Mit der Strandlust verbinden viele Nordbremer Erinnerungen. Hier feierten die Reiter, die Ruderer, die Schützen, die Jäger, die Bundeswehr, die SAV, der TSV Lesum, der VTV, die Gärtner und Tanzschüler rauschende Bälle. Hier wurden Skat- und Bridge-Turniere gespielt, neueste Frisuren- und Modetrends vorgestellt, Friseure freigesprochen und der Vegesacker Junge gewählt. Es gab Neujahrsempfänge, Oktoberfeste, Karnevalsfeiern und den Maibock-Anstich der Ehrenwerten Gesellschaft. Radio Bremen sendete aus dem großen Saal seine Hafenkonzerte und der Bremer Vulkan lud nach seinen Stapelläufen zum Essen. Einer, der sich besonders gut erinnert, ist Herbert Jüchter. Fast 40 Jahre hat er in der Strandlust als Kellner gearbeitet.
Seine Auftritte, bei denen er Champagner-Flaschen mit dem Säbel öffnete, sind legendär. Ebenso beliebt war der heute 79-Jährige bei seinen Gästen für seinen besonderen Humor und Charme. Für viele ist deshalb auch er Teil ihrer Erinnerungen an die Strandlust. Mit einem großen Fest verabschiedete sich der Nordbremer bereits 2008 offiziell in den Ruhestand – mit mehr als 600 Gästen, darunter auch der damalige Bürgermeister Jens Böhrnsen. Tatsächlich blieb Herbert Jüchter der Strandlust auch weiterhin treu und arbeitete auf geringfügiger Basis noch mehrere Jahre weiter.
Bis heute übernimmt er die Rolle des Kellners bei privaten Feiern und serviert das Essen bei der Schaffermahlzeit. Die Zeit in der Strandlust vermisst er trotzdem. "Das Besondere war das Betriebsklima. Wir waren eine große Familie", sagt er. Nach einer Kellner-Lehre im Hotel zur Post in Bremen fuhr er als Steward zu See und arbeitete als Ordonnanz im Offizierskasino in der Schwaneweder Kaserne. Am 3. Mai 1977 hatte er seinen ersten Tag als Kellner in der Strandlust. Pächter waren zu dieser Zeit Trudel und Alex Schmalz. "Ich habe mich vorgestellt und gleich am nächsten Tag angefangen. Das lief ganz unkompliziert damals", erzählt er. Seiner nächster Chef war 25 Jahre lang Lutz Diedrich. Anschließend übernahm Philipp Thiekötter. Er hatte zunächst als Lehrling, später als Arbeitskollege und schließlich als Chef mit Jüchter zusammengearbeitet.
Als Restaurantleiter arbeitete Herbert Jüchter mit einem Team aus zehn Kellnerinnen und Kellnern. "Dazu kamen die Azubis", erzählt er. Nicht nur die Arbeit mit den Kollegen, auch einige besondere Ereignisse und Begegnungen mit Prominenten sind dem früheren Oberkellner ganz besonders im Gedächtnis geblieben. Darunter das Zusammentreffen mit Angela Merkel. 1991 war Merkel – zu diesem Zeitpunkt noch als Ministerin – zu einem Essen nach einem Stapellauf der Vulkan-Werft Gast in der Strandlust. "Ich habe sie bedient und da Pressevertreter anwesend waren, ist ein Foto von uns entstanden."
2007 traf er sie als Bundeskanzlerin bei der 463. Schaffermahlzeit wieder. "Ich habe wieder an ihrem Tisch bedient. Jemand aus ihrem Team hat ihr von unserer früheren Begegnung erzählt und daraufhin hat sie mich begrüßt und kurz mit mir gesprochen. Dabei wurde wieder ein Foto gemacht." Die Bilder hält Herbert Jüchter bis heute in Ehren. Auch die Sänger Karel Gott und Roy Black hat er bei ihren Auftritten in der Strandlust erlebt und ihnen Essen serviert. Dazu zahlreiche Bürgermeister und Senatoren. Verpasst hat er allerdings die Besuche von Helmut Kohl und dem König von Tonga. Da war er ausnahmsweise mal nicht im Dienst.
Dabei arbeitete er häufig vom Nachmittag bis in die frühen Morgenstunden, wenn Bälle oder Hochzeiten anstanden. Nach der Vorbereitung für die Abendveranstaltung servierte er die halbe Nacht und wenn die Gäste gegangen waren, galt es noch, die Frühstückstische einzudecken. "Man hat einfach angefangen und dann sein Ding durchgezogen. Das Wichtigste war, die Gäste zufriedenzustellen", sagt er. Dabei ging nicht immer alles glatt.
Lachend erinnert Jüchter sich an ein Catering außer Haus, bei dem ein Truthahn serviert werden sollte. "Ich habe zum Koch gesagt: Wir präsentieren den Vogel vor dem Tranchieren, damit die Leute sehen, was sie essen." Gesagt, getan. Die beiden trugen den Truthahn auf einer Servierplatte zu den Gästen. "Dann neigte sich die Platte. Wir konnten einfach nichts mehr machen. Der ganze Vogel landete auf der Erde." Aus der Strandlust musste ein anderes Exemplar gebracht werden.
Etwas ruhiger lief es in der Regel im Restaurant ab. "Da war alles etwas steifer. Da konnte man nicht so viele Scherze machen." Viel zu tun gab es aber auch dort, besonders sonntags, wenn die "Ozeana" oder die "Deutschland" in Vegesack anlegten. "Dann kamen auf einen Schlag 100 Leute, die alle gleichzeitig Kaffee und Kuchen haben wollten." Den Kuchen suchten die Gäste sich am großen Büfett aus. Einige mussten allerdings gar nicht lange überlegen und bestellten gleich den überregional bekannten Strandlust-Butterkuchen. Mit dem überzeugte Lutz Diedrich 2001 sogar die Jacob Sisters.
Herbert Jüchter guckt gerne zurück. "Das Wichtigste war, immer bei den Gästen zu sein. Als Kellner darf man den Gast nicht aus den Augen lassen. So hab ich das gelernt. Und so war das damals."