Jahrzehntelang wurde das Bauamt Bremen-Nord von Männern geleitet. Nun steht neben René Kotte, der für die Stadtplanung zuständig ist, erstmals eine Frau an der Spitze der Vegesacker Behörde: Natalie Wahlers. Sie ist verantwortlich für die Bauordnung. Nachdem sie im Oktober noch zwischen der Stadt und Bremen-Nord gependelt ist, arbeitet sie seit November in Vollzeit am Sedanplatz. In der ersten Zeit hat sie nicht nur ihre neuen Kollegen kennengelernt, sondern konnte auch ihren Vorgänger, Helmut Böttcher, begleiten, der die Referatsleitung nun nach 30 Jahren an sie abgegeben hat.
Von Haus aus ist Natalie Wahlers Architektin, ein Beruf, der ihr quasi in die Wiege gelegt wurde. Denn sowohl ihre Mutter als auch ihre Tante sind Bauingenieurinnen. "Meine Mutter und meine Tante stammen aus einer Zeit, in der es nicht selbstverständlich war, als Frau zu arbeiten", erzählt Wahlers. "Da beide in ihrem Beruf sehr erfolgreich sind, wurden sie meine großen Vorbilder." Das hat schließlich dazu geführt, dass auch sie sich für eine Karriere in der Baubranche entschieden hat.
Dennoch gilt die Architektin in der Familie als Paradiesvogel. "Es gibt diese Diskrepanz zwischen Bauingenieuren und Architekten", berichtet die Referatsleiterin. "Architekten sagen, wir möchten Projekte entwickeln und haben Visionen. Bauingenieure sagen, diese Visionen sind nicht realisierbar." Dadurch gibt es zwischen den beiden Berufsgruppen immer wieder Neckereien, die sich auch in ihrer Familie bemerkbar machen.
Doch insbesondere Mutter und Tochter können sich auch ergänzen und gegenseitig von ihren jeweiligen Fachkenntnissen profitieren. "Ich bin mehr der kreative Mensch – und sie ist der technische", sagt Wahlers. "Dadurch kann ich mir bei ihr super Ratschläge einholen."
Auch wenn die Architektin erst seit kurzer Zeit in Vegesack ist, hat sie sich bereits mit den großen Bauprojekten im Bremer Norden beschäftigt, etwa mit dem Quartier Zum Alten Speicher in Vegesack und dem BWK-Gelände in Blumenthal. "Bei beiden Projekten haben wir mit den Beteiligten darüber gesprochen, wie der Inhalt der Bauanträge aussehen sollte", erläutert die Bremerin. "Damit haben wir Architekten, Investoren und die Projektbeteiligten beraten."
Worauf es bei solchen Projekten ankommt, weiß sie ganz genau. Schließlich hatte sie zuvor die Abschnittsleitung im Bremer Osten inne und war damit für Bauprojekte in Borgfeld, Horn, Oberneuland und Osterholz zuständig. "Da waren die Aufgaben ganz ähnlich. Deshalb wusste ich in etwa, worauf ich mich einlasse", sagt sie. Doch im Gegensatz zu ihrem vorherigen Job sind nun zwei Aufgaben dazugekommen: die sogenannten statischen Belange und die technische Verwaltung. Statische Belange spielen etwa bei Volksfesten wie dem Vegesacker Markt eine Rolle. Jede einzelne Attraktion muss statisch abgenommen werden. Im Gegensatz zur Stadt, wo es hierfür ein eigenes Referat gibt, übernimmt in Bremen-Nord das Bauamt diese Aufgabe. "Bei der technischen Verwaltung geht es hauptsächlich um Ordnungswidrigkeiten und Widerspruchsverfahren", erläutert Wahlers. "Hierbei werden zum Beispiel Entscheidungen über illegal errichtete Bauten und Beschwerden von Nachbarn getroffen."
Neben den zusätzlichen Aufgabenfeldern gibt es für Natalie Wahlers noch eine weitere Besonderheit in Vegesack. "Im Bauamt Bremen-Nord bin ich die erste Frau in einer Führungsposition. Deshalb war ich im Vorfeld etwas aufgeregt, weil ich nicht wusste, wie ich von den Kolleginnen und Kollegen aufgenommen werde", erzählt sie. "Schließlich ist es ein Umbruch, wenn jahrelang Männer das Amt geleitet haben und jetzt eine Frau mit an der Spitze steht, noch dazu eine junge Frau." Doch bereits nach wenigen Tagen konnte sie feststellen, dass ihre Sorgen im Vorfeld unbegründet waren. "Die Kollegen haben mich mit offenen Armen empfangen. Corona-konform, versteht sich. Ich fühle mich hier sehr wohl.", sagt Wahlers, die in Bielefeld studiert hat.
Insgesamt gibt es im Bauamt Bremen-Nord zwei Referate, eines für Stadtplanung und eines für Bauordnung. "Wenn aus dem Bebauungsplan einzelne Baugenehmigungen hervorgehen, wird das in der Bauordnung bearbeitet", erklärt sie. Dass sie diese Aufgabe nun in Vegesack, Blumenthal und Burglesum übernehmen kann, ist für sie besonders reizvoll. "Bremen-Nord ist für mich persönlich sehr, sehr spannend, weil es hier von kleinen Einfamilienhäusern bis hin zu Großprojekten alles gibt", schildert sie.
Neben den großen Bauprojekten im Bremer Norden beschäftigt sie unter anderem auch die Digitalisierung ihrer Behörde. "Die Digitalisierung setze ich ganz hoch an", sagt Natalie Wahlers. "Es ist mir sehr wichtig, dass Bauanträge zeitnah auch digital eingereicht werden können." Derzeit bekommt das Bauamt die Unterlagen noch kartonweise zugesandt. Vor diesem Hintergrund trägt die Digitalisierung nicht nur zur Vereinfachung der Prozesse bei, sondern sie schont auch die Umwelt, betont sie.