Fast alles ist raus und vieles sortiert: Möbel, Dämmstoffe, Teppiche, Trockenbauwände. Seit Oktober wird die Strandlust entkernt – und ab nächster Woche in Zonen unterteilt, die ausschließlich durch Schleusen betreten werden können. Und nur mit Maske, Schutzbrille und Einweganzug. Dann beginnt die Schadstoffsanierung, die letzte Phase vor dem Abriss des Traditionshotels am Vegesacker Fähranleger. In vier Wochen wollen die Arbeiter so weit sein, dass erste Wände fallen. Was komplizierter wird als anfangs angenommen. Ein Baustellenbesuch.

Der Saal im Parterre: Alles ist geräumt, damit die Schadstoffsanierer den Boden entfernen können, unter dem ein belasteter Kleber ist.
Jenny Brandt und Gregor Mielke sind da. Beide wollen an diesem Nachmittag zeigen, was die Arbeiter bisher gemacht haben – und was sie noch machen müssen. Brandt ist die Projektmanagerin der Entwicklungsgesellschaft, die eine neue Strandlust plant – Mielke der Chef der Firma, die den Auftrag bekommen hat, sie abzureißen. Seit einem halben Jahr beschäftigt sie das Projekt. Er sagt, seit fast 30 Jahren im Geschäft zu sein, aber selten mit einem Bau zu tun zu haben, der so ist wie dieser: so verschachtelt. Eigentlich, meint Mielke, geht es nicht um ein einziges Gebäude, sondern um fünf. Und könnte man Teile des Parterres einfach abtragen, ohne dass die darüberliegenden Geschosse einstürzen würden. So komplex sei das Trägerwerk durch die zahlreichen Anbauten, die mit den Jahren dazugekommen sind. Was es nicht einfacher macht, alles Wand für Wand und Etage für Etage zum Einsturz zu bringen.

Die Fensterseite zur Weser: Säcke voller Mineralwolle reihen sich in diesem Teil des Gebäudes.
Die Projektmanagerin und der Firmenchef gehen voran. Vorbei an gefliesten Räumen, in denen früher die Lebensmittel gelagert wurden. Durch den Küchentrakt, der so groß ist, dass die übrig gebliebenen XXL-Stahlkessel, -Grills und -Warmhalteöfen klein aussehen. Zum Saal, in dem mal Parteitage abgehalten, Geburtstage gefeiert und Bälle ausgerichtet worden sind und sich jetzt Säcke voller Mineralwolle reihen. So viele, dass der Abschnitt der hinteren Fensterfront der Strandlust gerade mal für alle reicht. Mielke hat es im Kopf überschlagen, was beim Abriss anfallen wird. Er kommt auf 11.000 Tonnen Bauschutt, 300 Tonnen Stahl, 400 Kubikmeter Dämmstoffe. Und ungefähr auf 400 Container, in denen alles weggeschafft wird. Anderes ist schon fort. Zum Beispiel das Gros der Trockenbauwände – 140 Tonnen. Zum Beispiel die Holzvertäfelung – 80 Tonnen. Zum Beispiel der Teppich – 50 Tonnen.

Im Küchentrakt: Fast alles ist inzwischen raus, was recycelt werden kann.
Mielke tippt mit der Fußspitze auf den Holzboden. Demnächst, sagt er, kommt der an die Reihe. Was nicht mal eben so passiert, sondern unter Vollschutz. Unter dem Holz ist ein Kleber, der früher erlaubt war und heute verboten ist. Der Firmenchef spricht von PCB. Das Kürzel steht für Polychlorierte Biphenyle, einen Stoff, der gesundheitsschädlich ist. Und der in der Strandlust großflächig vorkommt: auf 1400 Quadratmetern. Mielke war am Vormittag in Hamburg, um spezielle Maschinen zu ordern, die noch besser sind als die, die er bisher eingesetzt hat, um solche Kleber zu entfernen – und die seit Kurzem vorgeschrieben sind. In dieser Woche sollen die Apparate geliefert werden, damit in der nächsten die Schadstoffsanierung losgehen kann. Nicht nur im Erdgeschoss. Der Saal ist mittlerweile so aufgeräumt, als würden die Arbeiter gleich damit anfangen, das Holz vom Boden anzuheben.

Die Front der Strandlust: Planer gehen davon, dass das Gebäude im Juni abgerissen ist.
Die Sachverständigen haben auch auf anderen Etagen verbotene Baustoffe gefunden. Künstliche Mineralfasern in der Dämmung und der Rohrverkleidung sowie Asbest in verschiedenen Elementen des Daches. Brandt und Mielke gehen davon aus, dass es vier Wochen dauern wird, aus allen Schwarzbereichen nach und nach Weißbereiche zu machen: aus belasteten Räumen und Fluren, unbelastete. Darum haben die Arbeiter auch noch nicht alles und überall entkernt, sondern eben nur dort, wo Mielke und die Gutachter davon ausgehen, dass sich nichts Schädliches unter Böden und hinter Deckenkonstruktionen verbirgt. Auf den beiden oberen Etagen sind die Arbeiten deshalb weiter als etwa im Erdgeschoss. Dort sind mittlerweile alle Wände raus, sodass aus den Geschossen jetzt nahezu ein einziger großer Raum geworden ist – und der Wegweiser zu den Zimmern 215 bis 230 überflüssig.

Hat ein halbes Jahr die Arbeiten vorbereitet: Gregor Mielke, Chef der Abrissfirma.
Brandt und Mielke stehen im zweiten Obergeschoss zwischen Schutt, der fein säuberlich in Bahnen zusammengeschaufelt wurde. Der Chef der Abrissfirma sagt, dass alles aussortiert worden ist, was kein Beton ist und die Haufen deshalb liegen bleiben können, wenn die Bagger mit den Betonscheren kommen. Zwei werden es sein. Und beide werden nach einem genauen Plan vorgehen. Erst sollen sie sich von der Stadtgarten-Seite bis in die Mitte der Strandlust vorarbeiten, dann das Gebäude längs teilen. Bevor die eine Hälfte mit dem Eingang wegkommt, wird die hintere an der Wasserseite abgerissen. Aus einem simplen Grund, wie Mielke meint. Bleibt der vordere Teil stehen, bekommen die Bewohner der Nachbarhäuser weniger Lärm und Staub ab. So der Plan. Ob er aufgeht, wird sich ab Februar zeigen. Nach dem Zeitplan von Projektmanagerin Brandt soll Anfang Juni die Strandlust endgültig Geschichte sein.

Managt das Millionenprojekt, das aus der alten Strandlust eine neue machen soll: Jenny Brandt von der Projektentwicklergesellschaft.
Wenn denn alles glatt läuft. Mielke will wieder runter und deutlich machen, was die Herausforderung bei diesem Abriss ist. Vor den Fenstern zur Weser bleibt er stehen und zeigt mit dem Finger auf ein Geländer aus Stahl und Panzerglas. Es ist der Hochwasserschutz des Hauses. Während die Fassade wegkann, muss er bleiben. Zwischen beiden sind nach Schätzung von Brandt siebzig Zentimeter. Was nicht viel ist, wenn tonnenschwere Baggergreifer zum Einsatz kommen. Die Projektmanagerin sagt, dass der alte Hochwasserschutz erst abgerissen werden kann, wenn der für die Neubauarbeiten erforderliche Nachfolger genehmigt ist. Und dass kann dauern. Ihr zufolge ein Jahr mindestens. Mit anderen Worten: Das Geländer wird noch Monate zu sehen sein, wenn die Strandlust längst verschwunden ist. Und muss Mielke im nächsten Jahr, bevor die neue Strandlust gebaut wird, noch einmal kommen, um den bisherigen Schutz abzureißen.
Ursprünglich hatten die Projektentwickler angenommen, dass der Abriss ungefähr eine halbe Million Euro kosten wird, inzwischen – meint Brandt – kalkulieren sie mit einem höheren Betrag. Wie hoch er ist, kann sie nach eigenem Bekunden nicht sagen. Ihr zufolge rechnen die Planer noch.