr erschreckend", sagte Walz.
Lösungsansätze in der Vahr
Dass in sozial benachteiligten Quartieren beispielsweise die Quote übergewichtiger Kinder höher ist als in sozial bessergestellten Quartieren, ist keine neue Erkenntnis. Tatsächlich hat die Politik schon vor Jahren darauf reagiert und beispielsweise Gesundheitsfachkräfte an einigen Schulen etabliert.
Aber es sind nicht nur die Kinder, an denen Projekte und Initiativen versuchen anzusetzen. Letztlich sind die Eltern Vorbilder für die Kinder. Mütterzentren, aber auch Projekte wie Männersache Gesundheit in Osterholz, setzen daher bei den Erwachsenen an, beispielsweise mit Angeboten zu Gesundheitsprävention, Ernährung, Sport und Erziehung. Denn auch das wissen Gesundheitsforscher: Armut macht krank. Umgekehrt gilt allerdings auch häufig: Krankheit macht arm. Ein Teufelskreis. Das schlägt sich auch in der Lebenserwartung nieder, die in sozial benachteiligten Quartieren signifikant niedriger ist.
Auch bei der Sprachförderung gibt es mehrere Projekte, die versuchen, die Defizite aufzufangen. In Hemelingen gibt es seit Jahren das Mitsprache-Projekt, das Kindern mit Sprachförderbedarf zusätzliche Hilfestellung gibt. Allein: All diese Maßnahmen reichen offenbar noch nicht aus.
Verantwortung liegt bei Eltern
Petra Hoya (CDU) sieht nicht nur Politik, Erzieher, Lehrerinnen und Gesundheitsfachkräfte in der Verantwortung. "Was mit auffällt, ist, dass Eltern Verantwortung abgeben. Ich weiß nicht, ob sie überfordert sind und sich denken, dass andere die Arbeit übernehmen." Aber auch Eltern hätten einen Erziehungsauftrag. "Da müssen wir wieder hin. Wenn Erzieher wickeln müssen in der Kita, fehlt die Zeit für die pädagogische Arbeit mit Kindern."
Kinder, die keine Kita besuchen, sollen in Bremen vorrangig ein Jahr vor Schulbeginn einen Kitaplatz bekommen, das sogenannte Kita-Brückenjahr. Ob das ausreicht, um etwaige Rückstände aufzuholen, ist offenbar fraglich. "Kommunikation beginnt schon im Mutterleib", so Walz. Es sei in einem Jahr kaum aufzuholen, wenn fünf Jahre vorher wenig passiert sei.
Ein Thema war auch der Medienkonsum der Kinder. Laut einer OECD-Studie verbringen gerade deutsche Kinder besonders viel Zeit vor Bildschirmen. Einfache Lösungen sieht Walz auch an dieser Stelle nicht. "Da braucht es ein gesamtgesellschaftliches Konzept", so seine persönliche Einschätzung. In Bremen soll zumindest die Handynutzung zum ersten Juni dieses Jahres in den Schulen verboten werden.