Kunst- oder Naturrasen im Stadion Moormannskamp? Diese Frage sorgte jüngst für Zündstoff im Rat der Gemeinde Ritterhude. Vor rund einem Vierteljahrhundert, erinnert sich Holger Franz, habe sie unter Vereinen und Kommunalpolitikern in der Hansestadt ebenfalls intensive Debatten ausgelöst. Und es sei speziell für den Fußballsport in Bremen-Nord ein Segen gewesen, dass man den Bau von Kunstrasenplätzen favorisiert habe, unterstreicht der Pressesprecher der SAV-Fußballabteilung und Vizepräsident des Bremer Fußball-Verbandes.
Seit etwa 25 Jahren gelten die Spielfelder mit Kunstrasen im kleinsten Bundesland als Problemlöser für Sportvereine, vor allem für deren Fußballabteilungen. Denn die Spielflächen aus Polyethylen und Polypropylen sind extrem belastbar und ersetzen im Durchschnitt drei bis vier Rasenplätze. Sie können in einer Saison intensiver und vor allem bei widrigen Witterungsverhältnissen länger genutzt werden als Naturrasenplätze. Zudem sind sie pflegeleichter. Diese Vorteile fallen insbesondere ins Gewicht, wenn Vereine das Training für mehrere Mannschaften gewährleisten müssen. Holger Franz: „Für die Entwicklung des Fußballsports in Bremen-Nord sind die Kunstrasenplätze ein Quantensprung gewesen.“
Das wird auch bei einem Kostenvergleich deutlich. Nach einer vor einem Jahr im Internet veröffentlichten Berechnung der Firma Richter Sportstättenkonzepte GmbH belaufen sich die Gesamtkosten für einen neuen 6624 Quadratmeter großen Kunstrasenplatz auf rund 770.000 Euro. Berücksichtigt worden sind dabei unter anderem auch die Gesamtkosten für Pflege und Unterhaltung der Anlage innerhalb von 15 Jahren sowie die Belagserneuerung nach dieser Zeit. Die Ausgaben für einen neuen, gleich großen Naturrasenplatz beziffert das Unternehmen dagegen mit rund 840.000 Euro, wobei in erster Linie die Pflege- und Unterhaltungskosten wesentlich höher eingestuft werden als beim Kunstrasen.
Und teurer ist das Fußballfeld aus Naturhalmen auch deshalb, weil es im Jahr höchstens 800, sein Pendant mit den Halmen aus Polyethylen dagegen 2000 Stunden verkraftet, von Fußballschuhen traktiert zu werden. Holger Franz verweist in diesem Zusammenhang auf die Bremer Regelung, wonach die kommunalen Rasenplätze auch in Bremen-Nord nicht mit Flutlichtanlagen ausgestattet worden sind. Dann bleiben sie nämlich vor allem in der Schlechtwetterzeit im Herbst und Winter wegen der Dunkelheit vor den abendlichen Trainingseinheiten verschont.
Quarzsand statt Plastikgranulat
Fußballfelder mit künstlichen Grashalmen befinden sich im Blumenthaler Burgwallstadion, in Aumund (Kifkenbruch), im Vegesacker Stadion, im Lesumer Ihletal sowie beim Sportparksee in Burg. Darüber hinaus verfügt der SV Lemwerder, der zum Fußballkreis Bremen-Nord gehört, über einen Kunstrasenplatz. Dort sowie in Blumenthal und in Burg sind die Anlagen erst vor wenigen Jahren saniert worden.
Was auch bedeutet, dass die Spielflächen nicht mit umweltschädlichem Plastikgranulat, sondern mit Quarzsand befüllt werden, damit die Halme Halt haben und nicht platt getreten werden. Um dieses Material auch auf den älteren Kunstrasenfeldern in Vegesack, Aumund und Lesum verwenden zu können, müssen dort allerdings zunächst die Belage erneuert werden.
Doch weil die Erneuerung ins Geld geht und mindestens 180.000 Euro pro Platz kosten dürfte, ist sie nicht von heute auf morgen zu realisieren. Deshalb schrillten im vergangenen Jahr bei zahlreichen Stadtbremer und Nordbremer Vereinen die Alarmglocken, als bekannt wurde, dass die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) von der EU-Kommission in Brüssel beauftragt worden sei, Maßnahmen gegen den Einsatz von Mikroplastik zu entwickeln. Maßnahmen, die schon 2022 wirksam werden sollten, wie es seinerzeit hieß. Bis dahin aber, so Holger Franz, könnten nicht alle Kunstrasenplätze in Bremen auf Vordermann gebracht werden. Deshalb müsse es einen Bestandsschutz geben.
Dieser Ansicht ist auch die Sportsenatorin. Sie hat einen Zeitplan erstellt, wonach in den kommenden sechs Jahren alle kommunalen Kunstrasenplätze saniert werden, die bislang keine Behandlung mit Quarzsand vertragen. Das würde bedeuten, dass bis 2026 auch die Spielfelder in Aumund, Vegesack und Lesum erneuert werden. Bereits im kommenden Jahr sollen nach den Worten von Bernd Schneider die beiden Kunstrasenplätze im Rollsportstadion am Jürgensdeich saniert werden. Und danach jährlich zwei weitere, sodass 2026 alle städtischen Kunstrasenplätze mit Quarzsand zu befüllen sind und damit den Empfehlungen der europäischen Umweltagentur entsprechen würden.
Die Empfehlungen sind zwar schon im August 2019 den EU-Ausschüssen für Risikoanalyse sowie für sozioökonomische Analyse zugeleitet worden. Deren Stellungnahmen aber müssen noch von EU-Kommission, EU-Rat und dem Europäischen Parlament beraten werden. Auf alle Fälle schlägt das EU-Gremium für Risikoanalyse eine Übergangsfrist für bestehende Kunstrasenplätze in der EU von sechs Jahren vor. Werde sie kommen, so Behördensprecher Bernd Schneider, könne Bremen mit dem Sanierungsrhythmus von zwei vor 2011 entstandenen Plätzen pro Jahr das Problem mit dem Kunststoffgranulat bis 2026 aus der Welt geschafft haben. Wenn nicht, droht den betroffenen Vereinen Ungemach.