Für die Protestanten steht Totensonntag bevor, die Katholiken haben bereits am Monatsanfang ihrer Verstorbenen gedacht. Grabgestecke und -lichter verkaufen sich gut, Angehörige verschönern derzeit die Gräber. Doch was sagen die, die von Berufs wegen oder ehrenamtlich derzeit besonders mit Tod und Abschied zu tun haben? DIE NORDDEUTSCHE hat nachgefragt.
Pastorin Ulrike Bänsch muss überlegen. 23 Jahre ist sie bereits im Dienst. „Zwischen 30 und 35 pro Jahr, um die 800 Abschiede sind es in all der Zeit bestimmt gewesen“, meint sie schließlich. Routine seien die stillen Gedenktage im November für die Aumunderin dennoch nicht. Nicht nur für ihre Predigt am Totensonntag reflektiere sie ständig, mit welchen Bildern sie Trauernden Hoffnung geben kann. Und selbst wenn Kirche inzwischen den Begriff Ewigkeitssonntag für den letzten Sonntag des Kirchenjahres lieber gebraucht, kommt ihr der Totensonntag schneller über die Lippen. Vielleicht weil sie den Hinterbliebenen so verbundener ist mit dem Sprachgebrauch der Region.
Gemeinsames Singen und Beten keine Selbstverständlichkeit mehr
Im Laufe der Jahre hat nicht nur Pastorin Bänsch Veränderungen im Bestattungswesen wahrgenommen. Man komme nicht mehr ausschließlich in schwarzer Kleidung, es gebe zunehmend Trauerfeiern an der Urne anstatt am Sarg mit anschließender Urnenbeisetzung. Eines fragt Ulrike Bänsch vorher mittlerweile immer ab: Wird Singen in der Trauerfeier noch gewünscht? Sie versucht herauszufinden, was den Angehörigen beim Abschiednehmen hilft, was zum Verstorbenen passt. Und so erklang bei einer ihrer Trauerfeiern sogar einmal „Auf der Reeperbahn“ in einer Orgelversion. Gespannt ist Pastorin Bänsch bei jeder Beerdigung, ob die Trauergäste das Vaterunser mitsprechen. Und wenn sie es nicht tun, fragt sie sich jedes Mal, woran es gelegen haben möge. Vielleicht war der Wortlaut des Gebets gar nicht mehr vertraut?
Beerdigungsleiter entlasten Geistliche
Bei den katholischen Begräbnissen werde das Vaterunser zu 80 Prozent noch mitgebetet, hat Ute Zeilmann beobachtet. Sie ist Pastoralreferentin im Dekanat Bremen-Nord und auch ihr ist aufgefallen, dass Mitsingen nicht mehr selbstverständlich ist. Traditionelle Stücke wie das „Ave Maria“, gespielt auf der Orgel, würden oft gewünscht. Im Dekanat Bremen-Nord gibt es mittlerweile Beerdigungsleiter, die nach zweijähriger Ausbildung Trauerfeiern übernehmen. Fünf Frauen und zwei Männer haben dafür eine bischöfliche Beauftragung bekommen und entlasten so die Geistlichen. Für einige Gemeindemitglieder sei diese Entwicklung noch Neuland, Pastoralreferentin Zeilmann sieht aber Vorteile: „Die Beerdigungsleiter haben viel mehr Zeit, sich um die Angehörigen zu kümmern.“ Eine Beerdigung sei kein Sakrament und müsse daher schließlich nicht zwingend von einem Priester übernommen werden.

Grabschmuck auf einem Friedhof.
Endgültige Fusion geht nur mit viel Bürokratie
Neues soll es bald auch auf dem katholischen Teil des Friedhofs an der Steingutstraße geben: Ein Urnenfeld mit einem Leuchtturm. „Passend zum Boot im evangelischen Teil. Ein weiteres Stück Ökumene“, findet Sandra Wendland, bei den Grohner Katholiken zuständig für die Friedhofsverwaltung. Auch Herma Lange-Kroning vom Vorstand der evangelischen St. Michael Gemeinde freut sich über das Verbindende auf dem Friedhof. Vor 53 Jahren hatten Pfarrer Josef Raasch und Pastor Klaus Balz den Zaun entfernen lassen und damit die Grohner Anlage zu einer deutschlandweiten ökumenischen Besonderheit gemacht. Offiziell ist die Anlage an der Steingutstraße dennoch nicht eins. „Dafür muss viel Bürokratisches mit dem Bistum Hildesheim, der Bremischen Evangelischen Kirche und dem Bremer Senat geklärt werden“, erklärt Herma Lange-Kroning und verweist auf Gesetze über das Friedhofs-, Bestattungs- und Leichenwesen.
Bestattungen ohne Trauerfeier und Kaffeetrinken
Die Bremische Evangelische Kirche hat in Bremen-Nord zehn Gemeinden mit sieben Friedhöfen, dazu kommen zwei katholische Anlagen und zwei städtische mit noch ungefähr 19.000 klassischen Familiengräbern. Die Bestatter Volker und Henrik Stühmer sehen einen klaren Trend zu Feuerbestattungen und Gemeinschaftsanlagen und haben wie Herma Lange-Kroning aus Grohn auch immer wieder Bestattungswünsche ohne jegliche Trauerfeier und anschließendem Kaffeetrinken wahrgenommen. „Die Gesellschaft hat sich verändert und damit auch die Bestattungskultur. Unser Job ist es, den Angehörigen beim Abschied zu helfen und ihre Wünsche zu erfüllen“, fasst Volker Stühmer seine – wie er selbst sagt – Berufung zusammen und das kann dann auch schon mal ein Beratungsgespräch per Video Call sein, wenn die Angehörigen zu weit weg wohnen.