Wer an der Maritimen Meile durch den Vegesacker Stadtgarten flaniert, entdeckt schräg gegenüber der Signalstation das kubische „Haus am Wasser“ – im Volksmund „Papageienhaus“ genannt. In dem ehemaligen Boots- und Vereinshaus des Vegesacker Rudervereins beherbergte und pflegte die Tierfreundin Carola Schulze in den 70er-Jahren Hunderte exotische Vögel und stellte sie gegen Eintrittsgeld zur Schau. Die Nordbremerin ging als Papageienmutter in die Annalen des 1927 erbauten Gebäudes ein.
Seit 1994 steht das Haus am Wasser unter Denkmalschutz, fristet derzeit aber eher ein Schattendasein. Zu Unrecht. Das Bootshaus entwarf nämlich der Bauhaus-Architekt Ernst Becker (1900 bis 1968), der sich ab 1948 zur Unterscheidung von einem anderen Ernst Becker vorzugsweise Ernst Becker-Sassenhof nannte. Er war ein profilierter Vertreter der Neuen Sachlichkeit und verzichtete auf jegliche Verzierung. Die Form eines Gebäudes sollte allein dem Zweck entsprechen.
Rechts neben dem Bootshaus stand seinerzeit das kubische Wohnhaus des Architekten aus Essen, der eine Vegesacker Kapitänstochter geheiratet und auf dem Familiengrundstück gebaut hatte. Dieses Haus wurde aber Anfang der 70er-Jahre abgerissen.
Das Boots- und Vereinshaus blieb stehen. Es hatte neben dem zentralen Eingang zwei große Tore, durch welche die Ruderboote zur Weser geschoben wurden. Das zurückgesetzte Obergeschoss beherbergte die Vereinsräume. Ein kleiner Turm mit vertikalem Fensterband gewährte aus jeder Höhe einen guten Ausblick auf die Weser. Bei Bedarf hissten die Ruderer auf dem Turm ihre Vereinsflagge oder auch die Speckflagge. 1974 gaben sie das Bootshaus im Zuge der Weservertiefung auf.
In den Jahren verändert
Während der zurückliegenden Jahrzehnte veränderte sich das Antlitz des Bootshauses massiv. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Turm um rund zwei Meter kürzer, nachdem eine Fliegerbombe auf das Gebäude gefallen war. Im Verlauf der Jahre verschwanden zudem Ziegelbänder unter Putz, neuere Fenster hatten keine Sprossen, die Tore wurden zugemauert und Eisengitter ersetzten die gemauerte Terrassenbrüstung. Zudem wurde das Gebäude durch diverse Sturmfluten arg ramponiert und drohte, allmählich zu verfallen.
Seit 1994 steht das Bootshaus unter Denkmalschutz. Seinerzeit wurde es unter der Ägide des Landesamtes für Denkmalpflege in seiner äußeren Form weitgehend wiederhergestellt. Anhand alter Fotografien übernahm der Architekt Peter Schnorrenberger die aufwendige Restaurierung. 250.000 Mark plus Architektenhonorar wurden veranschlagt. Nach der Rekonstruktion zog das ehemalige Bootshaus wieder Blicke auf sich.
Das Gebäude bestach zudem wegen seiner exponierten Lage und Historie. Die Liegenschaftsverwaltung Immobilien Bremen (IB) hoffte trotzdem vergeblich auf einen Käufer. So attraktiv das Haus am Wasser auch ist, als Wohnraum darf es nämlich nicht genutzt werden. Rein bauordnungstechnisch handelt es sich immer noch um ein Bootshaus, das planungsrechtlich in einer Grünanlage steht.
Hinzu kommt, dass sich das Gebäude im Hochwassergebiet befindet. Zwar sind die später eingebauten Schaufenster vorsorglich verstärkt, bewohnbar ist es aber nicht, zumal es für den Fall einer Sturmflut keinen zweiten Rettungsweg gibt. Ins Obergeschoss führt lediglich eine kleine Holztreppe, was wiederum nicht den aktuellen Richtlinien des Brandschutzes entspricht. Bereits seit dem Jahr 2000 wird das Erdgeschoss des einstigen Papageienhauses daher als Künstleratelier genutzt – bis sich eine andere Lösung ergibt.
Ein Bistro als Möglichkeit
Aktuell zeichnet sich womöglich eine neue Variante ab. Es gibt potenzielle Nutzer, die dem Haus am Wasser wieder mehr Leben einhauchen wollen. Eine Stiftung mit Nordbremer Akteuren und Geldgebern will das Haus am Wasser nach eigener Aussage gern kaufen und bewirtschaften. Die Pläne sind zwar noch nicht spruchreif, die Initiative erwägt aber den Betrieb eines Bistros inklusive einer Toilettenanlage für die Maritime Meile. Zudem soll das Haus am Wasser als Veranstaltungsort fungieren.
Norbert Lange-Kroning, Schatzmeister des Vereins MTV Nautilus, hatte die Idee und erklärt, dass die städtische Immobilienverwaltung den Nordbremern inzwischen ein Kaufangebot unterbreitet habe. „Immobilien Bremen ist froh darüber, dass wir das Haus kaufen wollen. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 95 Prozent, dass wir das Gebäude kaufen.“
Ganz so einfach ist das nach Angaben von Immobilien-Bremen-Sprecher Peter Schulz aber nicht. „Da das Haus im Hochwassergebiet liegt, ist an sich keinerlei Nutzung vorstellbar“, sagt er. Um das Gebäude müsste an sich eine versenkbare Spundwand errichtet werden, um es nutzen zu dürfen, so der Experte. Er mutmaßt: „Kein Privatmann würde sich ein solches Gebäude kaufen.“
Immobilien Bremen muss das Bootshaus trotzdem hüten und pflegen, weil es unter Denkmalschutz steht und ein klassisches Zeugnis der Bauhaus-Architektur ist. „Es liegt uns sehr am Herzen, weil die Architektur heute noch genauso so spannend ist wie vor 90 Jahren“, sagt Schulz. Das Gebäude sei inzwischen allerdings in die Jahre gekommen.
Noch nicht klar, ob die Pläne realisierbar sind
„Natürlich ist es erfreulich, dass sich die Initiative für das Haus am Wasser interessiert, aber die Rahmenbedingungen müssen sehr genau geprüft werden“, sagt der Sprecher von Immobilien Bremen. „Wir können im Moment noch nicht sagen, ob die Pläne realisierbar sind.“ Hochwasserschutz, Denkmalschutz und Brandschutz müssten berücksichtigt werden. „Das ist ein tief gehendes Schiff“, versinnbildlicht Peter Schulz die Problematik. „Wegen der schwierigen Rahmenbedingungen müssen alle Beteiligten erst einmal an einem Tisch zusammenkommen.“
Für etwaige neue Besitzer könnte womöglich auch problematisch sein, dass das Landesamt für Denkmalpflege in dem historischen Gebäude ein erhebliches Mitspracherecht hat. Experten vermuten beispielsweise unter dem linken Anbau aus den 60er-Jahren denkmalgeschützte Elemente, die theoretisch noch freigelegt werden könnten. Das gilt vor allem auch für die noch erkennbaren Eisenschienen der Ruderboot-Slipanlage sowie für ein zugemauertes Ruderbecken für Trockenübungen.
Das bestätigt Georg Skalecki, Leiter des Amtes für Denkmalpflege. „Was verdeckt ist, kann so bleiben. Aber alles, was sichtbar ist, wird in Absprache mit dem Nutzer irgendwann wieder freigelegt. Dabei zwingen wir aber niemanden zu dramatischen Eingriffen“, betont der Landeskonservator.
Die Idee, ein Bistro in dem ehemaligen Boots- und Vereinshaus zu eröffnen, hält er schon wegen der schönen Lage für eine gute Idee. „Eine Belebung des Gebäudes ist wünschenswert.“ Dabei dürfe die Bausubstanz aber nicht verändert werden. „Zusätzliche Öffnungen oder Fenster sind immer kritisch“, so Georg Skalecki. Durchaus denkbar wäre dagegen der Einbau sanitärer Anlagen, „wenn es geschickt gemacht wird“.
Der Landesdenkmalpfleger erachtet das ehemalige Bootshaus des Vegesacker Rudervereins für ein besonders bemerkenswertes Gebäude. „Es ist ein typischer Bau der 20er-Jahre im Stil der internationalen Bauhaus-Moderne. Davon gibt es in Bremen nur sehr wenige.“