Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Grönlandfahrer Auf den Spuren der Walfänger

„Jan, bidreihn!“, warnt ihn sein Bruder. Doch Kommandeur Jan Haake segelt weiter. Die „Patriot Gloystein“ wird nie wieder gesehen. Mehr über die früheren Walfänger aus Vegesack und umzu lesen Sie hier...
13.05.2022, 18:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Auf den Spuren der Walfänger
Von Patricia Brandt

Ein bedeckter Himmel, eine scharfe Brise und ein tiefer Barometerstand zeigen den Seeleuten auf der „Patriot Gloystein“ Sturm an. Doch Kommandeur Jan Haake segelt weiter. „Jan, bidreihn!“, warnt ihn sein Bruder Albert. Vergebens, Jan Haake behält den Kurs bei. Die „Patriot Gloystein“ wird nie wieder gesehen. An Bord des Walfangschiffes waren gleich zwei Vorfahren des Bremer Architekten Thomas Meyer-Bohe – H. Bohe und C. Bohe. Seine Ahnen gehörten ab dem 17. Jahrhundert zu den Grönlandfahrern Vegesacks. Eine Geschichte über Wale und ihrer Fänger.

Wer waren die Bohes?

„Meine Vorfahren waren Hugenotten, um 1680 sind sie von Lyon in Frankreich als Religionsflüchtlinge herübergekommen. Sie lebten in Mittelsbüren“, berichtet Thomas Meyer-Bohe. Die Hugenotten hätten Aufgaben übernommen, die „sonst keiner machen wollte“, meint Meyer-Bohe. „Und dazu gehörte der Walfang, der sehr gefährlich war.“

Wahrscheinlich betrieben die Bremer bereits ab 1625 Walfang, sie brauchten den Tran für Lampenöl. Meyer-Bohe, Architekt und Vater von fünf Töchter, steht unter der Bronze in Form eines Walkiefers in Vegesack. Hier, am „Utkiek“ an der Weser, haben sich die Waljäger von ihren Frauen verabschiedet, weiß der 68-Jährige. Auch, wenn er Walfang ablehnt, hat er im Schloss Schönebeck über seine Vorfahren recherchiert. Das Museum besitzt eine große Sammlung zum Walfang. „Als junger Mensch interessiert dich die Familiengeschichte nicht, aber mein Vater hat immer gesagt, irgendwann holt es dich ein.“ Sein Vater Walter Meyer-Bohe, der dieses Jahr 95 Jahre alt wird, fuhr allerdings nie zur See. Der Aumunder wurde Architekt in Kiel, wo er mehrfach ausgezeichnet wurde.

Der erste Grönlandfahrer der Familie hieß Lulf Bohe. „Er war Kommandeur des Schiffs ,Fortuna'“, berichtet Meyer-Bohe. Lulf soll sich 1699 das erste Mal ins Eismeer gewagt haben. Bis 1703 folgten weitere Fahrten.

Das Risiko fährt mit

Wie die Bohes kamen die meisten der Vegesacker Gröndlandfahrer aus den Weserdörfern. Meyer-Bohe hat dazu Texte aus alten Dorfchroniken kopiert. „Bei dem Kommandeur im Dorfe geschah die Anmeldung, die Anmusterung in Bremen. Schon während des Winters wurden die Vorbereitungen im Haus getroffen, Schneider und Schuster sorgten für die nötige Kleidung“, schreibt Buchautor Johann Hägermann. Im April fuhren die Männer ab, Mitte August wurden sie zurückerwartet. „Harte Schicksalsschläge, wie sie im Walfang oft vorkamen, trafen unsere Gegend mit dem Verlust von zwei Schiffen kurz nacheinander“, so Hägermann. Nachdem die beiden Bohes 1825 mit der "Patriot Gloystein" verschollen blieben, ging ein Jahr später auch die "Harpunier" mit Männern aus Mittelsbüren und Grambke im Packeis verloren.

De Dodsläge – jetzt nicht ins Eiswasser fallen

Wenn vom Krähennest aus der Ruf „Fisch vorut‘“ ertönte, stürzten die Männer zu den kleinen Schaluppen. Pfeilschnell durchschnitten sie die Fluten, um Jagd auf den Giganten zu machen. Thomas Meyer-Bohe sagt, es sei ausgelost worden, wer diese hochgefährliche Arbeit übernahm. Autor Hägermann lässt Kommandeur Westermeyer erzählen: „Jetzt ein Schuss – und siehe, der Meister der Harpune hat den Fisch fest, der sofort in die Tiefe geht … Nach eineinhalbstündiger Arbeit war der Fisch durch die vier Harpunen ... völlig ermattet. Es folgte der letzte Akt des blutigen Schauspiels, der Todeskampf des gewaltigen Tieres. Mit mächtigen Schlägen – der Walfänger nennt sie ‚De Dodsläge‘ – peitschte der Wal die schäumende, von Blut und Tran gefärbte See.“

Umsonst ist nur der Tod

Jedes Besatzungsmitglied bekam laut alten Aufzeichnungen ein Monatsgeld voraus. Danach war der Fang abzuwarten. Nach der Musterrolle des Dampfers "Albert", einer der letzten Grönlandfahrer, wurden den Männern für den Abschuss eines Wals Prämien ausbezahlt, abgestuft nach Steuermann, Harpunier, Speckschneider und übriger Mannschaft. Die Höhe der Prämie richtete sich dabei nach der Länge der Barten des Wals, heißt es im Buch „Das alte Büren“ von Rudolf Stein. Dafür verpflichteten sich die Männer der "Albert" ihrem Kommandeur H. Hashagen aus Leuchtenburg, sich während der Reise „ordentlich und friedfertig“ zu betragen.

Ein Walfänger muss ordentlich essen

Laut Meyer-Bohe war der Platz an Bord begrenzt. Neben der Ausrüstung wie Tauwerk, Harpunenstöcke und Eishaken mussten Kochgerät und Speisen untergebracht werden. Nach einem Proviantzettel vom Anfang des 18. Jahrhunderts gab es auf einem Schiff mit 35 Mann Besatzung: 15 Fässer hartes Brot, 16 Säcke weiches Brot, 28 Säcke Erbsen, acht Tonnen Fleisch, 13 Viertel Butter, 1000 Pfund Käse, 500 Pfund Speck, 900 Pfund Stockfisch, 28 Fässer Bier und nicht zuletzt zweieinhalb Anker Branntwein.

Die Schätze der Bohes

Einige Sachen der Bohes sind erhalten geblieben. Geschirr aus Zinn, das Seitenteil einer reich verzierten Wäschetruhe aus Eiche und eine kleine bemalte Holzkiste. Thomas Meyer-Bohe glaubt, dass einer seiner Vorfahren die Kiste an Bord gefertigt hat, denn manchmal trieben die Schiffe Monate im Packeis, ohne, dass ein Wal gesichtet wurde. Auch das Bildnis einer Seejungfrau mit Waffe auf einer Küchenfliese gehört zu den Schätzen der Bohes. „Die Fliesen in der Küche dienten der Belehrung der Kinder“, so Meyer-Bohe. 

Die Truhe und die Zinnkannen stammen allesamt aus dem Haus in Mittelsbüren, wo Thomas Meyer-Bohes Vorfahren lebten. Das Dorf ist weitgehend verschwunden. Es stehen nur noch die Moorlose Kirche und einige wenige Gebäude. Hier und da erinnern aber Walkiefer in den Gärten an die Geschichte des Walfangs.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)