Die Bibel gilt als das Buch der Bücher mit vielgestaltigem Inhalt: Mythische Legenden, Briefe, Liedersammlungen, ermahnende Worte und bewegende Geschichten. Uralt ist sie – und doch immer noch aktuell. Was hat sie den Menschen heute zu sagen? Anlässlich des 500. Jahrestages der Reformation in Bremen hatte die Stadtbibliothek Vegesack in Kooperation mit dem Gemeindeverbund Aumund-Vegesack zu dem Gesprächsabend „Mein Highlight aus der Bibel – Nordbremer Persönlichkeiten erzählen“ eingeladen.
Jennifer Kauther, Pastorin der Christophorus-Gemeinde, führte durch den Abend. Katja Pourshirazi, Nermin Sali und Martin Mader sprachen über Bibelstellen, die für sie eine besondere Bedeutung haben und zum Teil mit sehr berührenden Erinnerungen verknüpft sind. Iman Al Najar, Integrationslotsin der Grohner Düne, hatte kurzfristig absagen müssen, ebenso wie Vegesacks Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt. Für ihn sprang Beiratssprecher Torsten Bullmahn ein. Lorenz Meyboden trug die jeweiligen Bibelstellen vor. Rainer Köhler und Mitglieder der Kantorei Aumund-Vegesack sorgten für den musikalischen Rahmen.
Der Legende nach schlug Martin Luther am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg. Im November 1522 hielt Heinrich von Zütphen in Bremen die erste evangelische Predigt – vor 500 Jahren. „Luthers Übersetzung der Bibel ins Deutsche ist für mich eine der größten Errungenschaften der Reformation“, so Jennifer Kauther. Nun waren die biblischen Texte allen zugänglich, auch denen, die kein Latein verstanden. Und weil die Bibel eigentlich kein Buch, sondern eine über 1200 Jahre hinweg gewachsene Bibliothek ist, lag es nahe, den Gesprächsabend in einer Bibliothek zu veranstalten. „Ein spannendes Thema. Wir haben sofort zugesagt, als die Anfrage kam“, sagte Martin Renz, Leiter der Vegesacker Stadtbibliothek, in seiner Begrüßung.
Katja Pourshirazi: Die Leiterin des Overbeck-Museums hatte die Schöpfungsgeschichte mitgebracht, die allerersten Worte der Bibel: „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde …" Sie zitierte die ersten Zeilen auf Alt-Hebräisch und berichtete, wie sie als Schülerin an einer Alt-Hebräisch-Arbeitsgemeinschaft teilgenommen hatte und wie kompliziert es war, das alt-hebräische Alphabet zu lernen. „Allein das haben wir ein halbes Jahr lang gepaukt.“ Doch ihre Faszination für die lautmalerische Sprache blieb. Schließlich wurde der erste alt-hebräische Text gelesen. Der Pastor, der die AG leitete, hatte eine uralte, staubige Bibel mitgebracht. Als sie das Buch aufgeschlagen und „mit dem Finger unter der Zeile“ die ersten Worte der Schöpfungsgeschichte auf Alt-Hebräisch las, sei das „wie ein Tor in eine andere Welt“ gewesen: „Ein Gefühl von Aufbruch und Neubeginn.“
Nermin Sali: Der Lehrer und Jahrgangsleiter an der Gerhard-Rohlfs-Oberschule wählte den Text über den Turmbau zu Babel aus. Mit dem Bau des riesigen Turms versuchten die Menschen, Gott zu erreichen. Wegen dieser Selbstüberhebung gab Gott den Babyloniern Hunderte von Sprachen, sodass sie einander nicht mehr verstanden und den Turmbau aufgeben mussten. Nermin Sali begegnete dem Text erstmals während seines Studiums und überlegte, wie es wäre, wenn es heute nur eine einzige Sprache gäbe. Würde es auf der Welt anders aussehen, friedlicher, weil sich alle verstehen? Gott wollte durch die Sprachenvielfalt Verwirrung stiften – aber vielleicht sei gerade dadurch eine kulturelle Vielfalt entstanden, die ja auch Chancen und Möglichkeiten bietet.
Torsten Bullmahn: Dem 23. Psalm „Der Herr ist mein Hirte“ ist Torsten Bullmahn schon in sehr jungen Jahren begegnet: Ein Freund von ihm war im Alter von nur elf Jahren verstorben, und der Pastor fragte Torsten Bullmahn, ob er bei der Trauerfeier ein paar Worte sprechen könne – eben jenen 23. Psalm. „Und irgendwie habe ich das geschafft“, so Bullmahn. „Ich bin nicht der Bibelfesteste, aber ich glaube, dass es eine gewisse Stärke gibt, die uns durchs Leben leitet.“ Es gehe dabei um Vertrauen. Nicht nur darauf, dass sich alles schon irgendwie fügen wird, „sondern gerade auch um Vertrauen in sich selbst. Und darum, Verantwortung zu übernehmen.“
Martin Mader: Der Inhaber der Buchhandlung Otto & Sohn entschied sich für einen Text aus dem Neuen Testament: Die „Tempelreinigung“ handelt davon, wie Jesus die Händler und Geldwechsler aus dem Jerusalemer Tempel vertreibt und dabei predigt, dass der Tempel eine Stätte der spirituellen Begegnung ist. Eine Geschichte, die einen ganz anderen Jesus zeigt: Keinen freundlich-milden, sondern einen wütenden Gottessohn, der die Händler aus dem Tempel treibt und ihre Tische umwirft, an denen sie im geweihten Raum Geschäfte betreiben. „Manchmal denke ich, wir bräuchten auch heute ein bisschen was von diesem heiligen Zorn, der die Geld-regiert-die-Welt-Mentalität beendet. Eine Kraft der Veränderung, die dazu führt, dass die Menschen sich wieder auf das Wesentliche besinnen“, so Martin Mader.
Zum Ende des Gesprächsabends hatten auch die Zuhörer Gelegenheit, ihre Lieblingsbibelstelle zu zitieren. Einige Besucher hatten dafür ihre eigenen Bibeln mitgebracht und trugen ihre persönlichen „Bibel-Highlights“ vor.