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Angebot für junge Eltern Nordbremer Hebammenzentrum: Einrichtung mit Pilotcharakter

Das Nordbremer Hebammenzentrum steht vor einer Herausforderung: Es fehlen Fachkräfte. Trotzdem hat die Einrichtung in ihrem ersten Jahr bereits vielen Frauen geholfen.
25.02.2025, 17:45 Uhr
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Nordbremer Hebammenzentrum: Einrichtung mit Pilotcharakter
Von Aljoscha-Marcello Dohme

Allein in den ersten neun Monaten erreichte das Nordbremer Hebammenzentrum 214 Frauen, die sonst wahrscheinlich ohne jede Betreuung gewesen wären. In Kürze feiert die Einrichtung, die von der Hans-Wendt-Stiftung getragen wird, ihr einjähriges Bestehen. Für die Zukunft wünscht sich das Zentrum vor allem eines: mehr Fachkräfte.

Nach den Worten von Natalie Luke wurden bisher drei Hebammenzentren in Bremen eröffnet. "Neben dem Zentrum in Vegesack gibt es noch eins ins Blockdiek und eins in Gröpelingen", erzählte die Koordinatorin der Nordbremer Einrichtung dem Vegesacker Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Sport am Montagabend. Geschaffen wurden diese Anlaufstellen, um Frauen in sozial benachteiligten Stadtteilen besser zu versorgen – vor allem nach der Geburt. Dass die Stadtteile nördlich der Lesum dabei einen besonderen Bedarf haben, zeigt auch eine aktuelle Studie. „Die hat herausgefunden, dass etwa 90 Prozent der Frauen in Schwachhausen auch nach der Geburt von einer Hebamme betreut werden“, sagte sie. „Zum Vergleich: Im Bremer Norden gilt das nur für 33 Prozent der Mütter.“ Zwar habe das Klinikum an der Hammersbecker Straße – im Gegensatz zu den anderen Krankenhäusern in der Stadt – die Erhebung wegen eines Personalengpasses nicht unterstützen können. Aufgrund der Tatsache, dass die Ergebnisse für den Bremer Norden ähnlich wie in Gröpelingen sind, sei davon auszugehen, dass die Auswertung trotzdem aussagekräftig ist.

756 Familien ohne Betreuung

Und das würde bedeuten, dass 756 Familien auf eine Betreuung durch eine Hebamme verzichten müssen. Luke beruft sich dabei auf Zahlen für das Jahr 2022, in dem 1134 Kinder nördlich der Lesum geboren wurden. "Es gibt also einen sehr hohen Anteil von Eltern, die besser aufgegangen werden könnten", so die Hebamme.

Dass die Versorgung in Blumenthal, Vegesack und Burglesum schlechter ist als in anderen Stadtteilen, hat gleich mehrere Gründe. "Hebammen arbeiten überwiegend wohnortnah", erklärte die Koordinatorin. "So haben sie kurze Wege zu den Frauen". Da Hebammen überwiegend in Schwachhausen, Borgfeld und der Innenstadt wohnen, ist das Angebot dort größer als im Norden der Stadt. "Zudem ist es unattraktiv, sich in einem sozialen Brennpunkt niederzulassen", schilderte Luke. "Weil der Verdienst über die Krankenkassen sehr gering ist, brauchen Hebammen zusätzliche Einnahmen." Um die zu generieren, bieten sie zum Beispiel Babymassagen an oder erklären Eltern, wie sie ihre Kleinen richtig tragen. Diese Angebote müssten die Familien allerdings selbst bezahlen. Doch nicht in allen Stadtteilen könnten sie das auch.

Von den Hebammenzentren sollen aber nicht nur die Eltern profitieren, sondern auch die Fachkräfte. "Die Hebammen sollen mehr Zeit für ihre originäre Arbeit haben", erklärte die Stiftungsmitarbeiterin. Um das zu erreichen, werden ihnen bestimmte Tätigkeiten abgenommen. Das gilt vor allem für administrative Aufgaben. Hierfür sind die Koordinatorin sowie eine Bürokraft zuständig. "Darüber hinaus können die selbstständigen Hebammen sowohl die Räume als auch die Ausstattung kostenfrei nutzen", sagte Luke. "Ein weiterer Vorteil ist, dass die Hebammen im Team arbeiten." Dadurch hätten die Fachkräfte nicht nur regelmäßig freie Tage, sondern auch eine Vertretung im Urlaubs- und Krankheitsfall.

Bundesweites Interesse

Damit haben die Einrichtungen Pilotcharakter – und zwar bundesweit. "Uns erreichen aus allen Teilen des Landes Anfragen zur Umsetzung und Finanzierung des Angebotes", berichtete die Hebamme. Denn die Beratung ist für die Familien gänzlich kostenfrei. Möglich ist das nur, weil die senatorische Behörde für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz die Einrichtung finanziert.

Im Gegensatz zu den Hebammen der anderen Zentren sind die Nordbremer Fachkräfte nicht mit dem Fahrrad, sondern mit dem Auto unterwegs. Das liege daran, dass die Einrichtung Frauen von Grambke bis Rekum betreut. Und das passiere – insbesondere nach der Geburt – größtenteils bei den Familien zu Hause. Während der Schwangerschaft kommen die Frauen meistens in das Zentrum. "Wir bieten eine ambulante, medizinische Versorgung während der Schwangerschaft sowie im Wochenbett an und decken damit das gesamte Spektrum ab, das Hebammen abdecken können", so Luke. "Nur die Geburt selbst begleiten wir nicht."

Ein besonderes Augenmerk legt das Zentrum dabei auf Familien mit Migrationshintergrund. "Deshalb pflegen wir zum Beispiel engen Kontakt zu den Akteuren in der Grohner Düne“, sagte sie. „Darüber hinaus bieten wir jeden Mittwoch einen offenen Treff an, der von einer Arabisch sprechenden Fachkraft begleitet wird.“

Damit noch mehr Familien von den Angeboten profitieren können, bräuchte die Einrichtung mehr Hebammen. Doch die zu finden, ist mehr als schwierig. "Das liegt vor allem am Fachkräftemangel", erklärte Luke. "Ein weiterer Faktor ist die Selbstständigkeit, die mit dem Beruf verbunden ist."

Als die Einrichtung im April vergangenen Jahres eröffnet wurde, bestand das Team aus drei Hebammen. Mittlerweile ist nur noch eine Fachkraft vor Ort. Ab April werden es Luke zufolge zwei sein. "Eigentlich bräuchten wir zehn Vollzeitstellen", erklärte sie. Die Koordinatorin wäre schon zufrieden, wenn das Hebammenzentrum perspektivisch auf fünf Fachkräfte käme.

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