Frau Aulepp, Sie sind seit Juli Bildungssenatorin in Bremen. Wie viele Nordbremer Schulen haben Sie sich bereits angesehen?
Ich bin kurz vor den Sommerferien Bildungssenatorin geworden, da war die Zeit leider zu knapp für Schulbesuche, weder im Norden noch woanders.
Wie viel Zeit wollen Sie sich damit lassen?
Es ist wichtig, sich auch einen Eindruck vor Ort zu machen, na klar. Ich will mir möglichst alle Schulen mal ansehen, das werde ich aber wohl kaum schaffen in zwei Jahren (lacht). Starten werde ich nach den Sommerferien. Da geht es dann nicht darum, als Erstes die Vorzeigeprojekte zu besuchen. Ich möchte mitbekommen, welche Probleme bestehen vor Ort. Den Bremer Norden habe ich dabei auf dem Schirm, den kenne ich ganz gut aus meiner Tätigkeit als Landesvorsitzende der SPD.

Seit Juli dieses Jahres ist Sascha Aulepp Bildungssenatorin in Bremen.
Sie sind angetreten, mit den Worten, Anwalt der Kinder sein zu wollen. Was genau bedeutet das für Bremen-Nord, wo besonders viele Kinder aus ökonomisch benachteiligten Verhältnissen kommen?
Ich bin davon überzeugt: Kinder brauchen eine stärkere Lobby in unserer Gesellschaft. Ich gestehe, ich habe mich nicht darum gerissen, Kinder- und Bildungssenatorin zu werden. Dieser Job ist eine ganz schöne Herausforderung, es gibt viele Baustellen. Aber ich habe mich dann gefragt: Für wen mache ich das? Für die Kinder und jungen Menschen in unserem Bundesland. Ich möchte, dass sich Kinder verwirklichen können, alle Kinder und eben auch die, von Haus aus nicht so viel mitbekommen. Und da gibt es im Bremer Norden eine Menge Kinder und Jugendliche, die nicht auf Rosen gebettet sind, die angewiesen sind auf gute Kitas und Schulen bei ihrer Entwicklung.
Werden Sie bitte konkreter ...
Wir haben im Norden – und nicht nur da, da aber besonders ausgeprägt – sehr unterschiedliche soziale Verhältnisse, aus denen die Kinder kommen. Ungleiches muss auch ungleich behandelt werden, es geht um die konkreten Bedürfnisse und Herausforderungen der einzelnen Kinder. Konkret: Manche Schulen brauchen mehr Schulsozialarbeiter, bessere Betreuungsschlüssel, zusätzliche Sprachförderung und mehr Zeit für die Lehrerinnen und Lehrer, sich auch der Elternarbeit zu widmen.
Viele Kinder im Bremer Norden haben Sprachdefizite, in Blumenthal liegt der Anteil bei fast 65 Prozent. Wie wollen Sie den Mangel beheben?
Bremen-Nord und besonders Blumenthal ist durch Zuzüge aus dem Ausland sehr stark gewachsen. Da ist schon der Ausbaubedarf an Einrichtungen besonders hoch. Es geht aber nicht nur darum, neue Kita-Gebäude zu erstellen. Die Anforderungen an das Personal sind ebenfalls gewachsen. Multiprofessionell arbeitende Teams sind wünschenswert. Das hört sich akademisch an, aber es geht darum, aus verschiedenen Blickwinkeln Kompetenzen von Kindern zu entwickeln.
Es fehlt aber an Erziehern …
Da sprechen Sie ein großes Problem an, es gibt einen großen Fachkräftemangel bei den Kitas. Nicht nur in Bremen, sondern insgesamt, das macht es nicht leichter. Bremen hat deshalb angefangen, zusätzlich Menschen aus verschiedenen Berufen zu qualifizieren. Ich setze meine Hoffnung auch in den Ausbildungscampus in Blumenthal, wo 30 bis 40 Berufssparten ausgebildet werden. Es wäre toll, wenn die, die dort ausgebildet werden, gleich Kontakt zu den Kitas in Bremen-Nord knüpfen.
Lehrermangel ist ein Dauerbrenner. Es war schon vor Jahren von einer Dschungelprämie für den Bremer Norden die Rede. Ihre Vorgängerin wollte 2018 zwei Millionen für Schulen in Brennpunkten bereitstellen. Was hat die Finanzspritze bewirkt? Sind alle offenen Stellen besetzt?
Es fehlen Lehrerinnen und Lehrer, gerade auch in den Schulen, in denen Kinder besondere Herausforderungen haben. Und es fehlen auch Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter. Der Fachkräftemangel ist ein besonders großes Problem von Schulen in Stadtrandlagen. Auch, wenn ich den Bremer Norden wegen seiner schönen Parklandschaften und Wasserflächen, der hohen Wohnqualität an vielen Stellen und nicht zuletzt wegen der direkten Art der Menschen liebe, er ist für junge Lehrerinnen und Lehrer zunächst mal sehr weit weg von der Stadt. Da müssen wir die Werbetrommel rühren. Und auch hier gilt, Ungleiches ungleich zu behandeln. Bremen-Nord hat, durch die angesprochenen Verstärkungsmittel mehr Zuweisungen für Stundenentlastungen erhalten. Das ist ein Anfang, aber auch nicht mehr. Wir brauchen weitere Anreize für junge Menschen, sich den Herausforderungen im Norden zu stellen. Es kann auch sein, dass man diesen Schulen noch mehr Sachmittel zur Verfügung stellen muss. Da ist auf jeden Fall noch Luft nach oben.
In Zukunft soll es an Bremer Grundschulen eine Doppelbesetzung geben. Ab wann und wo wird es zusätzliche Lehrkräfte in Bremen-Nord geben?
Starten müssen wir so schnell wie möglich, aber wir werden das im ersten Schritt nicht flächendeckend für alle Grundschulen hinkriegen, fürchte ich. Wir müssen deshalb zunächst bei den Schulen anfangen, die besondere Herausforderungen haben. Und da ist der Bremer Norden ganz vorne mit dabei.
Bremen ist gerade wieder Schlusslicht im Bildungsranking geworden, viele Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss. Was können Sie dagegen tun?
Das ist nicht akzeptabel, das dürfen wir nicht hinnehmen wie schlechtes Wetter. Ich will, dass allen Kindern und Jugendlichen die Unterstützung gegeben wird, die sie brauchen, um einen Schulabschluss zu erhalten. Es ist wichtig, zu gucken, wie schaffen wir das? Vielleicht über eine Zwischenrunde über außerschulische Angebote und Praktika in Ausbildungsbetrieben. Da brauchen wir eine stärkere Verzahnung. Alles, was geht, müssen wir nutzen, denn Jugendliche von der Schulbank in die Arbeitslosigkeit schicken, das geht nicht.
Das Ausbauprogramm für Ganztagsschulen läuft noch bis 2025. Welche Schulen in Nord sind als Nächstes an der Reihe?
Alle Grundschulen sollen zu Ganztagsschulen werden, aber auch das wird nur schrittweise gehen. Als Nächstes sollen die in Neugründung befindliche Grundschule in Lesum und die Grundschule an der Wigmodistraße in Blumenthal zu Ganztagsschulen werden. Ich finde ganztägiges Lernen wichtig für Kinder. Am besten lernen Kinder miteinander. Deshalb ist auch der Präsenzunterricht so wichtig.
In einigen Schulen kann aufgrund von baulichen Problemen nicht ausreichend gelüftet werden. An der Kerschensteiner Straße zum Beispiel soll die Fassade abgerissen werden. Wie viele Schulen in Bremen-Nord sind oder werden mit Luftfiltern ausgestattet?
Wir werden alle Schulen ausstatten. Unser Ziel ist es, für jeden Klassenraum in den Schulen Lüftungsanlagen bereitstellen zu können, damit die Konzentration von virenbelasteten Aerosolen deutlich reduziert wird. Ich wünsche mir, dass wir das hinbekommen. Wir arbeiten hart daran, das hat Priorität.
Wird es einen Schulstart in Bremen mit Maske geben?
Ich glaube, bei der Frage „Maske oder nicht“ sind wir bei einem Abwägungsprozess angekommen. Im Gebäude und außerhalb des Unterrichtsraumes muss nach wie vor eine Maske getragen werden. Und alle, die im Klassenraum ebenfalls noch eine Maske tragen wollen, sollten dies tun. Wir haben erlebt, dass gerade Schüler der weiterführenden Schulen sehr verantwortungsvoll mit dem Thema umgegangen sind. Grundschülern würde ich das Masketragen gern ersparen. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass hier Spracherwerb eine große Rolle spielt.
Überall steigen die Inzidenzen. Schicken Sie nach den Ferien mobile Impfteams in die Schulen? Wenn ja, in welche?
Die Ständige Impfkommission hat sich für eine Impfung der Kinder ab zwölf Jahren ausgesprochen. Diese Empfehlung sagt, es ist für das einzelne Kind nach gründlicher Abwägung aller Risiken das Beste, geimpft zu werden. Wir müssen allen Kindern ermöglichen, geimpft zu werden, wenn ihre Eltern damit einverstanden sind. Aber das Impfzentrum in den Messehallen ist weit von Bremen-Nord entfernt. Deshalb finde ich es gut, dass die Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard gesagt hat, dass sie mobile Impfteams bereitstellt. Ich biete die Schulen als Infrastruktur für die Impfungen gerne an. Wichtig ist, die Gesundheit unserer Kinder bestmöglich und schnellstmöglich zu schützen.